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Zeitschrift für christliche Kunst — 17.1904

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Arntz, Ludwig: Die Wiederherstellung der ehemaligen Stiftskirche zu Schwarz-Rheindorf, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4094#0132

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199

1904. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

200

I. Baugeschichtliche Grundlagen.

Eine sachgemäfse Wiederherstellung der
ehemaligen Stiftskirche zu Schwarz-Rheindorf
mufste von den Erfahrungstatsachen ausgehen,
welche von der Baugeschichte überliefert sind;
im besonderen war mit der wichtigen Tatsache
zu rechnen, dafs dieses Bauwerk bereits im
XVIII. Jahrh. eine erste Instandsetzung und
im Laufe des XIX. Jahrh. weitere Instand-
setzungen erfahren hat. Ein knapper Rück-
blick auf die baugeschichtliche Entwicklung
des eigenartigen Kunstdenkmales ist daher für
die Zwecke dieser Abhandlung nicht zu ent-
behren, zumal durch die Bauarbeiten selbst
neue urkundliche Beläge für die Kenntnis der
Baugeschichte gewonnen worden sind, gerade
da, wo die bezüglichen Schriftquellen versagen.

Das Gelände der ehemaligen Stiftskirche
zu Schwarz-Rheindorf, am steil abfallenden
Uferrande eines alten Rheinarmes gelegen, war
bereits in römischer Zeit ein strategisch bedeut-
samer Punkt und die Annahme, dafs daselbst
eine römische Wehranlage bestanden, hat durch
die in den Bodenschichten vorgefundenen,
römischen Baustoffe (Sigillatascherben, Mauer-
und Dachziegel) eine urkundliche Bestätigung
gefunden. Auf den Trümmern der römischen
Siedelung safsen, als Erben der Auelgaugrafen,
im Beginn des XII. Jahrh. die Grafen von
Wied, deren einstige Burganlage in einigen
Ringmauern, zum Teil verdeckt, erhalten sind.
Im Jahre 1149 begann auf seinem Erbgut der
damalige Kölner Domprobst, Graf Arnold von
Wied — der spätere Erzbischof Arnold II. —
von einem Kreuzzug mit König Konrad heim-
kehrend, den Bau einer zentralen, kreuzförmigen
Kirchenanlage, von deren feierlichen Einwei-
hung am 8. Mai 1151 eine steinere Urkunde
im Chore der Unterkirche meldet.2) Wie der
Baubestand erkennen läfst, umfafste dieser
Arnoldsche Bau die jetzige Unterkirche und
Oberkirche bis zu der, durch die westliche
Säulenstellung bezw. durch die im Grundrifs
ersichtliche Grenze (vergl. die Abbildung der
Grundrisse). Die nördliche, im Mauerwerk aus-
gesparte Treppe vermittelt den Aufgang zur

2) Die wertvolle — aus Jurakalkstein ausgeführte
— Majuskelschrift ist nicht mehr vollständig erhalten,
sie ist teilweise durch Putzauftrag ergänzt worden
und hat Überdies durch unverständiges Abformen in
Gipsmasse gelitten.

Emporkirche und zu einem dritten Geschofs,
welches sich nachweislich über dem ersten
Langschiffjoche befand. Dieser letztere Raum
trat zutage, als der etwa 0,80 tn hoch angehäufte
Bauschutt von den Gewölben der Oberkirche
beseitigt wurde. Er zeigte die hier nebenan-
gegebene Grundrifsform (vergl. Abbildung 2)
und weist noch einen wohlerhaltenen Estrich
auf, in einer, an römische Überlieferung
erinnernden Ausführung. (Kalkmörtel und
Ziegelbrocken.) Die beiden seitlichen Ab-
siden liegen eine Stufe tiefer als der Mittel-
flur. Über die einstige Bestimmung dieses ab-
geschlossenen Raumes, der vielleicht als Wacht-
stube oder Gerkammer diente, lassen sich nur
Vermutungen anstellen. Schon im Jahre 1156
starb der Stifter des ersten Kirchenbaues und
ward in der Unterkirche beigesetzt. Seine
Schwester Hadwig, die Äbtissin von Essen,
übernahm die Vollendung und Ausmalung
des Baues; sie erweiterte ihn nach Westen hin
durch den Anbau zweier weiterer Joche der
Unterkirche und der Oberkirche und brachte
ihn dadurch mit einem südlich anschliefsenden
Klostergebäude in bauliche Verbindung. Die
Grundmauern des Klosters und der einstige
Treppenaufgang zur oberen Nonnenkirche sind
noch erhalten. Mit diesem Erweiterungsbau
wurde in die Baugruppe auch ein älterer, drei-
geschossiger Kapellenbau eingezogen, welcher
höchst wahrscheinlich die Verbindung mit einem
nördlich anschliefsenden Wehrgange herstellte.
Nach dem Tode Hadwigs im Jahre 1172, über-
nahm ihre Schwester Sofia die Leitung des
adeligen Stiftes, dessen Güter und Gerechtsame
unter seinem Schirmherrn, dem Erzbischof
Philipp von Köln, erheblich vermehrt und er-
weitert wurden. Die Ausmalung des oberen
Chores fällt wohl in diese Zeit. Es ist anzu-
nehmen, dafs unter dieser Äbtissin die obersten
Turmgeschosse hochgeführt worden sind, welche
in der Bautechnik von der des zweiten Bau-
abschnittes unter Hadwig entschieden abweicht.
Damit scheint die äufsere Entwicklung des Bau-
körpers der ehemaligen Stiftskirche wesentlich ab-
geschlossen zu sein; an diegotische Zeit erinnerte
nur eine mitVVimpergverseheneSakramentsnische
in der Oberkirche (vergl. die Abb. der Schnitte u.
des Aufrisses). Die Bautätigkeit der Klosterinsas-
sen hat sich seitdem wohl vorwiegend auf den lau-
fenden Unterhalt derKirchen und Klostergebäude
beschränkt; es galt vielfach die Schäden auszu-
 
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