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Zeitschrift für christliche Kunst — 17.1904

DOI Artikel:
Kleinschmidt, Beda: Der mittelalterliche Tragaltar, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4094#0036

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1904. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 2.

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eine Emaildarstellung ein. Während dieElfen-
beinfiguren nicht näher gekennzeichnet sind —■
es sind Ganzfiguren in traditioneller Tracht,
mit Nimben und blofsen Füfsen — steht bei
den Emailbildern (Büsten) der Name in Schmelz,
es sind S. Philippus, S. Thomas, S. Jakobus,
Johannes, Bartholomaeus. Diese Darstellungen
sind graviert und die Gravierungen mit blauem
Schmelz ausgefüllt. — O. v. Falke hat jüngst
dieses Altärchen für Godefroid de Ciaire in An-
spruch genommen, seinen Ursprung also in
die Gegend der Maas verlegt.117)

In den Rheinlanden entstanden und erhalten
ist ferner der Tragaltar des hl. W i 11 i b r o r d in
der Liebfrauenkirche zu Trier (5x22x21 cm),
welcher ebenfalls wegen einiger Elfenbeinreliefs
hier zu erwähnen ist. Dafs der Porphyrstein
(von sehr geringen Dimensionen) möglicher-
weise auf den hl. Willibrord zurückgeht, wurde
bereits erwähnt. Ein metallenes Ornament-
band mit folgender Inschrift auf braunrotem
Email fafst ihn ein: Hoc altare beatus Willi-
brordus in honore Domini Salvatoris conse-
cravit. Supra quod in iiinere missarum obla-
tiones Domino offerre consuevii; in quo con-
iinentur de ligno crucis Christi ei de sudario
capitis ipsius. Zwei weitere Inschriften zählen
die anderen Reliquien auf, welche in dem
Schreine enthalten sind. Den Deckel zieren
aufserdem noch zwei getriebene Reliefs mit
Darstellung des sitzenden Heilandes zwischen
Petrus und Paulus und der betenden Mutter-
gottes zwischen Stephanus und Palmatius.

Die Schmalseiten sind ebenfalls mit Silber-
reliefs bedeckt, darstellend den Heiland und
einige Heilige. Elfenbeinreliefs finden sich
nur an den Langseiten in drei vertieften Feldern.
Das mittlere Feld enthält vorn die Gottesmutter
mit dem Jesuskind auf dem Arm, hinten den
Tod der allerseligsten Jungfrau, deren Seele in
Gestalt eines kleinen Kindes von ihrem Sohn
in Empfang genommen und zwei herabschweben-
den Engeln übergeben wird, um von ihnen in
den Himmel getragen zu werden.118) Die

H1) Catalogue raisonnee par Darcel et Basi-
lewsky (Paris 1874) p. 75. N. 191. Rohault de
Fleury, pl. 354. Vergl. »Deutsche Schmelzarbeiten«
von O. v. Falke und Frauberger S. 62.

n8) Mehrfach begegnet uns auf mittelalterlichen
Elfenbeintafeln eine noch naivere Auffassung dieser
Szene: Die Seele der Muttergottes erscheint auf der-
selben Darstellung zweimal, nämlich zunächst in
den Annen Christi, dann auf den Händen des Engels,
so auf einer Platte im Museum zu Darmstadt, im

beiden äufseren vertieften Felder enthalten je
drei Reihen Bischöfe und Heilige, von denen
die mittlere in Elfenbein geschnitzt ist, während
die beiden äufsern durch getriebene Figuren
gebildet werden. Nur die Langseiten mit der
Umrahmung sind in ihrem ursprünglichen Zu-
stande erhalten geblieben, alles übrige ist im
Laufe der Zeit erneuert.

Die Elfenbeinfiguren sind offenbar unter
dem Einflüsse byzantinischer Vorbilder ent-
standen und zwar im Anfange des XII. Jahrh.
Sie verraten einen Künstler, der seiner Auf-
gabe nicht vollständig gewachsen war. Feinheit
der Darstellung wie Kenntnis des Reliefstiles
sind ihm fremd. Es ist nicht unwahrscheinlich,
dafs die Arbeiten im Marienkloster in Trier
entstanden sind, worauf die beiden mittleren
Elfenbeinreliefs hindeuten.119)

Als letztes Werk der uns hier beschäftigen-
den Gruppe ist ein Schrein- Portati] e in der
Kathedrale zu Namur zu nennen, das sich
nicht weniger durch den Reichtum der Dar-
stellung, wie durch die vortreffliche Ausfüh-
rung und Erhaltung der Elfenbeinschnitzereien
auszeichnet. Der Altarstein — ein schöner
Jaspis, der fast die ganze Oberfläche bedeckt
— ist von einer schmalen, vergoldeten Kupfer-
platte umgeben. Der Holzkern (45 X 23,5
X17 cm) ist auf den Seiten von Elfenbein-
platten bedeckt, welche achtzehn Szenen aus
dem Leben des göttlichen Heilandes darbieten.
Die Erzählung beginnt auf einer Schmalseite
mit folgenden Szenen: 1. Verkündigung. 2. Be-
such bei Elisabeth, 3. Präsentation im Tempel.
Es folgen auf der ersten Langseite: 4. Die
Austreibung des Teufels. 5. Die beiden Blinden.

6. Lobpreisung des Herrn durch das Weib.

7. Der Lahmgeborene. 8. Das chananäische
Weib. 9. Der Blindgeborene. An der zweiten
Schmalseite 10. Die Himmelfahrt. 11. Der
Centurio. 12. Die Tochter des Jairus. An
der zweiten Langseite: 13. Das blutflüssige
Weib. 14. Die Samariterin am Jakobsbrunnen.

Stifte Klosterneuburg (»Milteil. der k. k. Zentral-Kom-
mission« XVIII, 168, Fig. 30). Über diese auf byzan-
tinischen Einllufs zurückgehende Darstellung vergl.
Detzel, »Ikonographie« I, (1894) 509. Kraus,
»Geschichte der christl. Kunst« II, 1, 429.

"*) Abb. Aus'm Weerth, »Kunstdenkmäler in
den Rheinlanden« Taf. LX, Text III, 94ff. Schmitt,
»Kunstschätze der Diözesen Trier, Köln, Münster«
(1858) Taf. 35. Rohault de Fleury, pl. 347.
Westwood, a. a. O., p. 472. Marx, »Geschichte
der Erzdiözese Trier« II, 1, 245.
 
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