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1908. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.
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Seine Überreste nebst dem Sarkophage sind
auf Kosten Heinrichs II. hierher 1552 über-
tragen worden. Die Frömmigkeit Heinrichs
bestattet hier endlich (wie es späte Schick-
sale mit sich bringen) den frommen Ahn im
harten Marmor.]
Auch Thegan, der wohl ebenfalls bei dem
Tode Karls in Aachen war, gebraucht das
Wort beerdigt:13)
„Ipso eodem die humatum est corpus
ejus in aecclesia, quam ipse construxerat Aquis-
grani palatio".
Auch der Planctus de obitu Karoli klagt:
„Francia diras perpessa iniurias nulluni
iam talem dolorem sustinuit, Quando augustum
facundumque Karolum in Aquisgrani glebis
terrae tradidit".14)
Die wenigen anderen Nachrichten der
Zeitgenossen bringen keine weitere Aufklärung.
Ermoldus Nigellus schreibt:15)
„Funera digna parant, mandantur membra
sepulcro Basilica in propria, quam sibi fecit
Aquis".
Das Chronicon von Moissac, welches bis
818 reicht, berichtet nur:16)
„. . . et sepelierunt eum in Aquisgrani
palatio, seniore in ecclesia, quam ipse fabri-
care jusserat".
Dann schweigen die Schriftsteller bis Karls
Grab durch Kaiser Otto III. im Jahre 1000
geöffnet wird.
Über die Vorgänge bei dieser Eröffnung
hat sich der Bericht eines Augenzeugen er-
halten. Graf Otto von Lomello hat im Kloster
Novalese bei Turin seine damaligen Erlebnisse
erzählt. Der Chronist, welcher sein Werk
zwischen 1025 und 105017) geschrieben hat,
berichtet wie folgt:18)
„Post multa itaque annorum curricula tertius
Otto imperator veniens in regionem ubi Caroli
caro iure tumulato quiescebat, declinavit utique
ad locum sepulture illius cum duobus epis-
copis et Ottone comite Laumellensi; ipse
") »Monumenta Germ, hist.« Script. II. (Thegani
vita Hludovici). S. 592.
H) »Monumenta Germ, hist.« Poet. lat. aev. Carol.
I. 434.
u) »Monumenta Germ. hist.«. Poet. lat. II. 26 v. 87.
]«) -Monumenta Germ, hist.« Script. II. (Chronicon
Moissiacense.) S. 259.
17) Potthast, »Wegweiser durch die Geschichts-
werke« (Berlin 1896) Bd. 1, S. 281.
lä) »Monumenta Germ hist « (Chronicon Nova-
liciense.) (Hannover 1846) Script. VII. S. 106.
vero imperator fuit quartus. Narrabat autem
idem comes hoc modo dicens: Intravimus
ergo ad Karolum. Non enim iacebat, ut
mos est aliorum defunctorum corpora, sed in
quandam cathedram ceu vivus resi-
debat. Coronam auream erat coronatus,
sceptrum cum mantonibus indutis tenens in
manibus,' a quibus iam ipse ungule perforando
processerant. Erat autem supra se tugu-
riumexcalce etmarmoribus valde com-
positum. Quod ubi ad eum venimus, proti-
nus in eum foramen frangendo fecimus.
At ubi ad eum ingressi sumus, odorem per-
maximum sentivimus. Adoravimus ergo eum
statim poplitibus flexis ac ienua; statimque
Otto imperator albis eum vestimentis induit,
ungulasque incidit, et omnia deficientia circa
eum reparavit. Nil vero ex artibus suis
putrescendo adhuc defecerat, sed de sumitate
nasui sui parum minus erat; quam ex auro
ilico fecit restitui, abstraensque ab illius höre
dentem unum, reaedificato tuguriolo
abiit".
[Als daher nach vielen verflossenen Jahren
der dritte Kaiser Otto in die Gegend kam,
wo die Leiche Karls im Rechte des Grabes
ruhte, bog er zu dem Ort des Begräbnisses
jenes ab mit zwei Bischöfen und dem Grafen
Otto von Lomello. Er selbst aber der Kaiser
war der vierte. Es erzählte aber der Graf
dies folgendermaßen: Wir traten also zu Karl
ein. Denn er lag nicht wie es bei den
Körpern anderer Verstorbener Sitte ist, son-
dern er ruhte auf einer Art Thron
wie lebend. Mit einer goldenen Krone
war er bekrönt, das Szepter hielt er mit an-
gezogenen Handschuhen in den Händen, aus
denen schon die Nägel durchbohrend hervor-
gekommen waren. Über ihm war aber
eine Decke aus Kalk und Marmoren
schön zusammengesetzt. Wie wir auf
diese stießen, brachen wir sogleich
ein Loch hinein. Wie wir aber zu ihm
hinein getreten sind, spürten wir einen starken
Geruch. Wir verehrten ihn daher sogleich
mit gebeugten Knien und sogleich umgab ihn
Kaiser Otto mit weißen Gewändern, schnitt
die Nägel und ergänzte alles Fehlende um ihn.
Nichts aber hatte bisher an seinen Gliedern
durch Verwesen gefehlt, als etwas Geringes
an seiner Nasenspitze, das er aus reinem Golde
ergänzen ließ. Und nachdem er aus dessen
Munde einen Zahn entnommen und die
1908. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.
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Seine Überreste nebst dem Sarkophage sind
auf Kosten Heinrichs II. hierher 1552 über-
tragen worden. Die Frömmigkeit Heinrichs
bestattet hier endlich (wie es späte Schick-
sale mit sich bringen) den frommen Ahn im
harten Marmor.]
Auch Thegan, der wohl ebenfalls bei dem
Tode Karls in Aachen war, gebraucht das
Wort beerdigt:13)
„Ipso eodem die humatum est corpus
ejus in aecclesia, quam ipse construxerat Aquis-
grani palatio".
Auch der Planctus de obitu Karoli klagt:
„Francia diras perpessa iniurias nulluni
iam talem dolorem sustinuit, Quando augustum
facundumque Karolum in Aquisgrani glebis
terrae tradidit".14)
Die wenigen anderen Nachrichten der
Zeitgenossen bringen keine weitere Aufklärung.
Ermoldus Nigellus schreibt:15)
„Funera digna parant, mandantur membra
sepulcro Basilica in propria, quam sibi fecit
Aquis".
Das Chronicon von Moissac, welches bis
818 reicht, berichtet nur:16)
„. . . et sepelierunt eum in Aquisgrani
palatio, seniore in ecclesia, quam ipse fabri-
care jusserat".
Dann schweigen die Schriftsteller bis Karls
Grab durch Kaiser Otto III. im Jahre 1000
geöffnet wird.
Über die Vorgänge bei dieser Eröffnung
hat sich der Bericht eines Augenzeugen er-
halten. Graf Otto von Lomello hat im Kloster
Novalese bei Turin seine damaligen Erlebnisse
erzählt. Der Chronist, welcher sein Werk
zwischen 1025 und 105017) geschrieben hat,
berichtet wie folgt:18)
„Post multa itaque annorum curricula tertius
Otto imperator veniens in regionem ubi Caroli
caro iure tumulato quiescebat, declinavit utique
ad locum sepulture illius cum duobus epis-
copis et Ottone comite Laumellensi; ipse
") »Monumenta Germ, hist.« Script. II. (Thegani
vita Hludovici). S. 592.
H) »Monumenta Germ, hist.« Poet. lat. aev. Carol.
I. 434.
u) »Monumenta Germ. hist.«. Poet. lat. II. 26 v. 87.
]«) -Monumenta Germ, hist.« Script. II. (Chronicon
Moissiacense.) S. 259.
17) Potthast, »Wegweiser durch die Geschichts-
werke« (Berlin 1896) Bd. 1, S. 281.
lä) »Monumenta Germ hist « (Chronicon Nova-
liciense.) (Hannover 1846) Script. VII. S. 106.
vero imperator fuit quartus. Narrabat autem
idem comes hoc modo dicens: Intravimus
ergo ad Karolum. Non enim iacebat, ut
mos est aliorum defunctorum corpora, sed in
quandam cathedram ceu vivus resi-
debat. Coronam auream erat coronatus,
sceptrum cum mantonibus indutis tenens in
manibus,' a quibus iam ipse ungule perforando
processerant. Erat autem supra se tugu-
riumexcalce etmarmoribus valde com-
positum. Quod ubi ad eum venimus, proti-
nus in eum foramen frangendo fecimus.
At ubi ad eum ingressi sumus, odorem per-
maximum sentivimus. Adoravimus ergo eum
statim poplitibus flexis ac ienua; statimque
Otto imperator albis eum vestimentis induit,
ungulasque incidit, et omnia deficientia circa
eum reparavit. Nil vero ex artibus suis
putrescendo adhuc defecerat, sed de sumitate
nasui sui parum minus erat; quam ex auro
ilico fecit restitui, abstraensque ab illius höre
dentem unum, reaedificato tuguriolo
abiit".
[Als daher nach vielen verflossenen Jahren
der dritte Kaiser Otto in die Gegend kam,
wo die Leiche Karls im Rechte des Grabes
ruhte, bog er zu dem Ort des Begräbnisses
jenes ab mit zwei Bischöfen und dem Grafen
Otto von Lomello. Er selbst aber der Kaiser
war der vierte. Es erzählte aber der Graf
dies folgendermaßen: Wir traten also zu Karl
ein. Denn er lag nicht wie es bei den
Körpern anderer Verstorbener Sitte ist, son-
dern er ruhte auf einer Art Thron
wie lebend. Mit einer goldenen Krone
war er bekrönt, das Szepter hielt er mit an-
gezogenen Handschuhen in den Händen, aus
denen schon die Nägel durchbohrend hervor-
gekommen waren. Über ihm war aber
eine Decke aus Kalk und Marmoren
schön zusammengesetzt. Wie wir auf
diese stießen, brachen wir sogleich
ein Loch hinein. Wie wir aber zu ihm
hinein getreten sind, spürten wir einen starken
Geruch. Wir verehrten ihn daher sogleich
mit gebeugten Knien und sogleich umgab ihn
Kaiser Otto mit weißen Gewändern, schnitt
die Nägel und ergänzte alles Fehlende um ihn.
Nichts aber hatte bisher an seinen Gliedern
durch Verwesen gefehlt, als etwas Geringes
an seiner Nasenspitze, das er aus reinem Golde
ergänzen ließ. Und nachdem er aus dessen
Munde einen Zahn entnommen und die