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Zeitschrift für christliche Kunst — 17.1904

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Halm, Philipp Maria: Zur marianischen Symbolik des späteren Mittelalters, [2]: Defensoria inviolatae virginitatis b. Mariae
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https://doi.org/10.11588/diglit.4094#0122

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1904. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.

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de,6) erscheint es angezeigt, auf einige handschrift-
liche Exemplare von solchen näher einzugehen.
Es finden sich deren auf der Münchener Hof- und
Staatsbibliothek vier, von denen eines nicht illu-
striert ist, während drei mit Miniaturen geziert
sind. Das erste Exemplar (clm. 4163), eine
Handschrift des XV. Jahrh., gibt ein solches
Defensorium auf fol. 102 bis 104; dies begnügt
sich mit 42 Belegen in Form von je zwei leoni-
nischen Versen, die zum Teil mit den Bei-
schriften der Brixener Bilder übereinstimmen.
Die zweite Handschrift (cgm. 3974), geschrieben
zwischen 144(1 bis 1466, gibt das Defensorium in
ein „Speculum humanae salvationis" einbezogen
(S. 92—113;.7) Dieses Defensorium behandelt
das Thema, von lateinischen und deutschen

8) Heider verweist nur flüchtig auf den Früh-
druck (Blockbuch) eines solchen Defensoriums in der
Golhaer Bibliothek v. J. 1471, (•Mitleil. d. Zentral-
komm. I (18f)6) S. 8), dem Jacobs eine literarge-
schichtliche bezw. bibliographische Untersuchung ge-
widmet hatte (Jacobs und Ukert: >Beiträge zur
älteren Literatur« I, 1835, S. 98). Ferner Weigel-
Zestermann, »Die Anfänge der Druckerkunst in
Bild und Schrift« 11(1866), 147 ff.

Kurz vor Drucklegung dieser Abhandlung, zu der
mich zunächst die Altöttinger Türen und die Brixener
Gemälde anregten, wurde ich durch die Liebens-
würdigkeit des Herrn Dr. Le idinger, Sekretärs der
königlichen Hof- und Staatsbibliothek in München,
auf den Aufsatz aufmerksam gemacht, den v. Schlosser
neben andern „Zur Kenntnis der künstlerischen Über-
lieferung im späten Mittelalter" auch dem Defensorium
inviolatae virginitatis b. Mariae gewidmet hat im
«Jahrbuch der Kunstsammlungen des allerhöchsten
Kaiserhauses« Bd. XXIII (1902) S. 287. Den Schwer-
punkt seiner Untersuchung verlegte der verdienstvolle
Forscher, ausgehend von einer Miniatur der ehemal.
Ambraser Sammlung, auf dieses Blatt, das Schleifs-
heimer Bild, die Handschrift cod. lat. 1S077 der
Münchener Hof- und Staatsbibliothek und einige
Blockbücher. Insofern als ich, einerseits von deko-
rativen Bildwerken marianischer Symbolik ausgehend,
zu den Defensorien B. M. V. als einer Art Quelle für
jene gelangte und den Zusammenhang der Bildwerke
mit den Handschriften darzulegen versuchte, anderer-
seits noch weitere einschlägige Handschriften in Be-
tracht zog, dürfte meine Untersuchung geeignet sein,
die Ergebnisse v. Schlossers zu erweitern, wie ich
in diesen eine wertvolle Ergänzung meiner Ausfüh-
rungen erblicke. Mit Rücksicht auf die Erörterungen
v. Schlossers sah ich mich veranlagst, in der Besprechung
der Münchener Defensorien einige Kürzungen vorzu-
nehmen.

') Fr. X. Kraus eiwähnt in der »Geschichte der
christl. Kunst« II (1897), S. 276 ähnliche Hand-
schriften in Kremsmünster, Köln, Wien (Hofbibliothek
und Ambraser Sammlung), die gleichfalls einschlägiges
Material zu enthalten scheinen.

Versen begleitet, in 43 kolorierten Handzeich-
nungen in runden Medaillons von ungefähr 14 cm
Durchmesser. Auf der Rückseite des Blattes
mit dem ersten Gleichnisse ist eine Geburt
Christi dargestellt. Der künstlerische Wert der
Zeichnungen ist nicht sonderlich hochstehend,
umsomehr aber verdient die Handschrift noch
wegen des übrigen Inhaltes besondere Berück-
sichtigung für die Erforschung und Deutung
des mittelalterlichen Bilderkreises. Ein weit
höheres künstlerisches Können spricht aus dem
Defensorium B. M. V. des clm. 18077. Es ist
einem „De laudibus s. crucis" von Rabanus
Maurus angehängt auf fol. 51—56. Jede
Seite zeigt vier der Möglichkeitsbeweise, die
letzte Seite nur zwei; in Summa sind es also
16. Unsere Abbildungen 2 und 3 geben einige
Beispiele der oft höchst merkwürdigen Bild-
chen; für weitere sei noch auf die Illustrationen
bei Riehls) und v. Schlosser hingewiesen.
Die einzelnen Miniaturen sind fleifsig durch-
geführt und besitzen eine ursprüngliche Frische,
so dafs man geneigt ist, sie als originale Kom-
positionen des Schreibers anzusehen, nämlich
i des Fraters Anthonius in Kloster Tegernsee.8)
Auch diese Handschrift gibt die Szenen in Me-
daillonform mit einem Durchmesser von 9,5 cm,
begleitet von je zwei lateinischen Verszeilen.
Die Handschrift entstand 1459. Unzweifelhaft
abhängig von diesem Manuskript, wenn nicht
beide Handschriften auf ein gemeinsames, uns
nicht bekanntes Original zurückgehen, ist
j clm. 706. Wie clm. 18077 enthält er bis auf
die Seitenzahl genau Rabanus Maurus' „De lau-
dibus s. crucis" und auf fol. 50—56 ein Defen-
i sorium B. M. V. Er ist geschrieben 1472 von
i Fr. Maurus in Kloster Ebersberg. Seine rein
| künstlerische Qualität steht entschieden hinter
\ jener seines Vorbildes zurück. Wenn auch
! die Anordnung der einzelnen Bilder vollständig,
! selbst bis auf das gleiche Gröfsenverhältnis
(Durchmesser 9,5 cm) beibehalten ist, so offen-
bart sich doch in allem, in Zeichnung und Farbe,
und namentlich in den Gesichtern eine sehr
schwache Hand. Ein das Defensorium ein-
leitendes, die ganze Seite einnehmendes Bild
der Geburt Christi, das bei clm. 18077 heraus-

8) Die künstlerische und kunstgeschichtliche Be-
deutung der Handschrift hat B. Riehl dargelegt in
den »Studien zur Gesch. der bayr. Malerei des
XV. Jahrh.« (Oberbayer. Archiv IL (1895-96),
S. 98 ff.
 
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