^hrg. VI, Nr. 5 vom 31. Januar 1932
DIE WELT KUNST
5
im
Amerikanische
Künstler in Paris
Von Dr. Fritz Neugaß
Max Perl, Berlin, 6. Februar
Ausstellungen
Rudolf Schlichter
Die ganze Welt der Kunst liest die
WELTKUNST
die Formen, indem er sie großen Bewegungs-
zügen unterordnet und überall versteckte Be-
ziehungen, diabolische Entsprechungen auf-
blitzen läßt, Gebilde einer unbegrenzt hervor-
Ver-
aus-
Aus-
and
denen vom Künstler
Format des Buches beigegeben ist.
"'errnan. Den Beschluß des Kataloges bildet
eLe bedeutende Anzahl von Holzskulpturen.
Freude an koloristischen Feinheiten die Zügel
schießen lassen. Daneben entstanden aus
Zeichnung und sparsamer Verwendung der
Farben in der „Jungen Dänin“ und der „Schau-
spielerin“, physiognomische Studien von fein-
nur sehr verdünnt, den Geist
ques, Lurgats, Matisses,
Chiricos und Vlamincks.
ehrenvoll, unter solchen Auspizien zu schaffen,
aber der völlige Mangel einer nationalen oder,
sagen wir, um Mißverständnisse vorwegzu-
nehmen, volkshaften Eigenart macht diese
Ausstellung illusorisch. Es muß lobend er-
wähnt werden, daß der Organisator Chil Aron-
son stets Wert auf qualitätvolle Arbeit legte
und es ist schließlich nicht seine Schuld, wenn
die amerikanischen Künstler kein eigenes Ge-
präge zur Schau tragen.
Emil Nolde, Fischerkinder
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
Galerie Conimeter, Hamburg
auf. Die Häusermauern
eines Hinterhofes wer-
den zu angekränkelten,
angefressenen Körpern.
Ausgezeichnet sind die
Porträtzeichnungen. In
den letzten, mit der
Rohrfeder gezeichneten
Landschaften wird des
Künstlers bester Teil,
die Imagination, durch
eine gewiß zügige, aber
allzu gekonnte Hand-
schrift zurückgedrängt.
Die religiösen Szenen
nähern sich durch ihre
grotesken und sadisti-
schen Elemente — sicher
ungewollt — der Farce.
quellenden, hintergründigen Imagination. Die
triebhafte Natur des Künstlers wirkt sich am
deutlichsten in den Naturdarstellungen aus.
Baumwurzeln ringeln sich wie Polypen,
Stämme und Laub sind wie mit fleckigen, in
verästelte Blutadern auslaufenden Geschwüren
überzogen, Wasserläufe quirlen mit unheimlich
saugenden Strudeln
Exposition — Exhibition:
Kunstverein, Dessau
Picassos, Bra-
Soutines, Lothes,
Es ist fast schon
Karl Schmidt-Rottluff, Römisches Stilleben
Ausstellung —
Anhaitischer
(Fortsetzung der Vorberichte von S. 3)
Länderkunde wider. Besonderer Pflege erfreu-
ten sich die Naturwissenschaften, die Geheim-
wissenschaften, Alchemie und Freimaurerei.
Die deutschen Klassiker bis 1800 sind in Ge-
samt- und Einzelausgaben reichlich vorhanden,
ebenso eine Anzahl seltener Chroniken. Die
Pädagogische Literatur mit den Hauptwerken
von Basedow, Campe, Gutsmuts, Pestalozzi
gibt der Sammlung eine Sondernote. Unter den
illustrierten Büchern sei auf Raritäten wie
das Passional des Jacobus de Voragine hin-
gewiesen, einen Lübecker Druck in niederdeut-
scher Sprache des Steffen Arndes von 1507 mit
hunderten von Holzschnitten eines Lübeckei'
Meisters. Der guten Erhaltung der Bibliothek
in alten Einbänden sei besonders Erwähnung
getan.
Die Kolonie der in Paris lebenden amerika-
nischen Künstler hatte die glückliche Idee, durch
eine umfangreiche Ausstellung in der „Gale-
rie de la Renaissance“ dem französi-
schen Publikum ihre Werke vorzustellen. Man
ging hin in der Hoffnung, einmal die Kunst
der „Neuen Welt“ studieren zu können und
den Ausdruck amerikanischen Geistes in der
Kunst interpretiert zu sehen. Man erwartete
einen neuen Stil, eine Kunst, die Schritt hält
mit der großzügigen Entwicklung des Landes
der ungeahnten Möglichkeiten und hoffte auf
neue Lösungen voller Frische und Unbefan-
genheit, die dem jungfräulichen Boden ameri-
kanischen Geistes entspräche.
Wir wissen von großen Künstlern, die in
den Vereinigten Staaten leben; und deren
Werke Preise erzielen, die man sich in Europa
nicht einmal zu erträumen wagt. Wir wissen
auch, wie sehr die abendländische Kunst in
Amerika geachtet wird, und wie alle amerika-
nischen Sammler und Provinzmuseen bestrebt
sind, Renoirs, Cezannes, Modiglianis und Pi-
cassos zu erwerben.
Man wußte aber — vor dieser Ausstellung!
— noch nicht, daß in künstlerischer Beziehung
Amerika nur eine Provinz ist, eine Provinz der
berühmten „Ecole de Paris“, ein verdünnter
Abklatsch abendländischen Schaffens mit der
ganzen Vielseitigkeit des Stilwollens und der
Rassenprobleme.
Zur Entschuldigung könnte gesagt werden,
daß alle diese amerikanischen Künstler in Pa-
ris leben, daß sie alle losgelöst sind von ihrem
Heimatboden und daß die Kraft der Pariser
Tradition und der großen Vorbilder stärker
wirkt als die urwüchsigen Energien und das
Verwurzeltsein im Charakter des amerikani-
schen Volkes.
Man glaubt, in einer französischen Kunst-
ausstellung zu sein; man entdeckt, wenn auch
Wie sind die Schwarz-Weiß-
Ausstellungen entstanden?
Trotzdem heute wohl jeder weiß, was man
unter „Schwarz - Weiß - Ausstellung“ versteht,
dürfte den wenigsten bekannt sein, wie, wo
und wann diese Ausstellungsart entstanden
ist. Ich möchte das deshalb einmal erklären.
Die erste Schwarz-Weiß-Ausstellung machte
im Jahre 1880 der Ver-
lag des „Graphic“ in
London, indem er die
Originale seiner
lagsillustrationen
stellte und diese
Stellung „Black
White-Exhibition'
nannte. Diese gute Idee
wurde aufgegriffen und
in Paris im Pavillon
de l’Enseignement von
dem Verleger Bernard
im Jahre 1885 nachge-
ahmt, indem er Aqua-
relle, Pastelle und Gou-
achen seines Verlages
als „Exposition Inter-
nationale de Blanc et
Noir“ zusammenstellte.
Nachdem nun London
und Paris vorangegan-
gen waren, konnte auch
Berlin nicht mehr feh-
len. Im Mai 1886
machte der Verleger
Franz Lipperheide die
erste Schwarz-Weiß-
Ausstellung in Deutsch-
land, als er im Verein
Berliner Künstler die
besten Zeichnungen und
Holzschnitte einer Preis-
illustrierte Frauen-
fühliger Eindringlichkeit und in den großen
Blättern „Mühle“, „Das Meer“, „Ruhende
Kühe“ Arbeiten von gewaltiger Kraft.
Die Tendenz zum
i Malerischen beherrscht
auch die Radierung. Bei
den meisten der neueren
Arbeiten verbinden sich
Strichzeichnung und
Tonätzung; auf Blät-
tern wie „Die Schrift-
gelehrten“ erhebt sich
diese Verbindung zu
Meisterwerken aller-
ersten Ranges der Ra-
dierkunst. Einen eigen-
artigen Reiz der Aus-
stellung bilden eine An-
zahl vom Künstler aqua-
rellierter Lithographien,
von denen verschiedene
„Selbstbildnisse“, sowie
die Blätter „Nelly“,
„Wie Vögel“, „Junge
Mädchen in Unterhal-
tung“, „In Reitertracht“
wegen ihrer Farben-
prächtigkeit besonders
hervorzuheben sind. —
Besonders hingewiesen
wird noch auf die in der
Ausstellung ausgestell-
ten letzten Vorzugs-
exemplare des kürzlich
erschienenen Buches
„Das eigene Leben“,
je ein Original-Aquarell
Kunstgewerbe, Gemälde
München, Vorb. 12./13. Febr.
Am 12.113. Februar findet bei Hugo Hel -
bing eine Versteigerung von altem Kunst-
gewerbe, Skulpturen und Gemälden alter
Meister aus dem Besitz von Herrn Gustav
Einstein, München, u. a. B. statt. Den
Katalog eröffnet eine reichhaltige Kollektion
jüdischer Kultgeräte für Synagoge und Haus.
Daran schließen sich bedeutende Silberarbeiten
der deutschen Spätrenaissance, des Barock und
Rokoko. Unter den Waffen finden sich so
interessante Stücke wie zwei Rüstungen des
16. und 17. Jh., mehrere Helme des 16./17. Jh.
U. a. Ein Paar schöne ausgezeichnet erhaltene
Wandteppiche mit dem Wappen der Tiepolo,
Beauvais um 1700 verdienen besondere Beach-
tung; bei den Möbeln überwiegen die eingeleg-
ten Schreibschränke, Kommoden und Ziertisch-
chen des 18. Jh. Bei den Gemälden seien u. a.
aufgezählt: Buytewech, B. Cuyp, Drochsloot,
Ph. Hackert, Mommers, Platzer Vries, Wou-
Schmidt-Rottluff
Der Anhaitische Kunstverein ver-
anstaltet eine Ausstellung von Karl Schmidt-
Rottluff. Mit einigen charakteristischen und
starken Werken ist der Weg Schmidt-Rottluffs
seit 1910 abgesteckt, das Schwergewicht der
Dessauer Ausstellung liegt bei den Arbeiten
der letzten Jahre. Angetrieben von der all-
gemeinen künstlerischen Grundrichtung hat
unter der Einwirkung des letzten römischen
Aufenthalts Schmidt-Rottluff eine neue Phase
seiner Entwicklung beschritten. Aber während
einzelne der Brücke-Meister, die sich alle der
Zeitströmung nicht ganz entziehen konnten,
wertvolle Eigenschaften verloren haben, hat
Schmidt-Rottluff sich die herbe Strenge seines
Willens zur großen Form erhalten und ist
nicht in eine Sachlichkeit mit impressionisti-
scher Färbung abgeglitten. Es überrascht,
daß Rom und Italien auf einen Maler, der von
dem Klassizismus und der Renaissance so
weit entfernt ist, einen so tiefen Einfluß aus-
zuüben vermochten, der in die gleiche Richtung
geht, wie er schon jahrhundertelang auf die
nordische Kunst gewirkt hat. Bei Schmidt-
Rottluff sprechen jetzt in der Komposition die
Horizontale und Vertikale entscheidend mit,
der Bildraum erhält eine größere klare Tiefe
durch großflächige Formen, die in sich
malerisch reicher durchgebildet sind ■— be-
gleitet von einer anderen Farbhaltung.
Von den italienischen Aquarellen ist schon
wiederholt gesprochen. Es soll hier mit Nach-
druck auf die Gemälde hingewiesen werden,
unter denen einige zu den stärksten Werken
Schmidt-Rottluffs gehören, ja die darüber hin-
aus den großen Leistungen moderner deutscher
Kunst zuzuzählen sind. Der nächtliche Mittel-
meerhafen — eine andere Fassung ist mit
nach Oslo gegangen — ist farbig und kom-
positionell ein Wurf und ein künstlerisch Erst-
maliges in dem Gegensatz der im Kreise ge-
ordneten grüngelben Boote auf der gleich-
farbigen wie ein Spiegel gespannten Seefläche,
die in eine dunkelviolette nächtliche Tiefe
stößt.
Das Römische Stilleben ist aber das be-
deutendste Bild der Ausstellung (Ab-
bildung unten), vielleicht sogar das be-
deutendste dieser Schaffensperiode. Gegen-
über den anderen Stilleben Schmidt-Rottluffs,
die mehr oder weniger flächig angeordnet
sind, ist dieses ein Stilleben im Raum, und
trotz der Einbeziehung des Räumlichen besitzt
es eine bezwingende Größe, die das Bild be-
stimmt. Das Beieinander der Gegenstände ist
nicht gewollt geordnet, zusammengestellt wie
oft bei Stilleben, es hat die Selbstverständlich-
keit eines natürlich, organisch Zusammen-
gehörigen. Es ist die Frische eines unmittel-
baren zufälligen Erlebnisses in das Bild ein-
gegangen: die Wasserkaraffe, die Frucht-
presse, das Messer, die Orangen und die
Zitronen standen oder lagen auf dem Tisch im
römischen Atelier, bestimmt zur Erfrischung
am heißen Tag, als der Blick darauf fiel und
gefesselt wurde. Dabei besitzt die Komposi-
tion, die mit Gelenken die Formen verbindet,
zugleich Gelockertheit und Gesetzmäßigkeit.
Die Formen sind ganz elementar hingeschrie-
ben wie die kalkweiße Kontur der Wasser-
fläche oder der Fruchtpresse, neben ihrer
festen Zeichnung stehen die organischen Farb-
flächen der Früchte auf der dunkelvioletten
Tischfläche. Dr. L. Grote
Cezanne, Sitzender männlicher Akt
Kohlezeichnung — Fusain — Drawing, 4S : 29 cm — Auktion 170, Nr. 506a
Versteigerung — Vente — Sale:
Max Perl, Berlin, 6. Februar 1932
konkurrenz für die
zeitung“ ausstellte. Von dieser ersten deut-
schen Schwarz-Weiß-Ausstellung ist uns auch
ein kleiner Katalog mit 49 Nummern erhalten.
Es ist also noch gar nicht solange her, daß die
Form der Schwarz-Weiß-Ausstellung zuerst in
England gefunden, dann auch bei uns nach-
geahmt wurde, und wenn heute die großen
Kunstausstellungen ihre Schwarz-Weiß-Abtei-
lungen machen oder wenn Schwarz-Weiß-Aus-
stellungen als Sonderausstellungen gezeigt
werden, sollte man doch nicht vergessen, wie
diese Ausstellungsart eigentlich entstanden ist.
Die Galerie C om-
ni e t e r in Hamburg
hat z. Zt. eine sehr
umfangreiche Ausstel-
lung graphischer Ar-
beiten Emil Noldes aus
den Jahren 1897—1931
veranstaltet, die bei
der überaus reichen
Fülle des Materials —
darunter auch seltene
und weniger bekannte
Blätter, sowie Probe-
und Zustandsdrucke —
den Freunden und
Sammlern Noldescher
Graphik einen inter-
essanten und lehr-
reichen Überblick über
sein graphisches Werk
und zugleich einen be-
sonderen künstlerischen
Genuß bietet.
Von den früheren
Radierungen sind die
bedeutenden und selte-
nen Blätter „Am Bier-
tisch“ (1897), „Im
Schaukelstuhl“, „Polin“,
„Freundinnen“, „Tisch-
gesellschaft“, „Profil“,
„Junge Frau“, „Bauern“,
„Nach dem Pferde¬
markt“, „Wintermeer“, mehrere Soester An-
sichten, „Am Morgen“, „Liegendes Mädchen“
in ausgezeichneten Frühdrucken, teils Zustands-
drucken, hervorzuheben.
Die Lithographien aus dieser Epoche sind
besonders gut vertreten mit den Blättern
„Kunstfreunde“, „Mädchen mit vorgestreckten
Armen“, „Südseeinsulaner“, „Kunstblatt be-
trachtend“, „Selbstbildnis mit Pfeife“, „Tingel-
Tangel“.
Die Gruppe der farbigen Steindrucke aus
dem Jahre 1913 ist ein Beleg für die koloristi-
sche Einstellung Noldes. In den ausgestellten
„Heiligen drei Königen“, der ekstatischen
„Tänzerin“, dem „Jungen Paar“, „Fischer-
kinder“ (Abbildung oben), „Bildnis Schiefler“
hat er mittels immer neuer Variationen und
Kombinationen von Platten und Farben seiner
Die Galerie Gurlitt zeigt Zeichnungen
,nd Aquarelle des Künstlers, vorwiegend aus
„e.n Jahren 1930 und 1931, dazu auch einige
(ühere Arbeiten. Schlichter ist zweifellos
v?er der besten, heute lebenden illustrativen
unstier. Seine Entwicklung verläuft, obwohl
e auf anderen Voraussetzungen beruht, mit-
*}ter parallel zu der des George Grosz. Beide
Unstier wenden in letzter Zeit eine seltsam
®rwandte Aquarelltechnik an: Sie malen auf
gefeuchtetes, stark saugendes Papier, so daß
aufgesetzten Farben fleckenartig zerlaufen
hat v?el fache, feine Nuancen bilden. Schlichter
Ph 6<lne- bewegliche, bunte, etwas blutrünstige
niNw as'e. und eine außerordentliche tech-
bisweilen ins Routinierte abgleitende
bi„ a ung- Die Lust am Abenteuer, am far-
inti„n’ fegenden Abenteuer erfüllt die unge-
ler erzählenden Blätter. Der Künst-
ebt das Verworrene, verunklärt bewußt
DIE WELT KUNST
5
im
Amerikanische
Künstler in Paris
Von Dr. Fritz Neugaß
Max Perl, Berlin, 6. Februar
Ausstellungen
Rudolf Schlichter
Die ganze Welt der Kunst liest die
WELTKUNST
die Formen, indem er sie großen Bewegungs-
zügen unterordnet und überall versteckte Be-
ziehungen, diabolische Entsprechungen auf-
blitzen läßt, Gebilde einer unbegrenzt hervor-
Ver-
aus-
Aus-
and
denen vom Künstler
Format des Buches beigegeben ist.
"'errnan. Den Beschluß des Kataloges bildet
eLe bedeutende Anzahl von Holzskulpturen.
Freude an koloristischen Feinheiten die Zügel
schießen lassen. Daneben entstanden aus
Zeichnung und sparsamer Verwendung der
Farben in der „Jungen Dänin“ und der „Schau-
spielerin“, physiognomische Studien von fein-
nur sehr verdünnt, den Geist
ques, Lurgats, Matisses,
Chiricos und Vlamincks.
ehrenvoll, unter solchen Auspizien zu schaffen,
aber der völlige Mangel einer nationalen oder,
sagen wir, um Mißverständnisse vorwegzu-
nehmen, volkshaften Eigenart macht diese
Ausstellung illusorisch. Es muß lobend er-
wähnt werden, daß der Organisator Chil Aron-
son stets Wert auf qualitätvolle Arbeit legte
und es ist schließlich nicht seine Schuld, wenn
die amerikanischen Künstler kein eigenes Ge-
präge zur Schau tragen.
Emil Nolde, Fischerkinder
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
Galerie Conimeter, Hamburg
auf. Die Häusermauern
eines Hinterhofes wer-
den zu angekränkelten,
angefressenen Körpern.
Ausgezeichnet sind die
Porträtzeichnungen. In
den letzten, mit der
Rohrfeder gezeichneten
Landschaften wird des
Künstlers bester Teil,
die Imagination, durch
eine gewiß zügige, aber
allzu gekonnte Hand-
schrift zurückgedrängt.
Die religiösen Szenen
nähern sich durch ihre
grotesken und sadisti-
schen Elemente — sicher
ungewollt — der Farce.
quellenden, hintergründigen Imagination. Die
triebhafte Natur des Künstlers wirkt sich am
deutlichsten in den Naturdarstellungen aus.
Baumwurzeln ringeln sich wie Polypen,
Stämme und Laub sind wie mit fleckigen, in
verästelte Blutadern auslaufenden Geschwüren
überzogen, Wasserläufe quirlen mit unheimlich
saugenden Strudeln
Exposition — Exhibition:
Kunstverein, Dessau
Picassos, Bra-
Soutines, Lothes,
Es ist fast schon
Karl Schmidt-Rottluff, Römisches Stilleben
Ausstellung —
Anhaitischer
(Fortsetzung der Vorberichte von S. 3)
Länderkunde wider. Besonderer Pflege erfreu-
ten sich die Naturwissenschaften, die Geheim-
wissenschaften, Alchemie und Freimaurerei.
Die deutschen Klassiker bis 1800 sind in Ge-
samt- und Einzelausgaben reichlich vorhanden,
ebenso eine Anzahl seltener Chroniken. Die
Pädagogische Literatur mit den Hauptwerken
von Basedow, Campe, Gutsmuts, Pestalozzi
gibt der Sammlung eine Sondernote. Unter den
illustrierten Büchern sei auf Raritäten wie
das Passional des Jacobus de Voragine hin-
gewiesen, einen Lübecker Druck in niederdeut-
scher Sprache des Steffen Arndes von 1507 mit
hunderten von Holzschnitten eines Lübeckei'
Meisters. Der guten Erhaltung der Bibliothek
in alten Einbänden sei besonders Erwähnung
getan.
Die Kolonie der in Paris lebenden amerika-
nischen Künstler hatte die glückliche Idee, durch
eine umfangreiche Ausstellung in der „Gale-
rie de la Renaissance“ dem französi-
schen Publikum ihre Werke vorzustellen. Man
ging hin in der Hoffnung, einmal die Kunst
der „Neuen Welt“ studieren zu können und
den Ausdruck amerikanischen Geistes in der
Kunst interpretiert zu sehen. Man erwartete
einen neuen Stil, eine Kunst, die Schritt hält
mit der großzügigen Entwicklung des Landes
der ungeahnten Möglichkeiten und hoffte auf
neue Lösungen voller Frische und Unbefan-
genheit, die dem jungfräulichen Boden ameri-
kanischen Geistes entspräche.
Wir wissen von großen Künstlern, die in
den Vereinigten Staaten leben; und deren
Werke Preise erzielen, die man sich in Europa
nicht einmal zu erträumen wagt. Wir wissen
auch, wie sehr die abendländische Kunst in
Amerika geachtet wird, und wie alle amerika-
nischen Sammler und Provinzmuseen bestrebt
sind, Renoirs, Cezannes, Modiglianis und Pi-
cassos zu erwerben.
Man wußte aber — vor dieser Ausstellung!
— noch nicht, daß in künstlerischer Beziehung
Amerika nur eine Provinz ist, eine Provinz der
berühmten „Ecole de Paris“, ein verdünnter
Abklatsch abendländischen Schaffens mit der
ganzen Vielseitigkeit des Stilwollens und der
Rassenprobleme.
Zur Entschuldigung könnte gesagt werden,
daß alle diese amerikanischen Künstler in Pa-
ris leben, daß sie alle losgelöst sind von ihrem
Heimatboden und daß die Kraft der Pariser
Tradition und der großen Vorbilder stärker
wirkt als die urwüchsigen Energien und das
Verwurzeltsein im Charakter des amerikani-
schen Volkes.
Man glaubt, in einer französischen Kunst-
ausstellung zu sein; man entdeckt, wenn auch
Wie sind die Schwarz-Weiß-
Ausstellungen entstanden?
Trotzdem heute wohl jeder weiß, was man
unter „Schwarz - Weiß - Ausstellung“ versteht,
dürfte den wenigsten bekannt sein, wie, wo
und wann diese Ausstellungsart entstanden
ist. Ich möchte das deshalb einmal erklären.
Die erste Schwarz-Weiß-Ausstellung machte
im Jahre 1880 der Ver-
lag des „Graphic“ in
London, indem er die
Originale seiner
lagsillustrationen
stellte und diese
Stellung „Black
White-Exhibition'
nannte. Diese gute Idee
wurde aufgegriffen und
in Paris im Pavillon
de l’Enseignement von
dem Verleger Bernard
im Jahre 1885 nachge-
ahmt, indem er Aqua-
relle, Pastelle und Gou-
achen seines Verlages
als „Exposition Inter-
nationale de Blanc et
Noir“ zusammenstellte.
Nachdem nun London
und Paris vorangegan-
gen waren, konnte auch
Berlin nicht mehr feh-
len. Im Mai 1886
machte der Verleger
Franz Lipperheide die
erste Schwarz-Weiß-
Ausstellung in Deutsch-
land, als er im Verein
Berliner Künstler die
besten Zeichnungen und
Holzschnitte einer Preis-
illustrierte Frauen-
fühliger Eindringlichkeit und in den großen
Blättern „Mühle“, „Das Meer“, „Ruhende
Kühe“ Arbeiten von gewaltiger Kraft.
Die Tendenz zum
i Malerischen beherrscht
auch die Radierung. Bei
den meisten der neueren
Arbeiten verbinden sich
Strichzeichnung und
Tonätzung; auf Blät-
tern wie „Die Schrift-
gelehrten“ erhebt sich
diese Verbindung zu
Meisterwerken aller-
ersten Ranges der Ra-
dierkunst. Einen eigen-
artigen Reiz der Aus-
stellung bilden eine An-
zahl vom Künstler aqua-
rellierter Lithographien,
von denen verschiedene
„Selbstbildnisse“, sowie
die Blätter „Nelly“,
„Wie Vögel“, „Junge
Mädchen in Unterhal-
tung“, „In Reitertracht“
wegen ihrer Farben-
prächtigkeit besonders
hervorzuheben sind. —
Besonders hingewiesen
wird noch auf die in der
Ausstellung ausgestell-
ten letzten Vorzugs-
exemplare des kürzlich
erschienenen Buches
„Das eigene Leben“,
je ein Original-Aquarell
Kunstgewerbe, Gemälde
München, Vorb. 12./13. Febr.
Am 12.113. Februar findet bei Hugo Hel -
bing eine Versteigerung von altem Kunst-
gewerbe, Skulpturen und Gemälden alter
Meister aus dem Besitz von Herrn Gustav
Einstein, München, u. a. B. statt. Den
Katalog eröffnet eine reichhaltige Kollektion
jüdischer Kultgeräte für Synagoge und Haus.
Daran schließen sich bedeutende Silberarbeiten
der deutschen Spätrenaissance, des Barock und
Rokoko. Unter den Waffen finden sich so
interessante Stücke wie zwei Rüstungen des
16. und 17. Jh., mehrere Helme des 16./17. Jh.
U. a. Ein Paar schöne ausgezeichnet erhaltene
Wandteppiche mit dem Wappen der Tiepolo,
Beauvais um 1700 verdienen besondere Beach-
tung; bei den Möbeln überwiegen die eingeleg-
ten Schreibschränke, Kommoden und Ziertisch-
chen des 18. Jh. Bei den Gemälden seien u. a.
aufgezählt: Buytewech, B. Cuyp, Drochsloot,
Ph. Hackert, Mommers, Platzer Vries, Wou-
Schmidt-Rottluff
Der Anhaitische Kunstverein ver-
anstaltet eine Ausstellung von Karl Schmidt-
Rottluff. Mit einigen charakteristischen und
starken Werken ist der Weg Schmidt-Rottluffs
seit 1910 abgesteckt, das Schwergewicht der
Dessauer Ausstellung liegt bei den Arbeiten
der letzten Jahre. Angetrieben von der all-
gemeinen künstlerischen Grundrichtung hat
unter der Einwirkung des letzten römischen
Aufenthalts Schmidt-Rottluff eine neue Phase
seiner Entwicklung beschritten. Aber während
einzelne der Brücke-Meister, die sich alle der
Zeitströmung nicht ganz entziehen konnten,
wertvolle Eigenschaften verloren haben, hat
Schmidt-Rottluff sich die herbe Strenge seines
Willens zur großen Form erhalten und ist
nicht in eine Sachlichkeit mit impressionisti-
scher Färbung abgeglitten. Es überrascht,
daß Rom und Italien auf einen Maler, der von
dem Klassizismus und der Renaissance so
weit entfernt ist, einen so tiefen Einfluß aus-
zuüben vermochten, der in die gleiche Richtung
geht, wie er schon jahrhundertelang auf die
nordische Kunst gewirkt hat. Bei Schmidt-
Rottluff sprechen jetzt in der Komposition die
Horizontale und Vertikale entscheidend mit,
der Bildraum erhält eine größere klare Tiefe
durch großflächige Formen, die in sich
malerisch reicher durchgebildet sind ■— be-
gleitet von einer anderen Farbhaltung.
Von den italienischen Aquarellen ist schon
wiederholt gesprochen. Es soll hier mit Nach-
druck auf die Gemälde hingewiesen werden,
unter denen einige zu den stärksten Werken
Schmidt-Rottluffs gehören, ja die darüber hin-
aus den großen Leistungen moderner deutscher
Kunst zuzuzählen sind. Der nächtliche Mittel-
meerhafen — eine andere Fassung ist mit
nach Oslo gegangen — ist farbig und kom-
positionell ein Wurf und ein künstlerisch Erst-
maliges in dem Gegensatz der im Kreise ge-
ordneten grüngelben Boote auf der gleich-
farbigen wie ein Spiegel gespannten Seefläche,
die in eine dunkelviolette nächtliche Tiefe
stößt.
Das Römische Stilleben ist aber das be-
deutendste Bild der Ausstellung (Ab-
bildung unten), vielleicht sogar das be-
deutendste dieser Schaffensperiode. Gegen-
über den anderen Stilleben Schmidt-Rottluffs,
die mehr oder weniger flächig angeordnet
sind, ist dieses ein Stilleben im Raum, und
trotz der Einbeziehung des Räumlichen besitzt
es eine bezwingende Größe, die das Bild be-
stimmt. Das Beieinander der Gegenstände ist
nicht gewollt geordnet, zusammengestellt wie
oft bei Stilleben, es hat die Selbstverständlich-
keit eines natürlich, organisch Zusammen-
gehörigen. Es ist die Frische eines unmittel-
baren zufälligen Erlebnisses in das Bild ein-
gegangen: die Wasserkaraffe, die Frucht-
presse, das Messer, die Orangen und die
Zitronen standen oder lagen auf dem Tisch im
römischen Atelier, bestimmt zur Erfrischung
am heißen Tag, als der Blick darauf fiel und
gefesselt wurde. Dabei besitzt die Komposi-
tion, die mit Gelenken die Formen verbindet,
zugleich Gelockertheit und Gesetzmäßigkeit.
Die Formen sind ganz elementar hingeschrie-
ben wie die kalkweiße Kontur der Wasser-
fläche oder der Fruchtpresse, neben ihrer
festen Zeichnung stehen die organischen Farb-
flächen der Früchte auf der dunkelvioletten
Tischfläche. Dr. L. Grote
Cezanne, Sitzender männlicher Akt
Kohlezeichnung — Fusain — Drawing, 4S : 29 cm — Auktion 170, Nr. 506a
Versteigerung — Vente — Sale:
Max Perl, Berlin, 6. Februar 1932
konkurrenz für die
zeitung“ ausstellte. Von dieser ersten deut-
schen Schwarz-Weiß-Ausstellung ist uns auch
ein kleiner Katalog mit 49 Nummern erhalten.
Es ist also noch gar nicht solange her, daß die
Form der Schwarz-Weiß-Ausstellung zuerst in
England gefunden, dann auch bei uns nach-
geahmt wurde, und wenn heute die großen
Kunstausstellungen ihre Schwarz-Weiß-Abtei-
lungen machen oder wenn Schwarz-Weiß-Aus-
stellungen als Sonderausstellungen gezeigt
werden, sollte man doch nicht vergessen, wie
diese Ausstellungsart eigentlich entstanden ist.
Die Galerie C om-
ni e t e r in Hamburg
hat z. Zt. eine sehr
umfangreiche Ausstel-
lung graphischer Ar-
beiten Emil Noldes aus
den Jahren 1897—1931
veranstaltet, die bei
der überaus reichen
Fülle des Materials —
darunter auch seltene
und weniger bekannte
Blätter, sowie Probe-
und Zustandsdrucke —
den Freunden und
Sammlern Noldescher
Graphik einen inter-
essanten und lehr-
reichen Überblick über
sein graphisches Werk
und zugleich einen be-
sonderen künstlerischen
Genuß bietet.
Von den früheren
Radierungen sind die
bedeutenden und selte-
nen Blätter „Am Bier-
tisch“ (1897), „Im
Schaukelstuhl“, „Polin“,
„Freundinnen“, „Tisch-
gesellschaft“, „Profil“,
„Junge Frau“, „Bauern“,
„Nach dem Pferde¬
markt“, „Wintermeer“, mehrere Soester An-
sichten, „Am Morgen“, „Liegendes Mädchen“
in ausgezeichneten Frühdrucken, teils Zustands-
drucken, hervorzuheben.
Die Lithographien aus dieser Epoche sind
besonders gut vertreten mit den Blättern
„Kunstfreunde“, „Mädchen mit vorgestreckten
Armen“, „Südseeinsulaner“, „Kunstblatt be-
trachtend“, „Selbstbildnis mit Pfeife“, „Tingel-
Tangel“.
Die Gruppe der farbigen Steindrucke aus
dem Jahre 1913 ist ein Beleg für die koloristi-
sche Einstellung Noldes. In den ausgestellten
„Heiligen drei Königen“, der ekstatischen
„Tänzerin“, dem „Jungen Paar“, „Fischer-
kinder“ (Abbildung oben), „Bildnis Schiefler“
hat er mittels immer neuer Variationen und
Kombinationen von Platten und Farben seiner
Die Galerie Gurlitt zeigt Zeichnungen
,nd Aquarelle des Künstlers, vorwiegend aus
„e.n Jahren 1930 und 1931, dazu auch einige
(ühere Arbeiten. Schlichter ist zweifellos
v?er der besten, heute lebenden illustrativen
unstier. Seine Entwicklung verläuft, obwohl
e auf anderen Voraussetzungen beruht, mit-
*}ter parallel zu der des George Grosz. Beide
Unstier wenden in letzter Zeit eine seltsam
®rwandte Aquarelltechnik an: Sie malen auf
gefeuchtetes, stark saugendes Papier, so daß
aufgesetzten Farben fleckenartig zerlaufen
hat v?el fache, feine Nuancen bilden. Schlichter
Ph 6<lne- bewegliche, bunte, etwas blutrünstige
niNw as'e. und eine außerordentliche tech-
bisweilen ins Routinierte abgleitende
bi„ a ung- Die Lust am Abenteuer, am far-
inti„n’ fegenden Abenteuer erfüllt die unge-
ler erzählenden Blätter. Der Künst-
ebt das Verworrene, verunklärt bewußt