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DIE WELTKUNST

Jahrg. VI, Nr. 48 vom 27. November 1932

sinnig, zu glauben, daß Amerika mit seinem
Besitz an alter Kunst — mit Ausnahme ost-
asiatischer Werke und des französischen
19. Jahrhunderts — auch nur im entferntesten
Anspruch auf eine Rivalität mit Europa hätte.

Ausstellungen
Schattentheater
und Puppenspiel
Städtisches Schloßmuseum,
Mannheim
Unter diesem Titel bringt das Städti-
sche Schloßmuseum in Mannheim eine
ungemein reizvolle und unterhaltsame Theater-
ausstellung, die vor allem den kleinen durch
Stäbchen, Fäden oder Drähte belebten Ak-
teuren gilt. Sie führt durch die Jahrhunderte
vom Orient zum Abendland, aus vergangenen
Tagen in die Gegenwart, durch die Welt des
Mythus, des Märchens, der Traumfantasie,
durch das Reich der Burleske, der Komik, der
Satire — zu alt überliefertem Volksbrauch und
artistischer Neuschöpfung.
Beim Betreten der Ausstellung ist der Be-
sucher sofort versetzt in die überraschende
Fabelwelt großer birmanischer Marionetten,
grotesker Puppen, geheimnisvoller siamesischer
und javanischer Schattenbilder. Buntfarbige;
feingeschnittene chinesische und türkische
Schattenfiguren leuchten uns ■— transparent
aufgestellt — in wundervoller Eigenart ent-
gegen. Staunenswert, welche Steigerung des
Eindrucks nach dieser Farbenpracht in den
folgenden Räumen durch die museumstech-
nisch hervorragend gelungene Aufstellung der


Raoul Dufy, Portrait M. G. 1932
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
Galerie Le Portique, Paris

rühmte Zettel des alten Frankfurter Faust-
Puppenspieles). Alles in allem — diese von
Museumsdirektor Professor Dr. Friedrich
W alter geordnete Schau ist ein voller Er-
folg, und, wie ihr allerseits nachgerühmt wird,
wohl die schönste bisher irrt' Schloß veranstal-
tete Ausstellung. Ihre Reichhaltigkeit ist
schon dadurch gewährleistet, daß zahlreiches
Museen und Privatsammluiigeh ihr kostbare;
Leihgaben anvertrauten. Vertreten sind u. a.
die Völkerkundemuseen vo|n Bremen, Ham-,
bürg, Leipzig, Mannheim und München, die:
Theatermuseen von Köln und München, die
Graphische Sammlung in München, das Ger-
manische Nationalmuseum in Nürnberg, das
Schloßmuseum in Stuttgart, das Völkerkunde-
museum in Dresden, das Ledermuseum in
Offenbach, das Goethemuseum und das Histo-
rische Museum in Frankfurt a. M., das Museum
für Hamburgische Geschichte in Hamburg, die
v. Portheim-Stiftung in Heidelberg, das Pocci-
Archiv in Ammerland. Künstler wie Hans
Kohl-München, Otto Leiber-Buchenberg, Wal-
ter Oberholzer-München, Ivo Puhonny-Baden-
Baden, Lotte Reiniger-Berlin, Professor Her-
mann Aicher-Salzburg, Frl. Eva Hildenbrand-
München, Professor Richard Teschner-Wien
und einheimische wie Felix Gartlaub, Frau
Direktor Gscheidlen u”d Frl. Else Jacobsen
haben Werke ihrer Hand für diese Aus-
stellung zur Verfügung gestellt; ferner die
Vereinigten Staatsschulen für freie und an-
gewandte Kunst in Charlottenburg, die Kunst-
gewerbeschule der Stadt Halle, die Staatliche
Fachschule für Holzschnitzerei in Oberammer-
gau. die Waldortschule in Stuttgart, das Fröbel-
seminar in Mannheim und eine Reihe von
Puppenbühnen wie Paul Brann, Georg Dei-
ninger, Hilmar Binter, Max Jacob-Hohnstein
u. a. Von Privatsammlern sei vor allem der
Vorsitzende des Verbandes der deutschen
Puppenspieler, Wilhelm Löwenhaupt in Offen-
burg, genannt. W.
in Paris:
Raoul Dufy
Ein Zauber von Farben und Licht, Trunken-
heit der Zeichnung, die sich ihrer eigenen
natürlichen Präzision zu schämen scheint —
das war der erste Eindruck von Raoul Dufy,
den er jetzt wieder in einigen seiner neuesten
Werke bestätigt, die in der Galerie Le
Portique in Paris zu sehen sind. Dufy
scheint spontan Strich und Ausdruck zu
treffen, ohne sie suchen zu müssen, allein auf
Grund einer einfachen Laune seiner Phantasie-
vorstellung. Kaum wiegt der Inhalt seiner
Darstellungen: Ansichten von London, „Schiff
auf dem Meer“ — eine Symphonie auf
hartem, weißem Grund ausgestreuter Far-
ben —, weiblicher Akt, der Strand eines Mode-
bades, ein besonntes Getreidefeld: alles dies ist
nur Vorwand für das Drängen einer inneren
Musik, die Verwirklichung sucht. Aber die
Zeichnungen und die vielfach oft wiederholten
Skizzen, die minutiös realisierten Bildnisse
(siehe Abbildung) lassen doch erkennen,
daß diese Kunst nicht nur Spielerei ist, daß
sich der Künstler vor der offensichtlichen
Leichtigkeit seines Schaffensprozesses hütet
und sich kontrolliert.

einfach-schwarzen deutschen Schattenbilder'
erzielt wird. Den Uebergang zum Puppen-
theater bildet ein dem Grafen Franz von
Pocci gewidmeter Saal mit kostbaren, selten
gezeigten Beständen des Ammerlander Pocci-
Archivs, eigenhändigen Entwürfen, Drucken
und Handschriften.
Im Handpuppensaal ist eine lange Reihe
charakteristischer, lustiger Typen aufmar-
schiert, ehrwürdige alte Figuren und aus-
drucksvolle Schöpfungen zeitgenössischer Bild-
hauer und Schnitzereischulen. Einen breiten
Raum nimmt sodann die Vorführung der
Marionette ein. Mannigfache Proben alter
und neuer Fadenpuppen, von den in Her-
stellung und Führungstechnik primitiven bis
zu den komplizierten, reich ausgestatteten
modernen Puppen, abwechslungsreich und wir-
kungsvoll in mimisch szenischer Stellung auf
kleinen Bühnen und bühnenartig verwendeten
Schaukästen aufgestellt.
In geschickter Auswahl und übersichtlicher
Gliederung gibt die Ausstellung einen fesseln-
den, kulturgeschichtlichen Querschnitt unter
Heranziehung von künstlerischen Entwürfen,
alten und neuen graphischen Blättern, Text-
büchern und Theaterzetteln (darunter der be-

Inhalt Nr. 48

Amerikanische Museums-Politik . ]
Ausstellungen:
Schattentheater und Puppenspiele. 2
In Paris: Raoul Dufy (m. Abb.) — Roland
Caillaux (m. Abb.) — Deutsche Künstler . 2
In München: Freunde der Graphischen
Sammlung — Weihnachtsausst el lang bei
Heinemann. 2
In Düsseldorf: Keramik.2,3
In Wien: Der Architekt Peter Behrens . . 3
Auktionsvorberichte (mit 6 Abb.). 3
Auktionsnachberichte.. 3,4
Personalien . 4
Ausstellungender Woche. 4
Preisberichte — Kunst im Rundfunk .... 4
A u k t i o n s k a 1 e n d e r. 5
Nachrichten von Überall. 6
A p r o p o s : Der Generaldirektor. 6
Abbildungen:
TT. R o b er t: Italienische Landschaft.1
R. Dufy: Portrait M. G.2
J. P 1 o c h: Mädchenbildnis.2
Alice: Stockholmsgade in Kopenhagen.2
L. B 1 o n d e e 1: Madonna in der Wurzel-Jesse ... 3
A. v. d. Neer: Golfspieler auf der Eisbahn .... 3
' A. van Dyck: Beweinung Christi.3
K u an-Y i n , China, Tang-Zeit, Bronze.4
Yan Gogh: La Meridienne , . . . , .6

Roland Caillaux
Man kann über die erste Kollektivausstel-
lung dieses jungen Künstlers in der Ga-
lerie des Quatre Chemins nicht
schweigend hinweggehen. Interieurs, einige
Traumvisionen, Bildnisse oder einfach Studien
nach menschlichen Gesichten, erlebt und ge-
formt durch ein kraftvolles künstlerisches
Temperament, ins Bildhafte übertragen durch
eine erstaunlich sichere, bisweilen kühne Zeich-
nung. Der Ernst dieses Ausdruckswillens
packt den Beschauer, der Umriß der Figuren
erzeugt den plastischen Eindruck von Bild-
hauerzeichnungen. Obwohl es sich vielfach
nur um knapp angelegte Skizzen handelt, ist
man hier versucht, diesem Begriff einen er-
weiteren Sinn zu geben und in ihnen die
Grundlegung eines Schaffens zu sehen, das
höchst beachtlich zu werden verspricht.
A. R.
Deutsche Künstler
Die Zahl der Ausstellungen ist in diesem
Herbst bedeutend zurückgegangen. Dies ist
nicht unbedingt ein Nachteil, da ein großer Teil
der vorjährigen Ausstellungen nicht des Be-
suches wert war.
Wir haben schon des öfteren Gelegenheit
gehabt, auf die Entwicklung und das Schaffen
des Wiener Malers Joseph Floch hin-
zuweisen. Die Galerie Pierre Colle
zeigt eine erlesene Auswahl seiner letz-
ten Werke, die von einem gewaltigen
Fortschritt zeugen. Flochs Bilder, die oft
gedanklich zu belastet waren, oder in
denen man noch die Mühe des Komposi-
torischen und Konstruktiven erkannte, ge-
winnen plötzlich eine überraschende Leichtig-
keit der Konzeption und eine stärkere Klang-
fülle im Kolorit; nicht in dem Sinne, daß die
Farben lebhafter und kontrastreicher werden,
sondern, daß die zarten Töne von Weiß, Blau
und einem rötlichen Braun voller erklingen und
harmonischer ineinanderspielen. Die Materie
ist reicher geworden, dabei aber von einer
Durchsichtigkeit, wie man sie nur im südlichen
Lichte gewinnen kann.
Den Gegenpol dieser Malerei findet man bei
dem jungen deutschen Künstler Walter
Jonas, der in der Galerie Klein-
mann über 25 große Bilder seiner letzten
Spanien- und Korsikareise zeigt. Das ungezü-
gelte Temperament, die Dynamik dieses erst

22jährigen ist fast beunruhigend. Es ist dies
im wahrsten Sinne eine Sturm- und Drang-
periode, voller Leidenschaft und Vitalität, wie
man ihr heute nur ganz selten begegnet.
Man fühlt die Liebe des Künstlers zur Farbe,
die er im breiten Auftrag auf die Leinwand
setzt. Es Sind symphonische Kompositionen in
starken Akkorden, die sowohl im Rhythmus,
wie in der Palette zusammenklingen. Das
Raumproblem seiner Landschaften wird ver-


Josef Floch, Mädchenbildnis. 1931
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
Galerie Pierre Colle, Paris

in München:
Freunde der
Graphischen Sammlung
Die 1. Sonderausstellung dieses Winters ist
dem Bildnis in der graphischen Kunst des 15.
bis 18. Jahrh. gewidmet. Das umfangreiche
Material war — vermehrt durch eine Leihgabe
der Berliner Staatsbibliothek — von Haupt-
konservator Dr. Muchall-Viebrook ausgewählt
und entwicklungsgeschichtlich zusammenge-
stellt worden. Er gab in seinen Darlegungen
zunächst einen Überblick über die Stellung,
die das Bildnis in den Künsten aller Zeiten und
Völker eingenommen hat, um auf Grund
der ausgestellten Blätter die Werke des be-
rücksichtigten Zeitabschnittes hinsichtlich des
Wandels in ihrer psychologischen und techni-
schen Erfassung zu würdigen. Die bedeutende
Ausstellung wird einige Wochen zu sehen sein.
F.
Weihnachtsausstellung
bei Heinemann
Auch in diesem Jahre will die bekannte
Galerie durch eine Weihnachtsausstellung dazu
beitragen, der stets wachsenden Not der Künst-
ler zu steuern. Sie hat wieder den ersten
Stock ihrer geräumigen Galerie zur Verfügung
gestellt und darin die Werke —• Ölgemälde,
Aquarelle, Graphik und Plastik — von rund
120 jüngeren Künstlern vereinigt. Die an-
erkennenden Worte, die wir für die vorjährige
Weihnachtsausstellung gefunden haben, sind
diesmal noch viel mehr am Platze, und man
darf sagen, daß es sich nicht nur um eine
charitative Veranstaltung handelt, sondern
daß ein Dokument der jungen Münchener
Kunst geboten wird, wie man es in dieser
Übersichtlichkeit sonst nirgends zu sehen be-
kommt. Wir können uns ein Urteil bilden über
das Streben und Schaffen unserer Jüngsten,
auf die wir unsere Hoffnung setzen, und freuen
uns der Feststellung, daß sie neue Wege finden
und uns die Welt wieder zeigen, wie wir sie
lieben und verstehen.
Die Ausstellung bietet soviel Gutes, daß
man ihr — ganz abgesehen von ihrer charita-
tiven Bestimmung — dieselben guten Erfolge
wünschen muß, wie den früheren. F.

schmolzen mit figürlichen Szenen, die im Vor-
dergrund der Bilder einen bedeutsamen Platz
einnehmen. Die Menschen sind bei Walter Jo-

in Düsseldorf:

nas nicht mehr „Staffage“, sondern ein selb-
ständiges Element, das gleichwertig in die
Komposition einbezogen wird. Der ehemalige
Melzerschüler hat bereits seinen eigenen Weg
gefunden; aber noch sind seine Bilder allzu
aufschäumend, noch bedürfen sie der besänfti-
genden Wirkung der „Ecole de Paris“. Doch
eines ist schon jetzt vorauszusehen: Jonas hat
eine Entwicklung vor sich, die ihn zum Neuerer
der deutschen Malerei bestimmt, wenn er
fähig wird. Form und Farbe zu veredeln.
Eine dritte Ausstellung beschließt die Reihe
der deutschen Künstler, die eben ihre Werke
dem französischen Publikum vorstellen. Der

Keramik
In der zum Städtischen Kunst-
museum gehörenden Sammlung Het-
j e u s befindet sich eine Ausstellung moderner
Keramik aus niederrheinischen Werkstätten,
die damit zum ersten Male in größerem Zu-
sammenhang gezeigt wird. Für den Kenner
der alten, nordwestlich von Krefeld in Hüls,
Tönisberg, Schaephuysen, Rheurdt, Sevelen,
Issum und Sousbeck geübten Töpferkunst sind
manche moderne Arbeiten, namentlich die der
heutigen Sevelener Werkstatt und der in Keve¬

laer ansässigen Kunst-


und spröden Materie,
heit der Ausformung,
zum Teil ineinander

Münchener Maler Carl Rabus zeigt in der
Galerie Alice Manteau eine Auswahl
seiner Bilder, Aquarelle und Zeichnungen. Auch
er bringt ein starkes Temperament mit, das er-
freulich absticht von den vielen kleinen Imita-
toren der großen Franzosen. Doch fehlt ihm
der eigene Mittelpunkt, die Konzentration zu
eigenem schöpferischen Willen, und allenthalben
erkennt man die Probleme, mit denen er sich
gerade auseinandersetzt. Erst in den letzten
Werken, in einigen Stilleben, tritt eine, eigene
Note in Erscheinung, die wie eine Klärung
und innere Reife anmutet und sich befreit von
der Gebundenheit seiner Vorbilder.
Dr. Fritz N e u g a ß (Paris)

Alice, Stockholmsgade in Kopenhagen. 1929

töpfer Holtmann und
Vorfeld deutlich als
Versuche zur Wieder-
belebung der ursprüng-
lichen Tradition er-
kennbar.
Dagegen ist hervor-
zuheben, daß viele der
besten Schöpfungen mo-
derner Geschirrkeramik
und figürlicher Kunst
undenkbar wären, ohne
die stärksten An-
regungen durch per-
sische und ostasiatische
Vorbilder. In dieser
Hinsicht sind die Ge-
fäße, Schüsseln und
Schalen des seit 1913
in Krefeld tätigen
Paul Dresler Höhe-
punkte der Ausstellung-
Seine ältere Entwick-
lung der Jahre 1914 bis
1922 umfaßt haupt-
sächlich Arbeiten nach
persischen Vorbildern,
in denen mit bemer-
kenswertem Geschmack
orientalisierende Orna-
mente und Tierfigura-
tionen zu einheitlicher,
farbig tief klingende1
Wirkung gebracht sind-
In der von China und
Japan beeinflußten Pro-
duktion der Zeit
1922 bis heute e1'
reicht Dresler dann das
Äußerste an technische1
Vollendung und Ver-
feinerung der an und fu
sich etwas schwere11
Erstaunlich die Sehen-
der Oberflächenreiz d®
-- laufenden Glasuren, die
farbig mit intensivem Blau, feinem Gra ,
Ocker, Rostbraun oder tiefem Schwarz dei ~
Auge viel Abwechslung bieten. Von nicht g®
ringerer Qualität sind daneben die Schüsse
und Vasen des seit 1922/23 arbeitenden Na
teners Joseph Hehl, der, obwohl er in
Plastik seine Hauptaufgabe sieht, slc^.,5Ugr
stiger mit seiner Geschirrkeramik vorstellt- ,
bringt Formen, die sich an römische .
mittelalterliche Vorbilder anlehnen und cjj
eine ausgezeichnete Glasurtechnik. sUr,
künstliche Sprungbildung in der G a
 
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