Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 4.1902

DOI article:
Klein, Rudolf: Die Deutschnationale Kunstausstellung 1902
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.49103#0446

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Von Exter redete man seiner Zeit viel in
München, ich meine zu viel. Er scheint sich
neuerdings zu kräftigen. Götz, mit seiner Ver-
suchung des hl. Antonius, geht in malerischer
Beziehung ähnliche Wege, kann sich seelisch
jedoch noch nicht zu starker Wirkung konzen-
trieren, wenn auch in seinem Bilde Einiges
originell erdacht ist.
Eine eigene Stellung nimmt in der Münchener
Kunst Habermann ein. Soviel ich mich zu
erinnern weifs, malt er eigentlich immer nur
ein Bild, wenigstens in den letzten Jahren. Ähn-
lich wie die Pariser Degas und Lautrec es
pflegten, für die er auch besondere Neigung zu
haben scheint. Es ist ein perverses Weib, in
seltsamen Serpentinlinien sich nach oben schlän-
gelnd, und in etwas unklaren Farben, das er
uns immer wieder auftischt. Ein Weltmann,
dieser Habermann, kann man vor seinen Bildern
denken, ein kleiner Pariser, ein Mann mit Ge-
schmack, der den haut goüt an der Frau liebt,
aber doch kein grofser Künstler. — Herterich
ist sein nicht uninteressantes Gegenstück. Auch
dieser Maler ist einseitig und pikant dazu.
Wie man aus dem Weib, der Linie und der
Farbe des Habermann auf gewisse perverse
Neigungen des Künstlers schliefsen könnte, so
wirkt das eigenartige Kolorit des Herterich
mystisch. Er liebt die starken Kontraste eines
schillernden Blau und Weifs, versteht mit dem
Pinsel umzugehen und hat Geschmack. Wir
nähern uns der Phase Stuck.
Aber vorher möchte ich noch auf Oppler
hinweisen, der in seinem Bilde die gedämpften
Töne der Schotten anschlägt und auch seelische
Stimmungen mit Geschick greift. Die Land-
schafter Buttersack und Ubelohde möchte ich
hier einschalten, die sich als starke Koloristen
hervorthun.
Der Name Stuck bildet in der Münchener
Malerei in der That eine Phase. Man schwärmte

für ihn zur gleichen Zeit, da man für Uhde und
Leibi schwärmte. Von den französischen und
englischen Mystikern hatte man damals wohl
noch kaum Bilder in Deutschland gesehen. Und
so war es denn wohl noch mehr der Tropfen
alter Romantik, der in den Kunstjüngern der Isar-
stadt glühte und sie für diesen Maler schwärmen
liefs. Und Leute aller Grade schwärmten für
Stuck. Man hat eigentlich für ihn geschwärmt,
wie man auch für Gabriel Max schwärmte.
Beide Künstler, gewifs nicht ohne Verdienst,
haben nie die Vorurteile zu überwinden gehabt,
die ein Thoma, Böcklin, Marees zu überwinden
hatte. Sie haben beide freilich dieses Glück
teuer bezahlt, denn beider Qualitäten haben nach-
gelassen, wie ihr Ruhm. Stuck war wie keiner
geeignet, in jungen Jahren der Held des Tages
zu werden und ein Liebling des Glücks und von
ihm verhätschelt. In überreichem Mafse trug er
in sich, das aller Kunst Anfang und Urquell ist:
eine siedend heifse Sinnlichkeit. Aber diese
Sinnlichkeit stak zu sehr im Sexuellen, so dafs
er wohl zu kalter Dämonie wie in seiner
„Sünde“ und seinem „Mörder“ sie steigern, nie
aber die Verbindung zum rein Geistigen des
Lebens eingehen konnte. Und so verfiel er früh
der Unfruchtbarkeit. Seine Dämonie ward zur
Schauertragik, und seine Sinnlichkeit reduzierte
sich im Kolorit auf die einfachsten und zugleich
brutalsten Kontraste. Und bald malte er die
ersten Bilder drei-, viermal. Heute ist es still
um seinen Namen, wie um den des Gabriel
Max. Es ist zu bedauern. Das Glück, der
Erfolg, hatte diese beiden Künstler, die über
eben nicht allzureiche Töne verfügten, früh
gebrochen.
Ein Landschafter von verwandten Qualitäten
ist Benno Becker. Auch er ist ein Künstler,
der nur in München wachsen konnte. Von den
Naturalisten ist er so weit entfernt wie Stuck,
aber wie diesem liegt auch ihm die Natur so


Walter Leistikow
Charlottenburg
Grunewaldsee

15
 
Annotationen