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Zeitschrift für christliche Kunst — 17.1904

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Halm, Philipp Maria: Zur marianischen Symbolik des späteren Mittelalters, [2]: Defensoria inviolatae virginitatis b. Mariae
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https://doi.org/10.11588/diglit.4094#0123

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1904. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.

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geschnitten ist, ist bei clm. 706 erhalten.9)
Dieses, wie wir also beobachten, in der Regel
in die Defensorien einbezogene Bild läfst uns
einen Zweifel entkräften, den Jacobs10) bei
der Besprechung eines 1471 gedruckten De-
fensoriums der herzogl. Gothaischen Bibliothek
äufsert. Er glaubt die Zugehörigkeit eines
Holzschnittes mit der Geburt Christi zu dieser
Inkunabel zurückweisen zu dürfen, obwohl er
vom gleichen Formschneider wie die Exempel
herrührt, weil das Bild nicht aus den Quellen
wie jene geschöpft sei und keine Verteidigung
Maria enthalte. Unsere Handschriften aber be-
legen unzweifelhaft, dafs die Darstellung der Ge-
burt dazu gehört als das Leitmotiv für alle folgen-
den Variationen. In knapper, augenfälligerer
Weise bekunden ja, wie wir sahen, dasselbe
auch das Schleifsheimer Bild und die Brixener
Fresken. Wie oben ersichtlich, gehören die
von uns herangezogenen Defensorien alle der
zweiten Hälfte des XV. Jahrh. an. Wenn nun
auch schon im XIV. Jahrh. (Nürnberg, St. Lo-
renz) derartige Sinnbilder begegnen, so mufs
und darf nicht daraus geschlossen werden, dafs
den Bildnern schon damals solche Kompendien
als Anhaltspunkte gedient haben. Für die ge-
läufigeren bedurfte es ja kaum eines solchen.
Nach dem Schlufssatz des oben erwähnten
Blockbuches der Gothaer Bibliothek hat dieses
Defensorium Franziscus de Retza, so benannt
nach der Stadt Retz in Niederösterreich, ein
Predigermönch, Doktor und Professor der
Theologie, gest. 1425, „aus einzelnen bei den
älteren Kirchenlehrern zerstreuten Elementen
zusammengesetzt".11) Ob die Münchener Hand-

9) Der intakte Zustand der Kopie (clm. 706) weist
die von v. Schlosser, »Jahrb. d. allerh. Kaiser-
hauses« XXIII (1902) S. 289 aufgestellte Möglichkeit,
dass in clm. 18077 acht Darstellungen fehlen, zurück.
Es fehlt eben die Hauptdarste.lung der Geburt Christi.

•°) Jacobs u. Ukert, »Beiträge etc.« 1(1835)
S. 107.

") ^ß'- aucn W eigel-Z est ermann , »Die An-
fange der Druckerkunst in Bild und Schrift« II (1867).
147 ff., Hurter, „Nomenciator", Oeniponte 1899 IV,
p. 648. Nunmehr auch die eingehende Abhandlung
bei v. S chlosser a. a. O., S. 295, nach welcher Fran-
ziscus de Ketza schon 1121 starb. Die meisten dieser
„Elemente" der verschiedenen Defensorien gehen auf
Isidorus hispalensis, Alanus ab insulis, Albertus magnus
und Augustinus zurück; zu weiteren Belegen werden

Schriften auch auf Franziscus de Retza zurück-
gehen, läfst sich nicht mit absoluter Sicherheit
behaupten, erscheint aber für die Codices lat.
18 077 und 706, die sich mit dem Druck zwar
nicht in bezug auf die Reihenfolge, aber doch
hinsichtlich der Wahl der Gleichnisse ziemlich
decken, für wahrscheinlich; nur ein Gleichnis
(Jupiter) fehlt, dafür werden drei andere ein-
geführt. Man kann also wohl annehmen, dafs
vor Franziscus de Retza den bildenden Künst-
lern nur vereinzelte Beispiele vorgelegen haben-
Auf eine Besprechung sämtlicher in den De-
fensorien aufgeführten Gleichnissen heifst uns
schon der Raum verzichten. Dies bedeutet
eine Abhandlung für sich. Es genügt, darauf
hingewiesen zu haben, dafs die Defensorien für
den marianischen Bilderkreis des Mittelalters
wertvolle Aufschlüsse geben können.

Nach dem exakten Titel der Handschriften
empfiehlt es sich, derartige gröfsere Werke der
angewandten Kunst, wie wir sie in Brixen und
Altötting kennen gelernt haben, der Kürze
halber gleichfalls Defensoria B. M. V. zu be-
nennen. Mit den bisher behandelten Bei-
spielen solcher ist sicherlich noch lange nicht
die Zahl derselben erschöpft, das konnte auch
gar nicht in der Absicht dieser Untersuchung
liegen. Sie wollte vielmehr eine Anregung zu
weiterer Nachforschung bieten. Mit Hinblick
auf derartige Bilderdefensorien wird manches
Werk der mittelalterlichen Kunst in seiner
tiefsinnigen Symbolik erst ganz verstanden
werden können, und zu dem rein kunstgeschicht-
lichen oder künstlerischen Wert desselben tritt
noch, diesen oft bei weitem übertreffend, die
ikonographische Bedeutung des Objektes. — Von
dem vorstehend dargelegten Gesichtspunkte
aus soll noch in bezug auf zwei unserem
Bilderkreise angehörige Werke der Gotik eine
Erklärung versucht werden, um zu zeigen, wie
derartige marianisch-symbolische Zyklen, ähn-
lich wie bei den beiden Türpaaren in Alt-
ötting oder bei dem Portal von St. Lorenz
in Nürnberg auch in Gegenstände der kirch-
lichen Inneneinrichtung einbezogen wurden.

(Schlufs folgt.)

München Philipp M. Halm.

Gregorius, Justinus, Ovidius, Petrus Commestor, Sigbert
de Gembloux, Terentius, Valerius Maximus und Vitruvius
herangezogen.
 
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