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Zeitschrift für christliche Kunst — 17.1904

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Halm, Philipp Maria: Zur marianischen Symbolik des späteren Mittelalters, [2]: Defensoria inviolatae virginitatis b. Mariae
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https://doi.org/10.11588/diglit.4094#0120

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181

1904. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.

182

Türen erheben sich zwei spitzbogigeTympanamit
Szenen aus dem Leben Maria bezw. Christi, zu-
nächst, analog dem Südportal in Altötting, die
Geburt Christi und die Anbetung der Könige,
ferner der bethlebemitische Kindermord3) und
die Flucht nach Ägypten. Die Zwickel der
Bogenfelder füllen vier Propheten. Über den bei-
den Tympanen der Doppeltüre erhebt sich aber
das grofse Bogenfeld, dessen Bilderschmuck die
Fortsetzung der Heilslehre, die Passion und das
jüngste Gericht, umfafst. In der Mittelachse,
genau über Maria, der Mutter des Erlösers,
sieht man Christus am
Kreuzesstamme und
darüber den richtenden
Gott Vater, zu dessen
Füfsen Johannes und
Maria knien. Die Türe
ist in Wahrheit ein
Hymnus auf Maria,
durch die das Heil in
dieWeltkam. Fürunser
Thema ist aber jeden-
falls vongröfster Wich-
tigkeit, dafs auch schon
in dieses erste hervor-
ragendere plastische
Werk des XIV. Jahrh.
in Deutschland gleich-
falls Tiersymbole in der
für die jungfräuliche
Mutterschaft Maria ei-
genen Bedeutung ein-
bezogen wurden. Die

beiden Sturzbalken
nämlich, über denen sich
die Tympana mit den

Abb 1.

Marienszenen wölben, werden von vier Konsolen
gestützt, welche an der linken Türe links den
aufsteigenden Phönix, rechts den seine Jungen
erweckenden Löwen, an der rechten Türe links
den sich aufopfernden Pelikan, rechts ;beschä-
digt) den Straufs darstellen. Bis jetzt haben
diese Symbole m. W. noch nirgends Beachtung
gefunden. Die Stellung der Maria mit dem
Kinde, inmitten der Symbole, deutet dem-
nach noch mehr als die Altöttinger Türen
darauf hin, dafs die ursprüngliche Deutung
dieser Symbole vollständig fallen gelassen, und
dafs der Gehalt des Wunderbaren und Selt-

samen in den Tierbildern nur als Beweis für
das Wunder der jungfräulichen Reinheit der
Gottesmutter herangezogen wurde. Nicht ohne
Belang dürfte es sein, dafs auch i n der Lorenzi-
kirche in Nürnberg auf dem Epitaph des 1464
verstorbenen Theologieprofessors Schon, auf
welches bereits Alwin Schultz in seiner Legende
vom Leben der Jungfrau Maria (1878) S. 50
hingewiesen hat, ein Zyklus marianischer Sym-
bole wiederkehrt.

Aus den bisher besprochenen Beispielen des
Tierbilderkreises konnten wir entnehmen, dafs
die Deutung der Sinn-
bilder eine verschie-
dene sein kann, und
dafs naturgemäfs das
Wie und Wo für die
einzuschlagende Aus-
legung in Betracht zu
ziehen ist. Am schwie-
rigsten lassen sich die
Sinnbilder da richtig
deuten, wo sie einzeln
und scheinbar ohne
irgend einen bestimm-
ten Anknüpfungspunkt
auftreten. So findet sich
z. B. auf der äufseren
Sohlbank des nord-
östlichen Fensters des
Chores der St. Gum-
bertuskirche in Ansbach
die bekannteste dieser
Darstellungen, der Lö-
we mit den Jungen. Da
keine nachbarlichen
Beziehungen auf Maria
hinweisen, vielmehr das Bildwerk ganz vereinzelt
am Chor erscheint, so liegt der Gedanke der ur-
sprünglichen Deutung nahe. Trotzdem glaube
ich ihn ablehnen zu dürfen im Hinblick darauf,
dafs das St. Gumbertusstift dem Marienkultussehr
nahe stand. Kurfürst Friedrich I. von Branden-
burg hatte am 2<>. Sept. 1435 auf dem Marien-
oder Harlungerberg bei Altbrandenburg ein Prä-
fnonstratenser-Kloster gegründet, welches mit
der dortigen Marienkirche verbunden wurde,
und dessen Klosterbrüder die Aufgabe hatten,
bei Tag und Nacht durch Messen und Lob-
gesänge Maria, die Himmelskönigin, zu feiern.4)



Türflügel des N'ordportales der Stiftskirche zu
Altötting.

*) Hiernach ist Lflbke, »Gesch. d. Plastik II» 4) Fllr dies und die folgenden historischen An-

(1880), S. 498, welcher diese Darstellung für ein Urteil gaben vgl. Julius Meyer, »Die Schwanenordens.

Salomonis hält, zu berichtigen.

kapelle bei St. Gumbertus in Ansbach« (1900) S. 8 ff-
 
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