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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 4.1902

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Schäfer, Wilhelm: Claus Hinrich Ringhoff
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https://doi.org/10.11588/diglit.49103#0475

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Von Büsum drüben in Holstein sind sie ge-
kommen und haben die Schiffbrüchigen ge-
funden.
Und nun — was will rund herum das
brüllende Meer und der Nebel, der über den
Sand gepeitscht wird — nun beginnt eine
schweigende Begrüfsung der Helden: Wickinger,
die sich nach einer Todesfahrt zusammenfinden.
Die von Büsum haben ein Rettungsboot und
nehmen alle mit. Nur der Kapitän will gleich
nach Kuxhaven und Ringhoff mit seinen Jungen
fährt ihn hin. Von Buschsand nach Kuxhaven,
das sind gradaus fünf Stunden Wegs; und wenn
eine Landstrafse da wäre, wollten sie wohl
zum Nachmittag hingegangen sein. Aber da
ist die Nordsee mit tausend Wellen und mit

Hand zurück, schreit dann und fängt an zu
heulen, hängt sich dem kleinen alten Kerl an
den Hals: „Ihr Ringhoff seid wieder da!“
Schon hat’s in der Zeitung gestanden, dafs
ihn endlich das Meer doch geholt hat: und da
ist er doch wieder mit seinen listigen Augen.
Sie bringt ihn zum Kommandeur ins Zimmer.
Und Claus Hinrich Ringhoff trinkt einen furchtbar
steifen Grog und trockene Kleider und Betten
sind da für ihn und seine Jungen, so gut, wie
sie keiner von ihnen braucht. Sie könnten auf
einem Steinhaufen schlafen.
Am andern Nachmittag kommt er zurück
auf sein Elbleuchtschiff Nummer zwei. Und
der Kapitän, der ihm aus seinem heifsen Kopf
den Meuterbrief geschrieben hat, steht da und


Hans Herrmann, Berlin
Blumenmarkt in Amsterdam

jeder müssen sie sich schlagen. Als sie mitten
drin sind, legt sich der Sturm aufs neue furchtbar
ein. Und immer von der Seite gegen das Boot,
Welle auf Welle, bis eine stark genug ist, es
umzuwerfen. Da thut Ringhoff das letzte, was
er weifs, rundum mit dem Beil schlägt er die
obersten Planken heraus. Und so halb im
Wasser sitzend, durch einen kurzen Tag und
einen langen Abend kommen sie gegen zehn in
Kuxhaven an und gehen so stolz in den Hafen,
wie nur ein Dampfer hineingehen kann. Sieben-
unddreifsig Stunden von Bord, siebenunddreifsig
Stunden aus der Welt.
Die Tochter vom Kommandeur ist gerade
im Flur, als sie jemand auf der Treppe hört,
der die Schelle nicht finden kann. Sie ist nicht
ängstlich und macht auf. Da sieht sie einen
nassen Menschen stehen, fährt erst mit der

drückt ihm die Hand und das helle Freuden-
wasser läuft ihm über das junge Gesicht.
* *
*
Du lieber Claus Hinrich Ringhoff, ich weifs
nicht, ob du noch lebst und Glück hast mit
deiner grofsen stillen Frau und deinem emsigen
Sohn. Aber wenn du lebst, so wirst du diese
Erinnerungen in den Schubkasten zu den
Medaillen legen, die niemals auf deine Brust
kamen. Auch die gedruckten Worte wirst du
niemand zu lesen geben, als deiner Frau. Aber
du wirst den Kopf nach wie vor fest zwischen
den Schultern tragen und aus deinem einfältigen
Gesicht werden die scharfen Äuglein spöttisch
auf die Heimatlosen sehen, die ihre schwäch-
lichen Nerven kurieren wollen in deiner Natur,
darinnen man geboren sein mufs, um so lächelnd
in der Nordseeluft zu stehn wie du.

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