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Zeitschrift für christliche Kunst — 17.1904

DOI Artikel:
Kleinschmidt, Beda: Der mittelalterliche Tragaltar, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4094#0035

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37

1904. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 2.

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kurzen Zügen das Erdenleben des Heilandes
dargestellt, an der ersten Langseite: Ver-
kündigung, Geburt, Anbetung der Weisen, an
der folgenden Schmalseite die Kreuzigung,
ferner Auferstehung, der ungläubige Thomas,
Jünger nach Emaus, an der zweiten Schmal-
seite endlich die Himmelfahrt zwischen zwei
Engeln, aus den Wolken ragt die göttliche
Hand hervor. Die Arbeit zeigt sich frei von
Manierismus, die Figuren bekunden das Streben
nach Bewegung und Abwechslung, die reichlich
verwendeten, architektonischen Ornamente,
verraten feinen dekorativen Geschmack. Das
Altärchen ist um die Mitte des XII. Jahrh.
entstanden.114)

Am höchsten wird das dritte Portatile zu
Darmstadt geschätzt. Der Altarstein ist von stil-
vollem Laubwerk und einem Perlstab eingefafst
und von folgenden leoninischen Versen umgeben:

Sit dator atquc datum tibi Christe piissime datum
Claudere daustra poli dum pulsat Wolbero noli
Qui tibi devotus divina dementia motus.

Auf dem Sockel des Schreines laufen auf
tiefblauem Emailgrunde folgende Verse hin:

Hie cum gente pia Deus et saera virgo Maria
Praesidet et secum per quos diiudicat aequum
Subsidiis quorum laxantur vinda reorum.

Die Seitenflächen tragen Platten aus Elfenbein
oder Wallrofszahn mit der Darstellung Christi, der
Muttergottes, der Apostel, der Heiligen Johannes
Baptista, Laurentius und Cäcilia. Die Figuren
haben eine sitzende Stellung, teilweise ruhen
ihre Füfse auf einer blockartigen Einfassung,
alle tragen in den Händen eine Art Scheibe
mit einem Symbol oder einer Andeutung des
Landes, an dessen Bekehrung der betreffende
Apostel gearbeitet hat; so trägt Petrus Rom,
Paulus Griechenland, Jakobus Jerusalem. Die
einzelnen Personen sitzen unter kupfernen Ar-
kaden mit doppelten Säulchen. Die Arbeit
gehört den besten Monumenten dieser ganzen
Gruppe an. Sind auch die Hände der Apostel
etwas grofs geraten, so zeigen doch die im
Hochrelief gearbeiteten Figuren eine gewisse
Grandezza, gute Verhältnisse, Streben nach
Mannigfaltigkeit und Gefühlsausdruck. Figurale
und ornamentale Ausstattung (Email) weisen
die Arbeit dem Anfang des XII. Jahrh. zu;
v. Falke hat sie jüngst dem Kölner Benedik-
tiner Eilbertus (um 1125) zugeschrieben.1,B)

1U) Abbild. Rohault de Fleury pl. 3.r)0.
»») Vergl. Schäfer a. a. O. S. 04; Lab arte,
»Historie des arts industriels« I, 122; Rohault de

Rheinischen Ursprungs dürfte auch ein
schönes Portatile der (ehemaligen) Kollektion
Spitzer sein. Dieses Schreinaltärchen (33X
19 X 15 cm) mit vier Drachenfüfsen und einem
roten Porphyrstein, der von einer mit Ranken
gravierten Kupferplatte umgeben ist, hat an
der Langseite je drei Elfenbeinplatten, von
denen jede mit zwei Aposteln im Hochrelief
verziert und gemeinsam von einer vergol-
deten Kupferplatte eingefafst ist. Letztere
zeigt fortlaufenden Blätterschmuck in Gravie-
rung auf dunkelrotem und grünem Emailgrunde.
Die Apostel tragen ein Buch oder eine Rolle
in der Hand. An der einen Schmalseite er-
scheinen unter rundbogigen Arkaden drei
Heilige in diakonalem Gewand mit Palme und
Buch in den Händen; jedenfalls die hll. Stepha-
nus, Laurentius und Vincentius. Die entgegen-
gesetzte Seite ist jetzt mit einer später hinzu-
gefügten kupfervergoldeten Platte bedeckt. Die
Figuren zeichnen sich aus durch eine seltene
Weichheit und Feinheit der Darstellung, die
vortreffliche Linienführung und die plastische
Herausarbeitung lassen die Schnitzereien als
spätkarolingische Arbeiten des X. Jahrh. er-
scheinen, während die Emailarbeiten das Por-
tatile einer etwas späteren Zeit zuweisen.U6)

Einer rheinischen Elfenbein- und Gold-
schmiedeschule gehört vielleicht ferner ein
prachtvolles Portatile der früheren Sammlung
Basilewisky an, welche von Paris nach
Petersburg in die Eremitage wanderte. Dieses
Altärchen (25 X 14 X 16 cm) mit vorspringen-
dem Deckel und Boden und mit geflügelten
Drachen, deren Körper und Flügel nach oben
gerichtet sind, hat einen von vergoldetem
Kupfer umrahmten Porphyrstein, auch die
beiden Abschrägungen sind mit solchem Metall
bedeckt, das durch ein geprägtes Blattornament
verziert ist. Die Seitenflächen sind mit den zwölf
Aposteln bedeckt und zwar sind auf den
Langseiten je fünf, an den Schmalseiten je
ein Apostel. Aber nur sechs sind durch
die Kunst des Schnitzers hervorgebracht, die
sechs andern hat der Emailleur geschaffen, je
zwei Elfenbeinrelief der Langseite schliefsen

Fleury pl. 349. Gelen, 1. c. p. 293. »Deutsche
Schmelzarbeiten« von v. Falke und Frnuberger,

Taf. 34. •

116) Catologue de la collection Spitzer
(Paris) pl. XIII. n. 25. Rohault de Fleury
pl. 345. West wood, »Descreptive catalogue of the
fictile ivories« (London 1876) p. 412.
 
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