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Zeitschrift für christliche Kunst — 17.1904

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Kleinschmidt, Beda: Der mittelalterliche Tragaltar, [7]
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147

1904. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

148

Heiland angebracht.171) Der Synagoga mit
verbundenen Augen, Speer, Rohrschwamm und
Dornenkrone (nicht Krone, wie aus'm Weerth
angibt) entspricht unten Pilatus mit dem
Spruchband: Innocens ego sunt a sanguine;
vor ihm stehen die Juden, deren vorderster
ein Spruchband hält mit den Worten: Sanguis
eius super nos et super filios nostros. Der
Ecclesia mit Kelch und Kreuzesfahne entspricht
darüber die Kreuzigungsgruppe. Synagoga und
Ecclesia sind hier nicht als Symbol des alt-
und neutestamentalischen Opfers, sondern des
verblendeten Judentums und der gläubigen
Christenheit aufzufassen.

Als Stätte für die mystische Wiederholung
des Kreuzesopfers mufste der Tragaltar natur-
gemäfs auch mit der Darstellung dieses blutigen
Vorganges selbst geschmückt werden, wie wir
es am schönsten in Augsburg sehen. Doch
spielt hier bereits die Symbolik mit, welche
im Kreuze selbst ein Vorbild des Altares
sah, indem Amalar von Metz (-j- 856) nach dem
Vorgange altchristlicher Väter erklärte: „Altare
praesens est altare crucis", und in gleicher
Weise Thomas von Aquin: „Altare est reprae-
sentativum crucis".172)

Symbolisch sind natürlich auch die in
Augsburg und ebenso in M.-Gladbach und
Brüssel neben dem Kreuze auftretenden Frauen-
gestalten der Ecclesia und Synagoga. Es liegt
die Annahme nahe, die Figuren hier auf dem
Altare der neutestamentalischen Opferstätte wie
auch in den Missalien, wo sie uns zuweilen
im Anfange des Kanon neben dem T be-
gegnen 173), als Vertreterinnen des jüdischen und
christlichen Opfers zu erklären. Synagoga und
Ecclesia, welche neben der Kreuzigung be-
kanntlich zuerst im IX. Jahrh. als Miniaturen174)

171) Über die Frage, ob Samson auch auf alt-
christlichen Monumenten erscheint, vergl. Martignyi

• Dictionnaire des amiquites chr£t« (6d. 3), 710!
Düntzer in den »Bonner Jahrbüchern« XLII, 173.
Es ist nicht leicht zu entscheiden, ob Samson mit
den Stadttoren oder der Gichtbrüchige mit seinem
Bette dargestellt. Vergl. Heuser in «Kraus' Real-
Encyklopädie« II, 715. In unserem Falle wird jeder
Zweifel durch die hinzugefügte Inschrift: SAMSON
ausgeschlossen.

17*) Amalarius, »De eceles. offic.« 1. III, c. 25.
Migne, P. L., 105, 1142. Thomas Aqnin,

• Summa theol.« III, 83 a ad 2.

17>) Ebner, »Quellen und Forschungen zur Ge-
schichte und Kunstgeschichte des Missale Romanum«
(1896), S. 147, 182, 218.

m) Leitschub, »Geschichte der Karolingischen
Malerei« (1894), S. 169.

und als Elfenbeinreliefs175) nur vereinzelt, später
aber nach der wohlbegründeten Meinung Webers
infolge des geistlichen Schauspiels170) an den
verschiedenartigsten Gegenständen mit grofser
Vorliebe zur Darstellung gebracht wurden, sind
allerdings in ihrem ersten Auftreten nichts
anders als die Personifikation des Judentums,
welches in seiner Verstockung verharrte, und
der Kirche, welche als Königin über Heiden-
tum und Judentum triumphierte; später aber
wurden sie nicht selten Symbole des jüdischen
Opfers und des christlichen, der hl. Messe.
Nicht so sehr das Opfertier und der Spreng-
wedel in der Hand der Synagoga und der
Kelch nebst einer Hostie in der Hand der
Ecclesia lassen sie als Symbol des Opfers er-
scheinen, als vielmehr die Tatsache, dafs auf
spätmittelalterlichen Monumenten das Symbol
durch die Wirklichkeit, die Ecclesia durch einen
die Messe celebrierenden Priester ersetzt ist. So
an dem Tympanon der St. Martinskirche zu
Landshut in Bayern wie auf einem Gemälde
von Hans Fries im Kantonal-Museum zu Frei-
burg i. d. Schw. Hier sieht man unter dem
Kreuze einen tischartigen Altar mit den not-
wendigen liturgischen Geräten aufgestellt, der
Priester steht gerade im Begriffe die Konse-
krationsworte zu sprechen; um nicht den ge-
ringsten Zweifel an der Absicht des Künstlers
aufkommen zu lassen, läfst er von den fünf
Wunden des Gekreuzigten Strahlen nach dem
Kelche und der Hostie ausgehen. Gegenüber
wird der auf einem zusammenbrechenden Esel
sitzenden Synagoga ein Schwert in den Nacken
gestofsen.177;

Darf man nun auch die Ecclesia und Syna-
goga auf unsern drei Altärchen als Symbol des
alt- und neutestamentlichen Opfers ansehen ?
Der Altar Stavelot-Brüssel läfst, wie schon
bemerkt, wegen des offenbaren Parallelismus
diese Erklärung nicht zu; hier erscheinen die
beiden Gestalten vielmehr in ihrer gewöhnlichen
Bedeutung. Dafs sie auf dem Altar zu M.
Gladbach mit seinen Vorbildern und Andeu-
tungen des blutigen und geheimnisvollen Opfers

"') Weber, »Geistliches Schauspiel und Kirch-
liche Kunst« (1894), S. 19 ff. Vgl. dazu Kraus,
»Geschichte der christlichen Kunst« II, 1, 341.

"«) Weber, a. a. O. S. 31; ferner Sepet, »Les
prophetes du Christ« (Paris 1878); Ders. »Origines
catholiques du theitre moderne« (Paris 1901), p. 17.

"') Abb. Weber, a. a. O. Taf. IV, nach Ber-
liner in »Fribourg artistique a travers les ages«
(Fribourg 1892).
 
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