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Zeitschrift für christliche Kunst — 21.1908

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Schroth, Johannes: Die Stadtpfarrkirche zu Haslach in Kinzigtal (Baden)
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https://doi.org/10.11588/diglit.4126#0016

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1908. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

Stilformen, wenigstens für Umbauten, fest-
zuhalten. . Dieser Weg zeichnet sich im vor-
liegenden Falle deshalb schon bestimmt vor,
weil der nach dem Vorschlage des Unter-
zeichneten abzutragende und jenseits des neuen
Querschiffes wieder aufzuführende Chor präch-
tige Antragornamente besaß, die man wieder
verwenden wollte. - Aus dem Grundriß ist die
Art der durch das Anwachsen der Bevölkerung
nötig gewordenen Vergrößerung ersichtlich.
Die drei äußeren Ansichten zeigen die Fort-
setzung der schlichten äußeren alten Schiffs-
architektur mit dem neuen dazu passenden
und nun auch der heutigen Bedeutung des
Orts entsprechenden Turm. Dessen gläserne
Zifferblätter wollen nicht nur bei Tage, sondern
auch zur Nachtzeit bei elektrischer Beleuch-
tung dem nächtlichen Wanderer im herrlichen
Kinzigtale weithin den Gang der Zeit ver-
künden. — Den alten gotischen Turm hat man,
als ein Stück steinerner Geschichte, in seiner
Form selbstredend unangetastet belassen, ihm
aber ein neues Gewand und neue schützende
Bedachung gegeben. Die innere Ausstattung
der neuen Teile lehnt sich an diejenige des
alten Schiffes an und besteht aus freien und
symbolischen Antragornamenten, angetragenem
Kreuzweg, an die weißen Sandsteinsäulen an-
gebaute Steinkanzel mit reichen Stuckreliefs
und einem neuen groß angelegten und die
ganze Kirche beherrschenden Hochaltar, eben-
falls aus weißem Sandstein und reichem figür-
lichen Stuckschmuck. Decken und Wände
sind nur in weißer und hellgrauer Tönung-
mit Gold gehalten, die Fenster nur in weißem
Glas, wobei Chorschrägfenster seitlich des
Hochaltares figürlichen Schmuck, indessen
ebenfalls nur in weißen Scheiben erhalten
haben. An der Vierungsdecke harrt noch
die Ausführung eines farbigen Gemäldes. — Wie
aus der beigegebenen Innenansicht ersichtlich,
ist die Steigerung der Lichtwirkung nach dem
Chor mit dem Allerheiligsten zu, gut gelungen,
wie über diese Kirchenvergrößerung überhaupt
bei der vor einigen Wochen stattgehabten
feierlichen Konsekration durch den Hoch-
würdigsten Herrn Erzbischof Dr. Nörber von
Freiburg und einer großen Anzahl Festteil-
nehmer aus näherer und weiterer Entfernung
die gebotene angenehme Überraschung über
den anziehenden und interessanten Innen-
raum betont wurde.

Die Bauarbeiten unter der Oberleitung des
Unterzeichneten haben zwei Jahre Zeit in
Anspruch genommen und einen Kostenaufwand
von rund 175 000 Mk. verursacht, während
ein völliger Neubau in der benötigten Größe
wenigstens auf 300000 Mk. gekommen wäre. —
Ich wollte mit diesen Zeilen wiederholt und
eindringlich gegen die ebenso weitverbreitete
als unrichtige Anschauung sprechen, als sei
nur im völligen Neubau alles Heil zu finden,
was oft zu Beschlüssen führt, wertvolle alte
Bauteile zu opfern.

Die vorliegende und schon manch andere
gelöste Aufgaben beweisen, daß durch ziel-
bewußtes Vorgehen fast in jedem Falle eine
gebrauchstüchtige Vergrößerung möglich ist,
daß dadurch nicht nur erhebliche Summen
gespart und die für den Ort geschichtlichen
Bauteile erhalten bleiben, sondern auch Kirchen
entstehen, die sich durch die verschiedenen
Angliederungen zu ungemein interessanten
und stimmungsvollen Innenräumen entwickeln.

Daß einer Stileinheit eines Bauwerkes wegen,
wertwolle, diesem Stil nicht angehörende Bau-
teile geopfert werden sollen, ist, Gott sei Dank,
endlich ein überwundener Standpunkt, zu dem
man freilich nur über aufgehäufte Trümmer
aus geopferten lebensfrohen Architekturen auf-
geschritten ist. Nicht nur zum Segen der
kirchlichen Kunst selbst, sondern auch dem-
jenigen des kirchlichen Vermögens, ist die Er-
kenntnis geworden, daß alle historischen Stil-
epochen ihre Berechtigung im Dienste der
Kirche beanspruchen dürfen, sofern sie eben
wirkliche Kunst darzubieten vermögen. Man
wird die Freude über diese Errungenschaft
denjenigen nachfühlen können, die viele Jahre
hindurch manchmal recht hart darum gekämpft
haben, und die auch heute noch nicht ermüdet
sind, diese Erkenntnis in immer weitere Schichten
zu tragen, zur Sicherung und Erhaltung wert-
vollen kirchlichen Besitzes und Wertschätzung
der hingebenden Tätigkeit unserer Vorfahren.
Mit diesen Gedanken möchte ich auch die
große Opferwilligkeit der Einwohner ehrend
erwähnen. Wie ich einem Berichte einer
Haslacher Tageszeitung entnehme, sind aus
einer einzigen Familie (Geschwister Grieshaber)
allein 100 000 Mk. zur Verfügung gestellt
worden, wozu noch reichliche Gaben für die
Ausstattung flössen.

Karlsruhe.

Johannes Schroth.
 
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