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Zeitschrift für christliche Kunst — 17.1904

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Halm, Philipp Maria: Zur marianischen Symbolik des späteren Mittelalters, [3]: Defensoria inviolatae virginitatis b. Mariae
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https://doi.org/10.11588/diglit.4094#0140

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215

1904. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

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lieh desselben in Drei- und Vierpässen der
Pelikan, der Phönix, ein Adler, der ein Junges
gegen die Sonne hält,24) und ein Straufs, der
hier durchaus richtig gebildet ist. Unter der
Reihe der Symbole stehen die Figuren der
Synagoge und der Kirche; diese fängt in einem
Kelche das Blut auf, welches das Lamm über ihr
vergiefst. Die typologische Gegenüberstellung wird
fortgesetzt durch Kair., das Sinnbild des Heiden-
tums, und Abel, das Vorbild des Christentums,
durch den brennenden
Dornbusch etc. Unter den
vier Heiligenmedaillons des
Baldachins erscheinen auch
Maria und St. Johannes
Baptist, der Patron der
Kirche; wir haben hier
demnach eine eng mit den
Türen von Altötting ver-
wandte Darstellung. Zwei
der Berchtesgadener Wan-
genteile tragen an der
Stirnseite je ein Figürchen;
eines ist attributlos, das
andere hält in der Rech-
ten ein Kreuz, dessen Quer-
arm sich jedoch bei näherer
Untersuchung als spätere
Zutat erweist. Der Längs-
balken endigt nach unten
in eine runde Scheibe, die
meines Erachtens einen
Schlüsselgriff darstellt, so
dafs wir, wie in Osna-
brück, auch hier den Pa-
tron der Kirche, St. Petrus,
in das Chorgestühl einbe-
zogen sehen. Auf St. Pe-
trus weist auch die noch
an Ort und Stelle befind-
liche Stifterinschrift der um 1440 erfolgten Er-

Abb. 8. Teil einer Chorstublwange aus der ebe-
maligen Stiftskirebe zu Bercbtesgaden.

24) Die übliche Deutung sieht in diesem Bilde
das jüngste Gericht. Es begegnet uns diese Dar-
stellung z. B. unter den oben erwähnten Strafsburger
Münsterskulpturen (s. »Revue archeologique« X, 2,
1854, S. 600) und in dem schon erwähnten Pariser
Bestiarium (»Melanges d'archeologie« II, 1851, Taf.
29 und S. 167). Der Adler hält die Jungen der
Sonne entgegen. Diejenigen, deren Augen die Strahlen
ertragen, werden des Geschlechtes und der Aufzucht
würdig erachtet und ins Nest zurückgenommen, die
andern aber aus dem Neste geworfen. Es ist die
Scheidung der Guten und Bösen durch den Welten-
richter, der Herz und Nieren prüft. In dieser Be-

neuerung des Gestühles. Wenngleich wir nun
auch in den fünf Wangen nur aus dem ur-
sprünglichen Zusammenhange herausgerissene
Teile eines Ganzen zu erblicken haben, so
bleibt der Wert derselben für die Kunstge-
schichte im allgemeinen und für die christ-
liche Archäologie und Symbolik im besonderen
dennoch ein höchst bedeutender. Dabei aber
ist nicht zu übersehen, dafs wir in ihnen
auch künstlerisch höchst schätzenswerte Leistun-
gen von hervorragend
schwungvoller Komposition
und Linienführung und
von einer gewissen Gröfse
in den figürlichen Einzel-
heiten zu erblicken haben,
Arbeiten, von deren vollen
Schönheit und prunkenden
Wirkung wir uns aber erst
ein wahres Bild zu machen
vermögen, wenn wir noch
bedenken, dafs alles bemalt
und zum Teil auch ver-
goldet war; darauf deuten
noch Farbspuren und die
auf Fassung berechnete
Schnitztechnik.

Im Zusammenhange mit
den bisher erwähnten Dar-
stellungen von Defensorien
sei noch flüchtig auf eine
Gruppe kleiner gotischer
Holzkästchen hingewiesen,
wie solche mehrfach in den
Sammlungen vorkommen,
und deren eine Anzahl
auch das Bayerische Na-
tionalmuseum in Saal XII,
(Schrank 4 u. 5) bewahrt.
Diese letzteren gehören der
gleichen Zeit wie die besprochenen Chor-
gestühle, Gemälde, Handschriften usw. an, also

deutung wäre eine Beziehung zu Maria, die wir doch
mit Hinblick auf den Pelikan, Phönix und besonders
auf das unzweideutige Straufsensymbol annehmen
müssen, nicht gegeben. Hier kommt uns jedoch
wieder Konrads von WUrzburg ..Goldene Schmiede"
entgegen. Wie der Adler seine Jungen aus dem Neste,
sagt er, so führt Maria uns der Sonne, d. i. Jesus
Christus zu. ;ed. Grimm, S. XLVI u. Vers 1052—1081)
Wir geben nachfolgend die Stelle wegen ihrer doppel-
ten Beziehung auf Christus und Maria und der schönen
Diktion halber vollständig wieder:
 
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