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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 4.1902

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Klein, Rudolf: Die Deutschnationale Kunstausstellung 1902
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https://doi.org/10.11588/diglit.49103#0460

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Realismus hinstellte. Wenn man so bedenkt, dafs
Liebermann, statt abzunehmen in seinem Können,
stets fortgeschritten ist, so darf man freilich nicht
aufser acht lassen, dafs er stets sorgenlos hat
schaffen können. — Louis Corinth erreicht eine
solche malerische Höhe nicht, ist aber ein
Künstler von starken Qualitäten, der einen see-
lischen Vorgang zu erschöpfen weifs. Die Figur
seiner „Salome“ ist von tiefer Wirkung und der
ganze Vorgang in seiner Konzeption nicht minder,
wenn die Malweise, was Ton betrifft, auch
manches zu wünschen übrig läfst. Slevogt steht
diesem Künstler sehr nahe. In seinem „Verlorenen
Sohn“ gab er ein Bild, das der Clou der Aus-
stellung war, wie ein Jahr später eben das des
Corinth. Das Mittelpanneau ist entschieden das
stärkste, allein weil dieser Vorgang in seelischer
Beziehung der ausgiebigste ist. Das linke, auf
dem man kaum etwas erkennt, ist gleichsam
nur eine Farbensymbolik, ein toller Farben-
rausch, während er rechts die gebogene Linie der
Reue giebt. Der Künstler ist nach diesem Bilde
noch nicht wieder mit einem ähnlich starken
Werke hervorgetreten, statt dessen mit einer
grofsen Menge Studien; er scheint sich zur Zeit
in erster Linie mit koloristischen Problemen zu
beschäftigen. Ulrich Hübner, der Landschafter,
ist mir lieber als sein Bruder der Porträtist.
Er hat sich rasch und überraschend entwickelt.
Seine letzten Bilder waren von grofser Ton-
schönheit, in jener weichen sonnigen Art, die wir
eben hin und wieder bei Manet finden. Breyer,
Frank und Schaper sind ein junger Nachwuchs,
der aus ähnlichen Intentionen schafft, doch jeder
selbständig, ohne den andern zu imitieren. Ba-
rscheck und Käthe Kollwitz verfolgen mehr
litterarische Ziele, der eine malt, die andere
radiert. Baluscheck könnte man einen Chronisten
nennen, der bestrebt ist, nicht ohne Humor und
Wehmut zugleich das Berliner Proletariat in
seinem Denken und Fühlen einer späteren Zeit
zu überliefern, Käthe Kollwitz aber benutzt, vom
sozialen Gewissen erfafst, ihre Kunst als An-
klage gegen die Gesellschaft, sie wirft sich als
Verteidiger der Armen und Elenden auf und aus
ihren Blättern klingt es wie ein Entrüstungsschrei.
Zwar ist ihr Darstellungsgebiet ein enges, doch
erfafst sie es mit grofser Impulsivität und steigert
es zu dramatischem Ausdruck. Blätter, wie „Die
Guillotine“, „Aus dem Weberaufstand“ und
„Aufruhr“, legen hierfür ein beredtes Zeugnis
ab. Es ist ein Lebensbekenntnis, dafs diese Frau
hier niederlegt, es sind nicht Gedanken, die sie
nur als Künstler im Atelier bewegen. An diese
der Natur sehr nahe stehenden Künstler schliefst
sich eine Gruppe, die zwar nicht zu jenen vorher
erwähnten extremen Romantikern gehört, aber
deren Vertreter eine subjektive Auffassung
stärker betonen, zur Stilisierung neigen. Ludwig
von Hofmann ist wohl ihr vornehmster. Man
hat ihn ganz und am reinsten in seinen kleinen

Pastellen. Hier geht die einfache Naturabschrift
seltsam leicht und unauffällig, möchte man
sagen, in eine idealische Gestaltung über. Er
nimmt hierin eine ganz eigene Sonderstellung
ein. Man möchte ein wenig an Puvis de Cha-
vannes denken, der freilich mehr stilisiert und
kälter, blutleerer wirkt. Seine Menschen und
Lebewesen erhalten so etwas Paradiesisches, sie
leben mit allen Funktionen des menschlichen
Organismus, aber doch mehr wie Pflanzen, un-
berührt von den Geschäften und Bedürfnissen
unseres Alltags. Sie kennen eben die Stadt nicht.
Leben am Wasser und unter Bäumen. In seinen
gröfseren Ölbildern geht diese Intensität manch-
mal verloren, diese wirken dann wie eine mecha-
nische Vergröfserung eines Originals, das auf
diese Weise verloren hat. Sein grofser Sommer-
abend leidet hieran noch nicht. Es ist ein
herrliches und erschöpfendes Gedicht seines
Vorwurfs, von geradezu antiker, herber Süfse. —
Leistikow besitzt nicht diese dichterische Kraft,
nicht diese Fähigkeit, die Natur gleichsam un-
bemerkt umzudichten. Seiner Stilisierungsart
sieht man die bewufste Absicht an. Seine Land-
schaften wirken daher dekorativer, als sie es
im Grunde sind. Eine dekorative Kunst soll
eine idealische Schmuckkunst sein: Böcklin ist
hier ja Meister. Neuerdings versteht man unter
dekorativer Kunst mehr eine in gewissem Sinne
leere, vereinfachte Tapetenwirkung. Die Kunst
Leistikows schwankt hier oft zwischen den er-
laubten und unerlaubten Grenzen. Aber Vor-
züge sind ihr keinesfalls abzusprechen. Er ist
sehr geschickt, aber eben mehr geschickt wie
tief. Er ist ein Meister des Naturausschnittes,
in der Wahl des Motives, der Anordnung und
alles dessen, was eine Einheitlichkeit erhöht
und bedingt. — Martin Brandenburg ist ein
Märchendichter. Er hat eine seltsame Technik.
Seine Bilder wirken wie gestickte Gobelins.
Seine Phantasie ist ausgiebig, aber bizarr. Seine
Bilder wirken daher erklügelt, oder wie kom-
plizierte aber kalte Träume.
Porträtmaler sind selten, am seltensten in
Deutschland. Dafs Lenbach der erste ist, wissen
die meisten, dafs Lepsius dicht neben ihm steht,
nur wenige. Dabei ist Lepsius selbständig in der
Farbe und kein Nachahmer der Alten. Lepsius ist
vornehmlich Frauenmaler, hat aber keinen femi-
ninen Zug. Eine herbe Reife kennzeichnet seine
meisten Bilder. Wer Gelegenheit hatte, diesen
aufserordentlich klugen und scharfsinnigen Mann
zu sprechen, weifs, wie sehr er zum Menschen-
darsteller geeignet ist. Seine umfassende Kunst-
kenntnis erschlofs ihm alle ihre Mittel und
Reize. Jedes seiner Porträts ist eine dem
Charakter des Dargestellten entsprechende Com-
position in Linien und Farben. Dabei pflegt
er alle seine Farben, um sie hin und wieder
magisch auf leuchten zu lassen, in einen silbrigen
Schleier zu hüllen, unter dem sie spielen,

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