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Zeitschrift für christliche Kunst — 17.1904

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Braun, Joseph: Pluvialschließen aus dem Schatz der Stiftskirche zu Tongern
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https://doi.org/10.11588/diglit.4094#0160

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249

1904. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

250

Wulst, an den sich nach innen, wie nach
aufsen zu eine flache, aus perlbesetzter Schräge
und schmaler Kehle zusammengesetzte Profi-
lierung anschliefst.

Das Mittelfeld enthält, wie schon angedeutet
wurde, die Gottesmutter mit dem Kind in-
mitten von Engeln. Die Darstellung, zumal
das trefflich modellierte, noch nicht 472 cm
hohe Statuettchen Marias enthält noch deut-
liche Reminiszenzen an eine ältere Auffassung.
Der Grund des Mittelfeldes wies einst tief-
blaues, durchsichtiges Email auf, das indessen
jetzt bis auf einen geringen Rest zerstört ist.
Die acht, um die Mitte sich herumlagernden
Pässe enthalten in durchsichtigem Email den
Kopf Christi und die Brustbilder von 7 Aposteln.
Die im ganzen noch
ziemlich gut erhaltenen
Emails stehen an
künstlerischem Wert
weit hinter dem Relief
des Mittelfeldes. Die

Gesamtwirkung der
beiden Agraffen ist
noch jetzt, trotz aller
Beschädigungen, eine
vortreffliche und ge-
fällige. Alles Kon-
struktive, das zuletzt
auf Schliefsen in der
Tat ein fremdes Ele-
ment ist, wurde voll-
ständig ausgeschaltet.
Der Künstler hat sich

v ... * . . Abbildung 3.

begnügt, eine klare,

harmonische Flächengliederung zu schaffen,
und in dieser lediglich malerisch zu arbeiten,
wie die Agraffe zeigt, mit glücklichstem Erfolg.
Abb. 3 zeigt eine Schliefse, die in ihrer
jetzigen Form erst dem XVII. Jahrh. ent-
stammt, deren Mittelstück indessen bis in das
Ende des XV. Jahrh. hinaufreicht. Es stellt
die Kreuztragung dar: In der Mitte der Hei-
land mit dem Kreuz beladen, die Rechte wie
erschöpft auf das Knie stützend, hinter ihm
Simon von Cyrene, im Begriff, die schwere
Last auf sich zu nehmen, ringsum 11 Schergen,
von denen einer den Gottessohn an einem
Strick gefesselt hält, ein zweiter im Begriff
steht, dem Heiland einen Faustschlag zu ver-
setzen, ein dritter Hammer und Nägel trägt.
Der Faltenwurf ist zum Teil noch altertümlich,

doch gestattet die gedrungene Behandlung der
Figuren und die in ihnen zum Ausdruck ge-
brachte Realistik nicht, das Relief über das
Ende des XV. Jahrh. hinaus anzusetzen.

Die aus teilweise vergoldetem Silber ver-
fertigte Agraffe hat in ihrer jetzigen Gestalt einen
Durchmesser von 0,13 m. Ursprünglich dürfte
der Durchmesser etwas grösser gewesen sein.
Denn der gegenwärtige Rahmen pafst in keiner
Weise zum Mittelstück, nicht blofs bezüglich
des Stiles, sondern auch bezüglich seiner Stärke.
Statt der schmalen, flachen, kleinlich gemuster-
ten Einfassung wird ursprünglich ein breiter,
kräftiger, derb profilierter Rahmen um das
Relief angebracht gewesen sein.

Die Agraffe hat ein Gegenstück im Schatz,
bei welchem jedoch
an Stelle der Kreuz-
tragung der Verrat
des Judas die Mitte
einnimmt. Eine Ab-
bildung auch von
dieser Schliefse zu
geben, schien mir
überflüssig, da sie
nichts wesentlich Neues
bietet.

Wie man sich etwa
um Agraffe III den

Rahmen wünschen
möchte, zeigt die in
Abb. 4 wiedergege-
bene Schliefse. Sie ist
die Pluvialschüefse des
Tongerner Schatzes,
bei welcher die Einfassung am reichsten aus-
gebildet ist, und hat den höchst bedeuten-
den Durchmesser von 0,195 m. Der Rah-
men, der aus vergoldetem Silber besteht, ist
ca. 0,035 m breit; oben mit breiter, tiefer
Rinne versehen, durch welche sich eine sil-
berne mit Blättchen und Rosettchen besetzte
Ranke zieht, fällt er nach innen zu steil ab.
Nach aufsen ist er mit tiefer Kehle aus-
gestattet, durch welche ein von einem vergol-
deten Bande umwundener, blattbesetzter Zweig
geführt ist. Am Rand schliefst die Um-
rahmung wirksam ein von einem Perlstäb-
chen begleiteter gewundener Doppeldraht ab,
während die Rinne in der Mitte des Rahmens
durch einen geflochtenen Silberdraht beider-
seitig begrenzt wird.
 
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