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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 4.1902

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Klein, Rudolf: Die Deutschnationale Kunstausstellung 1902
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https://doi.org/10.11588/diglit.49103#0453

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brauchen, denn es war eine wahre Epidemie —,
bildeten sich gerade in den kleineren Kunst-
centren solche Schulen. Und neben Karlsruhe,
wo die Radierung bald durch die farbige Litho-
graphie verdrängt wurde, trat Dresden auch auf
diesem Gebiet hervor. Mit Georg Erler, Georg
Jahn und Richard Müller ist es diesmal in mehr
oder weniger guten Blättern vertreten. Und
auch ein gutes Schabkunstblatt von Pietschmann
sehen wir dort. — Und dann Hermann Prell
zum Schlufs, dessen Entwürfe zu seinen Wand-
gemälden im Palazzo Caffarelli (Deutsche Bot-
schaft in Rom) uns Dresden als die Ihrigen
zeigt. Hermann Prell ist in der heutigen Kunst-
welt eine eigentümliche Erscheinung, und ist
es recht schwer, ihm vom modernen Standpunkt
aus gerecht zu werden. Wenn ich nicht sehr
irre, so ist er ein Studienkollege von Max
Klinger. Doch von dessen gedanklich-tiefen Art
hat er nichts, und auch nichts von seiner geist-
reichen Technik. Er hat überhaupt keinen Zu-
sammenhang mit der Zeit, und wundert man
sich um so mehr, wie er werden konnte, weil
er eine durchaus abgeschlossene Persönlichkeit
ist. Freilich ziemlich leer im Innern, was im all-
gemeinen mit „Persönlichkeit“ schlecht
vereinbar ist. Man möchte zu seinen
Schöpfungen hier an Dore denken, frei-
lich einen leichteren, zierlicheren Dore,
und dann eine leichte Dosis Preller
dazu. Die vier Entwürfe hier heifsen
die Jahreszeiten. Man merkt wenig von
Frühling, Sommer und Winter. Aus der
deutschen Mythologie sind sie zum Teil
geschöpft und alle Elemente in Bewe-
gung. Man glaubt einem Opernvorgang
beizuwohnen. Aber die Art und Weise,
wie jede Komposition geschlossen, ganz
und reif in ihrer Art wirkt und der
Künstler das für ihn gültige Ausdrucks-
material beherrscht, versöhnt uns mit
den offenkundigen Mängeln und läfst uns
Prell als den weitaus stärksten dieser
zeitlosen und zugleich zukunftslosen
Künstler erscheinen, die mit ausgiebiger
Phantasie Vergangenes theaterhaft zu
beleben versuchen.
III.
Frankfurt und Karlsruhe.
Von einer Frankfurter Kunst begann
man eigentlich erst zu reden, als Meister
Thoma’s Ruf sich mählig festigte und
man sich erinnerte, dafs dieser Maler
jahrzehntelang in Frankfurt geschaffen
hatte und künstlerisch in seiner land-
schaftlichen Umgebung wurzelte. Da
begann die Heimat ihren Propheten zu
ehren. Wenn man heute zurückdenkt,
es scheint einem unglaublich, wie
lange dieser Künstler für ein gröfseres

Publikum, sagen wir für das deutsche Volk,
im Verborgenen schaffen konnte. Kaum mehr
denn 12 Jahre sind es her, dafs er seine erste
Kollektivausstellung reisen liefs, die Kunstfreunde
sich die Augen rieben, als ob sie geschlafen
hätten, und die breite Masse zu lachen begann.
Heute steht sein Ruhm fest. Wir wissen, dafs er
nach Böcklin die einheitlichste, inhaltreichste,
ausgiebigste Individualität unter den deutschen
Malern ist. Erstaunlich ist seine Produktivität
und Entwicklungsfähigkeit. Mit Leibi hatte er in
der Schule von Courbet gelernt und sich dann
nach und nach mehr entdeckt, bis er im Alter in
seinen Lithographien einen Teil seiner schönsten
Blätter ausgab. Man mag einen ganzen Saal
vorzüglicher Landschaften gesehen haben, stöfst
man auf ein Bild von Thoma, man vergifst
alles: hier ist die Konzentration, fühlt man.
Hier ist das Letzte gesagt. Hier ist ein Bild,
gegen das alle übrigen eben „Malereien“ sind,
studienhafte Einzelmomente. Ein Lied klingt
aus jedem seiner Werke, das ein ganzes Er-
lebnis in sich schliefst. Wie vollständig ver-
gifst man jede Mache, alle technischen Absichten
des Künstlers, man fühlt Gott und die Liebe,


Carl Ziegler, Berlin
Porträt meines Vaters

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