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DIE WELT KUNST

Jahrg. VI, Nr. 13 vom 27. Mär»


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Das I. Quartal 1932 läuft mit dieser
Nummer ab. Wir bitten Sie, uns die
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WELTKUNST-VERLAG


zahlreichen Ikonen, die sie bedecken, wie eine
Synthese des religiösen Denkens. Aehnlich
dem Portal der abendländischen Kirche, gibt
hier der Bilderschmuck eine einheitliche Zu-
sammenfassung der religiösen Idee. Heilige
und Festbilder verleihen ihr den ernsten Cha-
rakter und die Kirchenväter auf der Königs-
tür, hinter der der Priester das heilige Opfer
meist unsichtbar vom Volke feiert, erinnern
an die Hoheit der Liturgie. Meist sehen wir
auf den jüngeren Wänden die Deesis, Christus
zwischen Maria und Johannes inmitten anderer
Heiliger. Und wie in der abendländischen Por-
talplastik auch das Einzelstück an Wert ver-

Alfred Stix
und die Entwicklung
der Albertina
Hofrat Professor Dr. Alfred Stix, der
Direktor der Albertina in Wien, be-
ging am 20. März d. J. seinen fünfzigsten Ge-
burtstag. Stix bewährte sich als großzügiger
Organisator, der es verstand, die ihm anver-
traute Sammlung mit so bedeutenden Werken
zu bereichern, daß man wohl sagen kann, daß
keine zweite Sammlung Europas in den Nach-
kriegsjahren auf einen so umfangreichen und
wertvollen Zuwachs blicken kann wie die
Albertina.
Stix studierte als Mitglied des Institutes für
österreichische Geschichtsforschung unter
Wickhoff und Dvorak Kunstgeschichte. 1908
trat er in das Kupferstichkabinett der ehe-
maligen K. K. Hofbibliothek ein, wurde aber
schon 1910 an die Gemäldegalerie des Kunst-
historischen Museums berufen, dem er mit
Ausnahme der Jahre, in denen er an der Front
seiner Militärdienstzeit Genüge leistete, bis


Russischer Ikonen-Saal
Salle des Icones russes — Room with Russian Icones
Kaiser Friedrich-Museum, Berlin
Eröffnung: 1. April 1932

liert, wenn man es aus dem Zusammenhang
reißt, so auch bei der russischen Ikone.
Weltliche Darstellungen sind äußerst selten.
So kennen wir aus dem 15. Jahrhundert Dar-
stellungen aus der Geschichte Novgorods.
Noch später erscheint die Porträtkunst. Erst
im 17. Jahrhundert kennen wir Beispiele, die
aber auch noch an die Herkunft aus der reli-
giösen Ikone erinnern. In dieser Zeit treten
auch naturalistische Motive in der Bildgestal-
tung, vor allem der Landschaftsdarstellung auf.
Die Temperamalerei wird zugunsten der Oel-
malerei in den Hintergrund gedrängt.
Heute bedingt der neue soziale Aufbau des
russischen Staates andere Kunstformen. Die
Kunst wird wieder einem praktischen Zwecke
untergeordnet. Fotomontagen stehen dem
mechanisierten Wirtschaftsgefüge entspre-
chend, im Vordergründe des Interesses. Da-
neben aber sehen wir analog Westeuropas Ent-
wicklung die verschiedensten Richtungen der
Kunst nebeneinander bemüht, aus einer neuen
Geistigkeit heraus einen neuen Stil zu finden.

Inhalt Nr. i3

Dr. F. W. Vo.Ibach:
Russische und ostchristliche Kunst im Kaiser
Friedrich-Museum in Berlin (m. 3 Abb.) . . 1/2
Dr. Anton Reichel, Wien:
Alfred Stix und die Entwicklung der Alber¬
tina 2
Goethe und Berlin 2
Ludwig F. Fuchs:
Nochmals Goethes Kunstverständnis .... 2/3
Leopold Levy (m. Abb.) . 3
Auktionskalender ■ . . 3
Ausstellungen der Woche 4
Preisberichte—Literatur—Rundfunk ... . 4
Auktionsvorberichte 5
A u k t i o n s n a c h b e r i c h t e 5
Ausstellungen (mit 2 Abb.) 5/6
Maria Signorelli — Ungarische Kunst —
Deutsche Meisterzeichnungen — Sächsischer
Kunstverein u. a.
Dr. St. P o g 1 a y en - Neu wall:
Abessinische Malereien (m. Abb.) 5
Dr. O. B 1 o c h:
Modernes Berliner Gold und Silber (m. 3 Abb.) 5
Nachrichten von überall 6
Unter Kollegen 6

A. VOGEL
1, Pctite Fusterie
GENfcVE
Antiquitäten
Gemälde, Stiche, Möbel, Bibelots

zum Jahre 1918 angehörte. Stix hat ein un-
gemein intensives Verhältnis zur bildenden
Kunst. Theoretische oder historische Betrach-
tungen liegen ihm ferner, soweit sie nicht Mit-
tel zum Zwecke wissenschaftlicher Forschung
sind. Seine Fähigkeit, sich in ein Kunstwerk —
sei es nun ein Werk der alten oder der Gegen-
warts-Kunst — einzufühlen, die Qualität zu er-
kennen, ist durch angeborene Begabung und
unermüdliche Schulung bis zu einem Grade ge-
diehen, daß seine Urteile, einmal aus-
gesprochen, in ihrer Selbstverständlichkeit ver-
blüffen. Deshalb waren es fast immer Kunst-
objekte, mit denen er als Museumsbeamter zu
tun hatte, die ihn auch zu wissenschaftlicher
Forschung reizten. In diesem Sinne ist seine
Arbeit über „Tizians Diana und Callisto“ in der
Gemäldegalerie in Wien (1914) aufzufassen.
Die Tätigkeit an der Gemäldegalerie wurde
aber noch in einem anderen Sinne für Stix von
Bedeutung. In diesen Jahren wurde mit der
Neuaufstellung der Galerie begonnen und Stix
konnte sich hier als praktischer Museumsfach-
mann und Organisator bewähren. Eigenschaf-
ten, die ihn später an der Albertina befähigten
im entscheidenden Augenblicke mit starker
Hand das Richtige zu tun. 1918 übernahm Stix
die Leitung des Kupferstichkabinetts der Hof-
bibliothek. Als diese Sammlung nach dem
politischen Zusammenbruch mit der' ehemals
erzherzoglichen Kunstsammlung Albertina
vereint wurde, vertrat Stix, der 1923 mit der
Direktion der neuen Albertina betraut wurde,
die Anschauung, daß der Zeitpunkt überaus
günstig sei, um die Sammlung auszubauen und
Fehlendes zu ergänzen. Die politische Kata-
strophe brachte es mit sich, daß bedeutende
alte Sammlungen aufgelöst und auf den Markt
geworfen wurden und — wenn man nur rasch
zugreifen konnte — für die Albertina wertvolle
Erwerbungen gemacht werden konnten. Vom
Staate waren dafür aber keinerlei Mittel zu er-
hoffen. Stix wies nun überzeugend darauf hin,
daß diese von der Sammlung selbst beigestellt
werden können, wenn man die Doppel-
bestände, die sich durch die Zusammen-
legung zweier großer Graphiksammlungen
naturgemäß ergaben, abstößt.
Wenn wir heute auf jene Jahre zurück-
blicken, auf die aufsehenerregenden drei
großen Albertina-Auktionen in Wien und
Leipzig, auf die serienweise Erwerbung ganzer
Sammlungen, wie der der Graphik Goyas,
Menzels, der französischen Zeichnungen des
19. Jahrhunderts, die heute bereits außerhalb
Frankreichs die bedeutendste ihrer Art ist. der
Erwerbung der Italiener mit kostbaren Blät-
tern von Pisanello, Stefano da Zevio. Man-
tegna, Tizian u. a., den Deutschen und Hollän-
dern, darunter vier Blättern von Rembrandt, der
ganzen Folge der Meister des österreichischen
Barock, der gotischen Einblattdrucke des
15. Jahrhunderts und nicht zuletzt der Graphik
des 19. und 20. Jahrhunderts, so scheint es
kaum mehr begreiflich, welche Widerstände zu
überwinden waren, welche Ausdauer und Ener-
gie, Überzeugung und Hingabe an das große

Ziel nötig war, um das großzügige Programm
zu verwirklichen. Mit einem Vielfachen der
Mittel wäre es heute nicht mehr möglich, die-
selben Erwerbungen durchzufiihren.
Aus der Materie, die Stix als Sammler aus-
baute, erwuchsen folgerichtig wissenschaftliche
Arbeiten: Der Katalog der Schrotschnitte
(1920), eine kritische Würdigung von Adam
Bartsch (1921), die Untersuchung über die
„Aufstellung der ehern. Kaiserl. Gemäldegalerie
in Wien im XVIII. Jahrhundert“ (1922), eine
Monographie über „H. F. Füger“ (1925).
Seit 1926 gibt Stix bei Schroll & Co. in
Wien einen wissenschaftlichen Katalog der
Handzeichnungen der Albertina heraus,
von dem nun drei Bände vorliegen.
In der Erkenntnis, daß ein modernes Kunst-
institut dazu berufen ist, lebhafte Beziehung
mit der breiteren Öffentlichkeit zu unterhalten,
legte Stix auf die Ausgestaltung des Ausstel-
lungswesens den allergrößten Nachdruck. In
den bedeutend erweiterten Schauräumen der
Albertina finden ständig wechselnde Ausstel-
lungen aus dem Besitze der Sammlung statt,
die geeignet sind, au'h der breitesten Öffent-
lichkeit die Schätze der Sammlung zugänglich
zu machen. Dr. Anton Reichel (Wien)


Goethe und Berlin
Ausstellung im Kaufhaus des
Westens
Es ist eine ausgezeichnete Idee von der
Leitung dieses Warenhauses, in unmittelbarer
Berührung mit seiner bekannten großen
Buchabteilung eine Goethe-Ausstellung zu
veranstalten, um in diesen Tagen ein zahl-
reiches Publikum zwangsläufig an das Goethe-
Jubiläum zu erinnern. Das Thema „Goethe
und Berlin“ wird eröffnet durch Erinnerungen
an den Besuch Goethes in Potsdam und Berlin,
der zwischen dem 15. und dem 23. Mai 1778
stattfand. Wir sehen zwischen alten .Stichen
von Sanssouci, vom Neuen Palais und unkolo-
rierten Rosenberg-Blättern Reproduktionen
von Huldigungsgedichten der Karschin an
Goethe und von Goethes Tagebuch mit der
Aufzeichnung über den Aufenthalt in Sans-
souci, wo es u. a. heißt: „Castellan, ein Fle-
gel“. Bei dem Bestreben, ein Bild der Goethe-
zeit zu geben, war es ein besonders guter
Emfall von Herrn Schottländer, der die Aus-
stellung leitet, alte Berliner Guckkastenbilder
in erleuchteten Guckkästen zu zeigen. Von
Goethe selbst finden wir zwei ausgezeichnete
bildliche Darstellungen der Zeit; dem wenig
schönen, aber sicher charakteristischen Bild
der Malerin Bardua und einer schönen Zeich-
nung von Vogel von Vogelstein. Sehr ge-
schickt ist es nun gewesen, alle Persönlichkei-
ten im Bild vorzuführen, die als Berliner ir-
gend etwas mit Goethe zu tun hatten. Wir
finden den Komponisten Reichardt und die
äußerst seltenen Originaldrucke seiner Kom-
positionen von Goethes Gedicht „Das Veil-
chen“ und seinem Singspiel „Jery und Bätely“.
Ein besonderes Zimmer ist Zelter gewidmet.
Ein prachtvolles Zelterporträt der Bardua
zieht sofort die Blicke auf sich. In den Vitri-
nen sieht man Drucke und Handschriften von
Zelterschen Kompositionen und den Entwurf
des berühmten Briefes, den Zelter nach dem
Tode Goethes an seine Tochter Doris geschrie-
ben hat. An Sulzers Besuch im Jahre 1775
bei Goethe erinnert das aufgeschlagene Tage-
buch seiner Reise. Weniger schmeichelhaft ist

von einem Besucher des Besitzers entz^
geschlagen und erst in diesem Jahre von
Bankwitz aus den Trümmern wieder zusa i,
mengesetzt wurde (Abb. unten). Im Mitt ,
punkte der Ausstellung drängen sich die h
sucher immer wieder um das kleine Sp>n®
aus Zelters Besitz und lauschen andäcM1»'
wenn Herr Schottländer die hauchdün1’
Stimme des Instruments ertönen läßt.
Ist nun an sich das außerordentliche Int®1
esse, das von einem so durchaus vermischt®
Publikum, wie es in einem Warenhause z ;
sammenkommt, für diese Ausstellung be©^
kenswert, so ist es wirklich eine Freude,
sehen, mit welcher Andacht hier Gebildete u! I
Ungebildete mit Eifer die ausführlichen
schriftungen studieren, um auch geistig
aufzunehmen, was ihren Augen geboten v'J
und hier dürfte eine Bemerkung, die
diese Ausstellung hinausführt, vielleicht
Platze sein: In den meisten unserer Muse®”'


E. Waegener, Gipsmodell des Straßburger Gocd’1’
Denkmals
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
Kaufhaus des Westens, Berlin

allem in der Provinz, ist der Zweck
Meist sF

vor ... ,
Schausammlung durch ausführliche Beschd*.
tungen ausgezeichnet gefördert. Meist sF
es allerdings die reinen Kunstsammlung®'1’
die sich wohl zu vornehm dünken, dem
sucher mehr zu bieten, als Namen des Mal®1',
und Benennung des Bildes. Vor allem ab®
entbehren temporäre Ausstellung und insb®
sondere Goethe-Ausstellungen von Muse®1')
Akademien und Bibliotheken derjenigen
läuternden Worte, die dem ungelehrten ß®
sucher die Ausstellung eigentlich überhat1?
erst verständlich machen. Dr. A.

Nochmals Goethes
Kunstverständnis
Bei der allgemeinen Goethebegeisterungl
erfreulich sie ist, kann es nicht schaden, we’’1’
einmal gezeigt wird, daß auch der Olymp)®’
seine Schwächen hatte. Unstreitig geh®1
hierher sein Verhältnis zur bildenden Kun®"
insbesondere zur Malerei. In der „Italiänisch®1


Gemälde von Julius Bretz
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
Galerie Fleehtheim, Düsseldorf

Friedrichs des Großen Äußerung über den
„Götz von Berlichingen“ in seinem Pamphlet
gegen die deutsche Literatur. Zunächst ist
man erstaunt, auch ein Bild des Prinzen
Friedrich Wilhelm von Preußen, des späteren
Königs Friedrich Wilhelm IV., in dieser Aus-
stellung zu finden. Aber er gehört schon hier-
her, weil er der erste Darsteller des „Faust“
gewesen ist. Allerdings spielte er den „Faust“
bei der vom Fürsten Radziwill veranstalteten
Aufführung nur auf den Proben, die sich von
1816—1819 hinzogen und wurde bei der wirk-
lichen Uraufführung dann von dem Schau-
spieler Pius Alexander Wolf abgelöst. Wirk-
lich aufgetreten ist aber der Herzog Carl von
Mecklenburg als Mephistopheles, über den
dann der wenig freundliche Vers umging:
„Als Fürst, als Mensch, als Feldherr schofel
Doch einzig nur als Mephistofel.“
Unter den Medaillen finden wir einige
Unica, so eine winzige Goethebüste der Ber-
liner Eisengießerei. Besonders bemerkenswert
ist da noch das einzig erhaltene Gipsmodell
des Straßburger Goethe-Denkmals, das der
Bildhauer Ernst Waegener seinem Freunde
Spandow schenkte und das vor dem Kriege

M.& R. STORA

Reise“ (Verona, den 17. Sept. 1786) s0,|f
Goethe übrigens selbst: „. . . da sage ich F .
denn ganz aufrichtig, daß ich von der K’-F
von dem Handwerk des Malers wenig v.er
stehe“. Aber es steht auch fest, daß er »,1?I
mer strebend bemüht war“ und daß sein f
hältnis zur zeitgenössischen wie zur alt :
Kunst doch nicht ganz so hoffnungslos 11
minderwertig war, wie es in dem sonst
vortrefflichen Aufsatz von Dr. Paul F. Sch©1


GOTHIQUE
BT
RENAISSANCE

32 BIS BOULEVARD HAUSSMANN
T*A RT«
 
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