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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 4.1902

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Schäfer, Wilhelm: Claus Hinrich Ringhoff
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https://doi.org/10.11588/diglit.49103#0468

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Dampfer aufkommen an dem blauen Winter-
himmel, sehen die schwarzen und hellen Rümpfe
hingleiten am Horizont, bis wieder nichts von
ihnen bleibt als der ferne Rauch. Sie sehen
aber auch die stolzen Segler kommen mit breit-
bedeckten Masten und freuen sich, dafs es
noch eine Kunst der Schiffahrt giebt, die nicht
mit ihrem Steam langweilig und sicher fährt
wie ein Eisenbahnzug. Aber auf einem Fünf-
master durch den Kanal zu jagen vor vollem
Wind, jeden Augenblick hundert eisenfeste
Hände bereit zum Greifen und hundert Augen
spähend wie bei Jagdhunden nach dem einen
Kopf, in dessen Geistesgegenwart Entschlufs
und Befehl sich sekundenschnell folgen — solch
ein Kapitän ist Fürst und Feldherr — und wo
Engländer und Amerikaner vorsichtig mit kleinen
Segeln fahren, da geht der Deutsche, der Ham-
burger vor ihnen her mit allen Winden: Ja,
das ist Schiffahrt und höchste Lebenslust!
Drei Tage vor dem Letzten ist ein Italiener
da, ein Dampfer, der in dem hellen Himmel
umkehrt und auf Hamburg zurückgeht, wie wenn
der Kapitän dort sein Schnupftuch vergessen
hätte oder sein Portemonnaie. Als sie am
andern Morgen durch den Frühnebel sehen,
kommt er zurück auf einem Weg zwischen
dem Sand, den sonst nur die Fischer wissen.
Er aber fährt ihn unbesorgt wie ein Betrunkener,
dem’s nun einmal gleich ist, wo seine Füfse
gehen. Und als sie noch alle kopfschüttelnd

stehen, hält er auf das Leuchtschiff zu, geradezu
mit vollem Dampf. Sie fangen an zu fluchen,
geben ihm Signale, schimpfen und schreien: er
hält auf sie zu. Und als sie schon meinen,
jetzt schneide er sie mitten durch, da geht er
um ein paar Meter rauschend vorbei. Dreht
sich und hält auf Schaarhörn. Da legt er sich
vor Anker, wo bei stillem Wetter ein Kind in
seiner Wiege schwimmen kann: wo aber Stahl
zerbricht wie dünne Bretter, wenn der Sturm
die Wellen in den Sand jagt.
Und der Sturm kommt, wie wenn der
Italiener ihn bestellt hätte. Er fängt an mit
einer seltsamen Unruhe in den Gewässern, die
man ans Herz drücken fühlt. Aus dem Himmel
wachsen wattige Wolken. Als der Abend kommt,
steht das Sonnenlicht gelb und dumpf dahinter.
Dicke Wellen schwappen faul gegen die Wand
des Leuchtschiffs. Und doch ist noch nirgend
ein Wind zu spüren. Sie geben dem Italiener
ein Signal nach dem andern. Er rührt sich
nicht bis fast in die Nacht. Da sehen sie ihn
langsam abdampfen in die hohe See.
Aber am andern Morgen, als Meer und
Himmel sich vermischen zu einer eisstäubenden
donnernden Masse, hören sie schiefsen. Von
Schaarhörn herüber. Sie wissen gleich, dafs es
der Italiener ist, und als gegen zehn die Hellig-
keit in den Nebel kommt, sehen sie ihn daliegen,
wo er am Abend gewesen war. Ein regelrechtes
Rettungsboot ist garnicht auf dem Elbleucht-


Paul Joanowits
Wien
Hahnenkampf

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