153
1904. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.
154
Die kunsthistorische Ausstellung in Düsseldorf 1902.
XXV. (Mit 2 Abbildungen.)
44. Hochgotisches Reliquiengefäfs
mit Bergkristallbehältern des Domes
zu Münster (Katalog Nr. 543).
Durch eleganten architektonischen Aufbau
und entsprechende Silhouette, durch manche
kostbare Details und durch überaus sorgsame
Technik zeichnet sich dieses eigenartige (50 cm
hohe) Ostensorium aus, welches als ein hervor-
ragendes Meisterwerk der westfälischen (viel-
leicht Soester) Goldschmiedekunst um 1400
bezeichnet werden darf. — Auf diesen Ursprung
weisen schon die Ausbuchtungspässe des flachen,
sechsseitigen Sternfufses hin, die sonst nur ganz
vereinzelt vorkommen, in Westfalen aber sehr
häufig begegnen. Die ebenfalls sechsseitige,
scharf geschnittene Mafswerkgalerie mit ihren
abwechselnd bläulichen und grünlichen Email-
blenden, die, von Streben umstellt, aus ihm
herauswächst, leitet zu dem ebenfalls durch
Strebepfeiler verstärkten Schaft über, dessen
flache Arkaden mit Reliefschmelzfigürchen be-
lebt sind. — Die vergoldeten Karnationsteile
derselben zeigen diese glänzende, in Cöln um
die Mitte des XIV. Jahrh. aufblühende Email-
technik noch in ihrem Frühstadium, über
welches sie in der ohnehin sehr spärlichen
westfälischen Pflege nicht hinausgediehen zu
sein scheint, denn emaillierte Köpfe, welche
bald am Rhein die Regel werden, dürften in
dieser Sphäre vergebens gesucht werden. Den
so aufs reichste ausgestatteten Schaft unter-
bricht ein Knauf, der in der Originalität seiner
Verzierung wie in der Sauberkeit seiner Durch-
führung wohl nicht übertroffen wird. Drei
ungemein reiche, der leise gedrehten Form
angepafste Mafswerkdurchbrechungen subtilster
Art gliedern ihn unten wie oben, und die
Mitte, die in der Regel ringartig gestaltet ist,
erhält ihre Horizontalrichtung durch vier
fledermausartig ausgebreitete, vorgelegte Dra-
chenfiguren, die durch prismatisch emaillierte
Pasten unterbrochen werden. Trotz der kom-
plizierten Behandlung ist der breite, oben
flache Nodus durchaus handlich und eine fein
empfundene Etappe zu dem Kern des Gefäfses,
dem polygon geschliffenen Kristallbehälter.
Zu diesem leitet unmittelbar über ein auffallend
dünner Laubwerktrichter, von dessen rundem
Rand in einer mehr der Holz- als Steinarchi-
tektur entlehnten, dem Goldschmiede nahe-
liegenden und erlaubten Lösung sechs hori-
1904. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.
154
Die kunsthistorische Ausstellung in Düsseldorf 1902.
XXV. (Mit 2 Abbildungen.)
44. Hochgotisches Reliquiengefäfs
mit Bergkristallbehältern des Domes
zu Münster (Katalog Nr. 543).
Durch eleganten architektonischen Aufbau
und entsprechende Silhouette, durch manche
kostbare Details und durch überaus sorgsame
Technik zeichnet sich dieses eigenartige (50 cm
hohe) Ostensorium aus, welches als ein hervor-
ragendes Meisterwerk der westfälischen (viel-
leicht Soester) Goldschmiedekunst um 1400
bezeichnet werden darf. — Auf diesen Ursprung
weisen schon die Ausbuchtungspässe des flachen,
sechsseitigen Sternfufses hin, die sonst nur ganz
vereinzelt vorkommen, in Westfalen aber sehr
häufig begegnen. Die ebenfalls sechsseitige,
scharf geschnittene Mafswerkgalerie mit ihren
abwechselnd bläulichen und grünlichen Email-
blenden, die, von Streben umstellt, aus ihm
herauswächst, leitet zu dem ebenfalls durch
Strebepfeiler verstärkten Schaft über, dessen
flache Arkaden mit Reliefschmelzfigürchen be-
lebt sind. — Die vergoldeten Karnationsteile
derselben zeigen diese glänzende, in Cöln um
die Mitte des XIV. Jahrh. aufblühende Email-
technik noch in ihrem Frühstadium, über
welches sie in der ohnehin sehr spärlichen
westfälischen Pflege nicht hinausgediehen zu
sein scheint, denn emaillierte Köpfe, welche
bald am Rhein die Regel werden, dürften in
dieser Sphäre vergebens gesucht werden. Den
so aufs reichste ausgestatteten Schaft unter-
bricht ein Knauf, der in der Originalität seiner
Verzierung wie in der Sauberkeit seiner Durch-
führung wohl nicht übertroffen wird. Drei
ungemein reiche, der leise gedrehten Form
angepafste Mafswerkdurchbrechungen subtilster
Art gliedern ihn unten wie oben, und die
Mitte, die in der Regel ringartig gestaltet ist,
erhält ihre Horizontalrichtung durch vier
fledermausartig ausgebreitete, vorgelegte Dra-
chenfiguren, die durch prismatisch emaillierte
Pasten unterbrochen werden. Trotz der kom-
plizierten Behandlung ist der breite, oben
flache Nodus durchaus handlich und eine fein
empfundene Etappe zu dem Kern des Gefäfses,
dem polygon geschliffenen Kristallbehälter.
Zu diesem leitet unmittelbar über ein auffallend
dünner Laubwerktrichter, von dessen rundem
Rand in einer mehr der Holz- als Steinarchi-
tektur entlehnten, dem Goldschmiede nahe-
liegenden und erlaubten Lösung sechs hori-