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Zeitschrift für christliche Kunst — 21.1908

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Hasak, Max: Karl der Große ist sitzend auf einer Art goldenem Thron begraben worden, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4126#0055

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R1

1908. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.

82

auch mich zuerst gefangen genommen haben,
dann findet man bald, daß sie sich gegen
selbst geschaffene Schwierigkeiten wenden, die
weder in dem Berichte des Grafen von Lomello
noch, in der Sachlage begründet sind.

Lindner bringt fachmännische Gutachten
bei, daß sich kein Leichnam auf einem Throne
sitzend erhalten könne. Das ist garnicht
nötig. Das Chronicon Novaliciense läßt den
Grafen wie folgt erzählen: Intravimus ergo
ad Karolum. Non enim iacebat ut mos est
aliorum defunctorum corpora, sed in quandam
cathedram ceu vivus residebat." Also auf
einer Art von Thron saß er und nicht auf
einem wirklichen Thron. Nun weist Buch-
kremer selbst auf die Nachricht bei Ruinart
hin, wonach in St. Germain - des - Pres zu
Paris die merowingischen Fürsten-Leichen so
aufgefunden wurden, daß ihre Köpfe weit
höher als die Füße lagen:7)

„Pedes erant Orienti obversi, sicut et in
ceteris omnibus tumulis, qui passim effodiuntur
capita multo plusquam pedes elevata erant."

Da die Leichen auf einem feretrum in die
Kirche getragen wurden, so ist ihnen vielleicht
durch eine solche Bahre die schräge Stellung
gegeben worden. Eine solche Bahre hieß
solium. Die Grabmäler Heinrichs IL und
Richard Löwenherz' nebst den Fürstinnen zu
Fontevrault zeigen die Nachbildungen solcher
Gestelle. Wenn die Sarkophage nicht schräg
lagen, dann mußle unter dem Leichnam ein
solches Gestell schräg untergeschoben sein.

Man nehme nun einen vergoldeten Falt-
stuhl mit Rücken- und Armlehnen, vielleicht
den, in welchem Karl während seiner letzten
Lebenstage langausgestreckt geruht hatte, und
man wird zugeben, daß jeder Leichnam in
dieser Lage verharren kann. Dann saß er
„ceu vivus" wie lebend „in quandam cathe-
dram, auf einer Art Thron, in solio regio, in sede
aurea reclinatis humeris, zurückgelehnt in)
Grabe, als Kaiser Otto III. mit seinen Be-
gleitern zu ihm hinunter stieg. Daß man dem
alten Kaiser die Krone aufgesetzt und das
Szepter in die Hand gegeben hatte, was soll
daran unwahrscheinlich sein ? Auch daß er
nach Ademar (t um 1035)s) mit dem goldenen
Schwelt umgürtet gewesen ist und das goldene

7) Bouquet, »Recueil des historiens d< s Gaules «
Bd. 2. S. 726 D.

8) »Monumenta Germaniae hist.« Script. IV. (Ade-
mari historiae.) (Hannover 1841) S. 118.

Evangelium ihm auf den Knien gelegen hat,
was soll daran nicht glaublich, was unmöglich
sein? All' dies ist das Nächstliegende, das
Selbstverständliche; hochgebildeter Männer
wie Einhart und Thegan würdig. All' das
würde ihm auch in liegender Stellung in den
Sarg mitgegeben worden sein. Wurden doch
die Merowinger wie die späteren Karolinger in
schweren Prachtgewändern beigesetzt.9) Über-
dies nahm Karls Leiche, nach hinten übergelehnt,
die Beine nach vorn ausgestreckt, nicht viel
Raum ein, so daß der Ausdruck des Grafen von
Lomello für das Gewölbe über dem Grab mit
tugurium und tuguriolum ebenso passend wie
bezeichnend ist. Es war eben keine gewölbte
Krypta, in welcher der Kaiser beigesetzt war,
sondern eine verhältnismäßig kleine Gruft.
Deswegen sind ihre Überreste auch ver-
schwunden, als der karolingische Chor abge-
brochen, die spätgotische Marienkapelle neu
errichtet und die Höhe des Fußbodens wahr-
scheinlich verändert worden war.

Weil man sich zur Zeit Ottos III. leicht
davon überzeugen konnte, daß die Gebeine
Karls nicht in dem antiken Sarkophag be-
stattet worden waren, deswegen war man
nicht ganz sicher, wo eigentlich ihre Ruhestätte
wäre. Die Vermutung lag nahe, daß sie
darunter begraben waren. Das war allgemeiner
Brauch und die Überlieferung wird es auch
berichtet haben. Nur verhältnismäßig tief
muß das Grab gelegen haben, so daß es noch
mit Erde bedeckt war. Aber der Fußboden
des Chores wird wohl einige Stufen erhöht
gewesen sein, so daß es noch über dem
Grundwasser lag.

Daß die Normannen in dem Sarkophag
Kostbarkeiten vermutet und gesucht haben,
ist sehr wahrscheinlich, dabei werden sie nicht
glimpflich mit ihm umgegangen sein und ihn
umgestürzt haben. So dürfte auch van Beeck10)
nicht ganz Unrecht haben und wörtlich zu
nehmen sein.

Kurz, zu der hier zugrunde gelegten An-
nahme über die Bestattungsweise, über den
Ort und die Art des Grabmales stimmen
sämtliche Überlieferungen; aber keine zu all'
den anderen Voraussetzungen. Man lese diese

9)CIemen, „Die Proträtdarstellungen Karlsd. Gr."
In: »Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins.« (1890).
S. 143 nach: Chifflet, »Anaslasis Childerici.«

10) A. Beeck, »Aquisgranum« (Aachen 1620)
S. 75, 76.
 
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