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Südwestdeutsche Rundschau: Halbmonatsschrift für deutsche Art und Kunst — 2.1902

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Esswein, Hermann: Zeit und Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.12736#0425

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383

3eit un6 Kuitft.

(Don ^ermann (EjjtDetn, THannt)eim=irtünd)cn.)

(Es ift nacf/gerabe faft ITtobe geworben, non einer „iteberrombmtg bes
naturalismus" 311 reben, unb in ben oerjcfjiebenen litterarifcf/en 3eitjd)riften
mehren ficb, bie fluslaffungen, nad) benen man »ermuten fönnte, bie ITToberne
fei am 3iel, es Ijabe ficf; erfüllt, roas ifjre jugenblicfpbegeifterten Propheten
nor 3eb,n unb fünf3erm 3ahren m ftammelnben Seb.nfucfjtsf/qmnen oertiinbet
hatten. 3n ber ?Eb,at, jene tunftlerifdjen Begebungen, bie barauf ab3ielen,
unferer 3eit itjre eigene Sprache 3U fdjaffen, fd)einen nunmehr $ül)lung mit
bem breiteren öffentlichen £eben gewinnen 3U wollen. — Das beroeifen allein
fdjon bie IDrplätter, bie jetjt in jeber Ausgabe minbeftens brei (Ealembourgs
über moberne £itteratur ober Kunft bringen, bas lehren ferner bioerfe Sing-
fpielfjallen im „3ugenbftil", in benen gefcfjäftsfunbige Herren fid; cergeblid)
bemühen, bas liebe, 3ierlid)e Untraut ber parifer Cabaret=Kunft in fd)roer-
fdjolliges, beutfdjes (Erbreich 3U oerpflan3en, bas lefjrt nicht 3ulei}t bie tEb,at-
(ad)e, bajj felbft in entlegenen Prot)in3ftäbten bie 5ünf3igpfennig=Ba3are aller-
tjanb (Bebraudjsgegenftänbe im „3ugenbftil" 3U führen beginnen, bajj bie
(Eafes biefer piä^e allgemach ttjre retfamtenen 5amiItertfopI)as, forote „Sauf1
unb ©reichen" in (Delbrucf entfernen, um ficf) bafür mobern ein3urid)ten, roo-
bei bi3arre Raumoerteilung, ungemütliche Sitzgelegenheiten, fdjarfe 5ar&en-
fontrafte unb bie häufige flnroenbung »on (5olb als gan3 b,erDorra9eno
„fe3effioniftifch" gelten, roätjrenb bie k\)at\aä\e, baft bie üifchplatten biefer
„fe3effioniftifd|en" Cafes aus lädiertem £annent)ol3 beftel)en, bas bie
3llufion non ITtarmor erroecfen foll, bem Stilgefühl ber lofalpatriotifchen
Befucber nid)t ben minbeften S<hmer3 oerurfacht!

(Ein ITtaler, mit bem ich einmal biefes tEJjema befpracfj, bemerfte
Iafonifdj: „(Db Renaiffance, flttbeutfcf) ober „3ugenbftil" — Kitfeh bleibt
Kitfd)!" —

3n ber Gtteratur begegnen roir genau berfelben (Erfcheinung. Der
mobernen Bücher finb £egion, aber gerabe wie bie neue 5ormenfpra<he
weniger bebeutenber Bilbner bas Phantom, bas lächerliche Unbing eines
„mobernen Stiles" nad) fi<h 3°9 > genau fo fehen roir bie armfelige £eere
unferes Schrifttumes nicht cor lauter Büchern — im „3ugenbftil". —

IRit bem Kultus r>on £ijrifern, bie, 3umeift in ben Bahnen Derjmels
roanbelnb, fich rafcb, eine im allgemeinften Sinne moberne 5°rm angeeignet
haben, in bie fie nun 3°hr für 3ahr oen lauen unb leichtoerbaulicrjen Brei
ihres wenig bifferen3ierten Innenlebens gießen, mit ber Derehrung aller
möglicher fetdjter, wortreicher ^albtalente fuggeriert man ben Gutgläubigen,
unfere moberne £r)rif hätte mehr als oier Hamen auf3uweifen, bie ben Cag
unb feine RTobe Überbauern werben.
 
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