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Zeitschrift für christliche Kunst — 21.1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.4126#0043

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1908. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 2.

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das Ornament, die Polychromie, das Figür-
liche, Lokalschulen nur angedeutet. — Die ikono-
graphische Stoffverteilung bildet den Ausgangspunkt
und begründet die ganze Mannigfaltigkeit der Anordnung,
in welcher der Schnitzaltar mit seiner Predella, seinem
Schrein, seiner Bekrönung, seinen Flügeln die reiche
Ausbildung erfahren hat, in der das, zuerst architek-
tonische, Maßwerk zum Dekorationsmittel wurde, und
zum Rahmen für die Figurenzyklen. Diese zu charakte-
risieren in ihrer schwäbischen Eigenart und in ihrem
Zusammenhange mit den Schöpfungen der Tafelmaler,
die vielfach mit den Bildschnitzern Werkstattgemein-
schaft hatten, war die Hauptaufgabe der Studie, die
durch den höchst lehrreichen Exkurs über die Bemalung
der Altäre eine wichtige Ergänzung erfahren hat. —
Für die Vielseitigkeit dieser Ziele ist das dem künstle-
rischen Wert, wie der Erhaltung nach sehr ungleich-
artige Material in seinem ganzen Umfange heran-
gezogen worden, und mehrfache wichtige Unterschei-
dungen, lokale Feststellungen und Datierungen, Künstler-
Zuschreibungen und -Gruppierungen bilden das dankens-
werte Ergebnis, das neues Licht verbreitet, über die
spätgotische Kunstblüte, nicht nur in Schwaben, der
die Kritik nicht erspart bleibt. -- Diese Erstlingsschrift
der kenntnisreichen und gründlichen Dame weckt den
Wunsch nach ihren weiteren Forschungen auf diesem
der Aufklärung noch sehr bedürftigen Gebiete.

Schnütgen.

Baron Hüpsch und sein Kabinett. Ein Beitrag
zur Geschichte der Hofbibliothek und des Museums
zu Darmstadt von Adolf Schmidt. Mit 3 Bildnis-
tafeln. Darmstadt im Selbstverlag des Historischen
Vereins für das Großherzogtum Hessen, in Kommission
von A. Bergstraesser 1906. (Preis Mk. 7,50.)
Der Direktor der hessischen Hofbibliothek hat
durch dieses hochinteressante Lebensbild des eigenartigen
Mannes, dem die Darmstädter Kunstsammlungen so
vieles zu danken haben, — zu seinem 100. Todestage,
zugleich zur Eröffnung des neuen Museums — eine
Ehrenschuld abgetragen, indem er dem zu seinen Leb-
zeiten hochgefeierten, nach seinem Tode teils ver-
schollenen, teils mythisch dressierten Kölner Bürger
und Darmstädter Mäzen ein auf mühsam erspähten
und durchforschten Urkunden aufgebautes, zutreffendes
Denkmal setzte, das nicht nur in Darmstadt und Köln
Beachtung verdient. — Der in Vielsalm (Belg. Luxem-
burg) als Sohn des Gerichtsschreibers Honvlez am
31. August 1730 geborene, durch seine mit reichen
Mitteln, auf geraden und krummen Wegen erworbene
riesige Sammlung (Naturalien, Bücher, Altertümer,
Gemälde, Waffen usw.) in Köln zu großem Ansehen
gelangte, mit allerlei anmaßlichen Titeln sich brüstende
Sonderling, hat, von seinen Mitbürgern verärgert, seine
enormen Schätze zum größten Teil dem Landgrafen
Ludwig X. von Hessen-Darmstadt vermacht, wo sie
den wertvollsten Bestandteil der Kunstsammlungen
bilden. — Der Lebenslauf des am 1. Januar 1805 zu
Köln gestorbenen „Barons Hüpsch" wird auf Grund
zuverlässiger Forschung eingehend geschildert, und zwar
zunächst der sogenannte Baron selber als Gelehrter
und Menschenfreund, als Sammler und in seinem Ver-
hältnisse zu den Kölnern, deren Stadt und Umgebung
für ihn die Fundstätte seiner kostbarsten Altertümer,
nicht nur der römischen und fränkischen, sondern auch

der romanischen Elfenbeine, Emails, Manuskripte, wie
der gotischen Gemälde bildeten. — Mit der „Erbschaft
Hüpschs" beschäftigt sich der IL Teil, der sein Testa-
ment behandelt, „die hessischen Bevollmächtigten",
die entgegengesetzten „kölnischen" Bestrebungen, „die
Ansprüche der Stadt", die Überführung nach Darm-
stadt. — Sechs umfangreiche „Anlagen" vervoll-
ständigen das Material, für das Abbildungen und Be-
schreibung der hervorragendsten Darmstädter Kunst-
objekte eine sehr wünschenswerte Ergänzung sein
würden, die vielleicht von anderer Hand noch zu er-
warten ist. — Wenn man mit den Bewertungen von
damals die jetztigen Preise für Altertümer, insoweit
für sie überhaupt ein Marktwert angenommen werden
kann, vergleicht, kommt man zu den frappantesten Er-

gebnissen. Beati possidentes!

Schnütgen.

Catalogue raisonne de la Collection Martin
le Roy publie sous la directum de M. J. J. Mar-
quet de Vasselot.

Von diesem hier (XX, 127/128) eingehend besproche-
nen Prachtkatalog ist soeben die IV. Mappe er-
schienen, die „Tapisseries et Broderie" umfaßt:
eine Stickerei und 17 Gobelins. — Die erstere
besteht in einem unten verkürzten Kaselkreuz um 1400
mit der den ganzen Querbalken füllenden Hauptdarstellung
der Dreikönigen-Anbetung. Wegen der ungewöhnlich
vornehmen Zeichnung und Ausführung erregte sie auf
der letzten Pariser Weltausstellung großes Aufsehen;
ich habe sie in meinem bezüglichen Bericht (XIII, 180)
mit oberitalienischen Vorbildern in Verbindung ge-
bracht. Der Verfasser des umfänglichen, überall
den Fachmann verratenden Textes. Marquet de
Vasselot, gelangt zu dem Ergebnis, daß sie eng-
lischen Ursprungs sei, (später, als die bekannten
großartigen Chormäntel); und ich bin geneigt, seinem
eingehend motivierten Urteil mich anzuschließen. —
Die Gobelins geben einen Überblick über die Ent-
wicklung dieses in Flandern und Frankreich zu so
hoher Bedeutung gelangten Kunstzweiges vom Schluß
des XV. bis in die zweite Hafte des XVIII. Jahrh.
Die Glanzpunkte der kostbaren Serie bilden, 1) die be-
wegte Kreuzigung, die auf den ersten Blick ihre Ver-
wandtschaft mit den Tafelgemälden von Bouts verrät,
aber auch noch etwas frühere Anklänge erkennen läßt;
2) die figurenreiche Darstellung im Tempel
die, nach Art der Biblia pauperum, von zwei alt-
testamentlichen Vorbildern flankiert wird. Sie gehört
in den gewaltigen Kreis der für den spanischen Hof
im Anfange des XVI. Jahrh. von Brüsseler Künstlern
ausgeführten Tapisserien, die bekanntlich die aller-
höchsten Leistungen menschlicher Kunst in dieser
Technik sind. Auch hier leistet (wie durch die ganze
Mappe) der gründliche Text der vorzüglichen Abbildung
den besten Sukkurs. So erscheint dieser, bereits aus
4 Mappen bestehende Katalog, in dem Papier, Druck,
Ausstattung, vor allem Bilder und deren, von den kompe-
tentesten Fachmännern (Marquet de- Vasselot,
Koechlin, Migeon, Metman, Leprieur) besorgten ein-
gehenden Beschreibungen zum schönsten Ensemble sich
vereinigen, als ein dem erleuchteten und opferwilligen
Sammeleifer des glücklichen Besitzers geweihtes, wür-
diges Denkmal. — Die Schluß-Mappe wird noch
Peintures et Miniatures bringen. Schnütgen.
 
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