Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 17.1904

DOI Artikel:
Kleinschmidt, Beda: Der mittelalterliche Tragaltar, [7]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4094#0102

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
151

1904. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

152

auf der Deckplatte. Symbolisiert der Altar
Christum, dann werden mit Recht auch jene
darauf dargestellt, welche uns seine Lehre ver-
mitteln und uns über die Eucharistie belehren,
nämlich die Evangelisten. Wir sehen sie
bezw. ihre Symbole daher häufig dargestellt,
z. B. am Altare zu Brüssel, Conques,
Melk, Modena, Tongern. Zuweilen er-
scheinen statt ihrer die Vorbilder, nämlich die
vier Paradiesflüsse, wie zu Bamberg,
oder zu Brüssel in Gestalt Urnen ausgiefsen-
der Männer. Die Symbolik liegt klar zu
Tage. Christus ist der Fels, von dem das
lebendige Wasser ausgeht (I. Cor. 10,4). Die
Evangelisten bezw. ihre Vorbilder führen uns
zu ihm. Den Kommentar zu dieser Darstellung
bilden gewissermafsen die Worte der Ada-
bibel:18«;

Hie lapis est vitae, paradisi et quattuor amnes
Clara salutiferi pandent miracula Christi.

Als weiterer Schmuck der Deck- bezw. der
Bodenplatte begegnet uns die Darstellung der
vier Kardinaltugenden, so am Altare
Spitzer, zu Augsburg im „Weifen-
schatze" (Nr. 7). Zu Christus können wir
ja nur gelangen durch Übung der Tugend und
durch Erwerbung eines reinen Herzens. Der
Altar ist aber nach einer Deutung des Durandus
das Symbol eines makellosen Herzens. Diesen
Gedanken bringen die meistens als Frauen
dargestellten Kardinaltugenden nicht unpassend
zum Ausdruck.183}

Aufser den Evangelisten, den vier Paradies-
flüssen und den vier Kardinaltugenden sehen
wir am Portatile noch die vier Elemente, so
an dem schönen Altärchen Rock. Möglicher-
weise liegt auch hier ein symbolischer Gedanke
zugrunde. Bereits in einer pseudo-ambrosia-
nischen Schrift wird der Altar als Symbol des
Leibes Christi bezeichnet,134) nach Honorius
von Autun (tllo2j185) besteht aber der Leib
Christi aus den vier Elementen. Der Schmuck
des genannten Altärchens mag also der Aus-
druck dieser Symbolik sein.

Ist der Altar Christus und zwar auch Chri-
stus in seiner Herrlichkeit, dann darf er des

182) Vgl. Texier in den »Annales archeologiques«
IV, 291.

himmlischen Hofstaates nicht entbehren, und
so sehen wir ihn auf dem Sieg burger und
Xanten er Portatile von einer grofsen Anzahl
Bischöfe und Märtyrer umgeben, welche ihm,
dem König der Herrlichkeit, ihre Huldigung
darbringen. — Soweit über den Bilderschmuck
der Deckplatte.

Eine gröfsere Übereinstimmung der Dar-
stellungen herrscht an den Seitenflächen,
welche fast niemals des Schmuckes entbehren.
Eine grofse Anzahl Altärchen zeigt hier stets
denselben Bilderschmuck, nämlich die zwölf
A postel. Häufig kommen noch Christus und
Maria zwischen zwei Heiligen hinzu und zwar
sind die Figuren dann meistens so verteilt,
dafs die Apostel an den Langseiten, Christus
und Maria an den Schmalseiten erscheinen.
Wir treffen das Kollegium der Apostel an den
Altären zu Bamberg, Berlin, Brüssel,
Conques, Darmstadt, M.-Gladbach,
Fritzlar, Lette, Modena, München,
Paderborn, Xanten, Kollektion Basi-
lewski, Spitzer, Hohenzollern, Braun-
sch weig - Lünebu rg. Auf den älteren
Monumenten stehen die Sendboten gewöhnlich
einzeln unter rundbogigen Arkaden, oder sind
in seltenen Fällen wie in Darmstadt zwei zu
einer Gruppe vereint; auf den jüngeren Monu-
menten ist das architektonische Teilungsprinzip
(Säulchen und Bogen) vielfach verlassen, die
Figuren stehen meistens auf viereckigen emaillier-
ten Platten. (Schluis folgt.)

Roma.

Beda Kleinschmidt, O. F. M.

183) Durandus unterscheidet einen vierfachen
Altar, ein altare superius als Symbol der hl. Drei-
faltigkeit, ein altare inferius als Symbol der
streitenden Kirche, ein altare interius als Symbol
eines reinen Herzens, endlich ein altare exterius
als Symbol des Kreuzes. Diese Symbolik fand wenig
Verbreitung, auf die figürliche Ausstattung des Altares
scheint sie ohne'Einfluss geblieben zu sein. Rationale
1. I. c. 3. Ed. Lugdun. 1015, fol. III. - Über die
Symbolik des judischen Altares vergl. Friedrich,
»Symbolik der jüdischen StiftshUtte« (Leipzig 1841),
S. 130, 164.

ls») »De sacramentis« 1.4, 2 n. 7. Forma corporis
altare est et corpus Christi est in altari. Migne,
P. L , 16, 43 f.

"*) Gemma annimae 1. I c. 18. Migne, P. L„
172, 418.
 
Annotationen