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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 4.1902

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Klein, Rudolf: Die Deutschnationale Kunstausstellung 1902
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https://doi.org/10.11588/diglit.49103#0449

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kulturgesättigter Boden dort, dafs die Gesamt-
heit immer einen Vorsprung haben wird.
Dresden. Als Kunststadt ist sein Name noch
nicht alt. Es giebt Leute, ich glaube Semper,
die behaupten, dort stand einst die Wiege des
Rokoko. Andere halten es nur für den Abglanz
von Versailles. Danach wurde es still, sehr
still. Obgleich Wagner, Klinger, Nietzsche,
Thomas Theodor Heine Sachsen sind, von
einer sächsischen Kunst zu reden, hat man noch
nicht begonnen. Als Kunststadt tritt Dresden
wieder auf den Plan, seitdem dort kluge und
kunstverständige Leute, der Hofrat v. Seidlitz
in erster Linie, geschmackvolle und interessante
Ausstellungen veranstalten. So war Dresden
es, das den Deutschen zum ersten Male Meunier
vermittelte und auch das moderne Kunstgewerbe
geschlossen einführte. Und auch die Dresdener
Kunst hat etwas vom Wesen des Importes an
sich. Es sind teils zugezogene Künstler, die
dort wirken, teils solche, die von auswärts stark
beeinflufst sind. So giebt denn die Dresdener
Kunst ein ziemlich buntes, zusammengewürfeltes
Bild, ohne direkt den Charakter geschlossener
Eigenheit zu tragen. Klinger, der bei Leipzig
wohnt, wird nie zu einer Lokalpartei gerechnet.
Aber eine verwandte Natur, und wohl die
originellste im heutigen Dresden, ist Sascha
Schneider. Dieser Mann ist kein reiner Ger-
mane, er soll slavisches Blut haben. Jedenfalls
weist seine Kunst echt asiatische Bestandteile
auf. Es mag acht Jahre her sein, als dieser
absonderliche Künstler zuerst seinen grofsen
Karton-Cyklus reisen liefs. Kartons in der Zeit des
Impressionismus! Man sprach von einem neuen
Cornelius. Und freilich, malen hat Schneider bis
heute nicht gelernt. Aber auch seine Kunst hat
sich um keine neue Note bereichert. Dieser
tief philosophisch veranlagte Kopf trat damals
so reif und in sich abgeschlossen auf als 24-
jähriger, dafs man um seine Entwicklung bange
sein mufste. Und in der That, er hat sich nicht
entwickelt. Die reichen Schätze seiner mon-
golischen Phantasie, die er zum Teil in religiös-
kosmischen, zum Teil in individuell-sozialen
Vorwürfen verarbeitete, scheinen verbraucht.
In seinem grofsen Bilde „Um die Wahrheit“
giebt er nur interessante Details, — so ist in
psychologischer Beziehung die Figur der Cour-
tisane meisterhaft — während es im ganzen
eine schwer deutbare, oft langweilige Allegorie
ist, deren grofses Unterpanneau in technischer
Beziehung noch dazu sehr schwach ist, als
Zeichnung wie Malerei. — In Hans Unger
sehen wir den eigentümlichen Typus eines neu-
romantischen Künstlers, wie er seltsamerweise
nur in Norddeutschland vorkommt. In Dresden
ist er ja der einzige, in Berlin giebt es eine
ganze Schule dieser Art, die uns freilich die
Berliner Gruppen vorenthalten haben. Ich nenne
die Namen Stöving, Stassen, Müller-Schönefeld,

Hendrich, Rebel. — Hans Unger wie diese
Leute sind alle stark von Wagner beeinflufst.
Es scheint mir nicht angebracht, Böcklin zu
nennen. Die wissenschaftliche Naturkenntnis
dieses Malers ist nicht ihre Sache. Sie sind
mehr Musiker wie Maler. Farbige Rhythmen
nehmen bei ihnen in landschaftlicher Form Ge-
stalt an und bevölkern sich dann mit Märchen-
gestalten. Die farbigen Kontraste in ihren Bildern
sind meist zu scharf, um unserm naturwissen-
schaftlich geschulten Auge sympathisch zu sein,
wenn sie auch untereinander harmonisch ab-
klingen, und sie sind an sich zu materiell. Es
ist dies eigentümlich: diese Anti-Naturalisten
und Mystiker sind in ihren Mitteln stofflich oft
weit roher und unvergeistigter, wie die von
ihnen als öde verschrieenen und stumpfsinnigen
Impressionisten. Unter den mystischen Lyrikern
der modernen Litteratur liefse sich manches
Analogon finden.
Eine andere Richtung in Dresden ist die natu-
ralistische. Sie läfst sich vielleicht von Kühl
ab datieren, der, einst ein Mitbegründer des
Münchener Realismus, als Lehrkraft nach dort
berufen wurde. Damals malte er anders wie
heute. Er kam aus der Rokokomalerei und liebte
dann Kircheninterieurs, deren barocke Orna-
mente er unter dem Farbengeflimmer des Lichts
recht prickelnd und pikant darzustellen pflegte.
Jetzt übt er eine breitere Malweise, und malt
Szenen aus dem Volk. Es scheint, als ob in
seinen Bildern und denen einer Reihe von
jüngeren Künstlern ein Einflufs Kalkreuths zu
spüren sei. Ich nenne Robert Sterl und Franz
Hochmann. Zwintscher ist nur mit einem guten
Porträt vertreten. — Künstler einer gewissen
Eigenart sind fernerhin Lührig und Woldemar
von Reichenbach. Lührig giebt das Porträt
einer alten Dame und ein Bild „Jugend und
Alter“, in dem er eine Naturanschauung be-
kundet, wie wir sie wohl bei den jungen dänischen
Künstlern finden; neben ausgesprochenem Natu-
ralismus zeigt sich ein eigentümlich anekdotischer
Zug, ein Ausdruck heimatlicher Naivetät und
Intimität, während der Graf Reichenbach in
kirchlichen Symbolen redet, deren künstlerische
Ausführung auf einer nicht eben beträchtlichen
Höhe steht. Auch Richard Müller zeigt mit
seinem Porträt „Mann in Pelzmütze“, dafs einer
über ein nicht gewöhnliches Können verfügen
kann, ohne darum zu interessieren. Sein un-
glaublich durchgearbeitetes Werk zeigt, wie
gerade in solcher Manier es selten ist, grofs zu
wirken. Den Namen Holbein hier zum Beweis
heranzuziehen, geht nicht gut an. Man soll den
Namen Gottes nicht mifsbrauchen, ebensowenig
sollte man bei jeder Gelegenheit die Grofsen
der Kunst citieren und den Heutigen als Exempel
statuieren. — Als vor einer Reihe von Jahren
das Radieren in Deutschland „los ging“ —
man kann wohl diesen banalen Ausdruck ge-

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