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Zeitschrift für christliche Kunst — 21.1908

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Reiners, Heribert: Das Chorgestühl des Domes zu Köln, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4126#0156

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271

1908- — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

272

In die größeren Felder hat der Künstler seine
Szenen hineinkomponiert und zwar jedesmal
ein weltliches und ein geistliches, frommes
Thema in Verbindung gebracht. Die beiden
Wangen, die dem Hochaltare zunächst stehen,
sind an der Außenseite ihres bildnerischen
Schmuckes beraubt worden und an dessen
Stelle ist das Wappen der Kurie getreten: ein
Kreuz, von einem Kranz umgeben. Auf der
Innenseite der südlichen Wange ist links die
Wurzel Jesse, rechts Abrahams Schoß dar-
gestellt. (Abb. 2.) Bei dem ersten Bilde ist der
Typus festgehalten, der uns an der Hildes-
heimer Decke zuerst entgegentritt: Jesse auf
dem Ruhebette, der Weinstock seinem Schöße
entwachsend. Die Ausläufer der Hauptäste, 16,
bilden die Köpfe der Ahnen Jesu. Der erste
ist an der Krone als der des David kenntlich,
die übrigen sind durch einen Spitzhut als
Juden charakterisiert. Den oberen Abschluß
bildet nicht Christus, sondern die jugendliche
Maria.

Das nebenstehende Relief, Abrahams Schoß,
zeigt den sitzenden Patriarchen, der über seinem
Schöße ein Tuch hält, worin fünf Seelen
knien, gleichmäßig nach vorne gewandt und
betend die Hände erhebend. Zu seinen Füßen
knieen zwei Engel und ebenso füllen zwei, die
einen Vorhang zurückschlagen, die oberen
Ecken aus, wobei der rechte ein Weihrauch-
faß schwenkt, der linke das Weihrauchschiff-
chen hält.

Auch in die bekrönenden Voluten sind an
dieser Wange zwei Darstellungen eingefiochten.
Bei der einen, einer Badeszene, sitzt eine nackte
weibliche Figur in einem strandkorbartig über-
höhten Kübel, in den eine Dienerin und ein
schwertgegürteter Mann Wasser schütten. Auf
der zweiten Szene sitzt auf einem Faltstuhl
eine unbekleidete Frau, über die zwei Diener
mit abgewandtem Antlitz einen Mantel breiten.
Der Künstler hat hier je eine Darstellung aus
dem alten und neuen Testamente in Ver-
bindung gebracht. Bei der ersteren, Davids
Vergehen bei Bathsebas Bade, konnte er natür-
lich den Vorgang nicht historisch getreu uns
erzählen, sondern begnügte sich mit dieser
nüchternen aber klaren Schilderung. Für eine
Deutung auf David und Bathseba spricht u. a.
die Verbindung der Dienerin mit dem gerüsteten
Manne. Was sollte sonst ein Krieger bei
dieser Szene tun ? Die zweite Darstellung, die
Taufe des neuen Bundes, zeigt den Augen-

blick, in dem der Täufling aus dem Wasser ge-
stiegen ist. Sehr geschickt sind diese beiden
Szenen gewählt, um durch sie das Reine dem
Unreinen gegenüberzustellen: Die Diener, die
Hilfe leisten, wenden ihr Antlitz ab, um sich
nicht zu verfehlen, während David der Ver-
suchung nachgibt. Dieser Gegensatz ist auch
zum Teil auf die Tiere, die sich in dem Blatt-
werk tummeln, übertragen. Unter der linken
Szene kauert ein affenähnliches Wesen, das
seine Augen mit der Pfote schützt und so
die Flucht vor der Sünde zum Ausdruck bringt
im Gegensatz zu dem korrespondierenden
Löwen auf der andern Seite. Die Spitze krönt
ein verschlungenes Paar, das man hier wohl,
ebenso wie das unter der rechten Volute als
Sinnbild der Unreinheit nehmen darf, während
ein drittes Paar mit gegeneinandergekehrtem
Rücken den Kontrast wieder herstellt.

Die beiden Vierpässe der korrespondieren-
den Wange der Nordseite (Abb. 3) zeigen
jedesmal ein weltliches Thema und zwar
rechts zunächst das Gastmahl eines Prassers.
Dieser sitzt mit seiner Frau oder Geliebten
hinter einer reichbesetzten Tafel, an deren
Vorderseite ein junger Diener den beiden
knieend Speise und Trank bietet. Rechts
steht ein Pilger, ob seines Gewandes und
der Tasche so zu deuten, und redet dem
Paare zu. Dieses aber wendet sich von ihm
mit abweisender Gebärde. Denn es will nicht
hören auf den geistlichen Mahner, der als
solcher durch das liturgische Zeichen in seiner
erhobenen Rechten charakterisiert ist. Auch
der Hund wendet sich knurrend gegen ihn.
In der Luft schlägt ein Teufelchen das Tam-
burin. Das Ende eines solchen Lebens schildert
die Nebenszene: der Prasser auf dem Sterbe-
bette. Ein Freund oder Arzt steht vor ihm
fühlt Puls und Herz, freilich an der rechten
Seite, wohl um den Tod festzustellen. Am
Fußende des Bettes ringt die Genossin seiner
Gelage verzweifelt die Hände und schaut mit
schmerzlicher Miene in des Scheidenden Ant-
litz. Der Teufel, der zu Lebzeiten sein Freund
war, hat ihn auch im Tode nicht verlassen.
Zwei dieser Gesellen, wenig anmutige Gestalten,
fliegen oben herum, und einer nimmt mit
hämischem Gesichte die Seele in Empfang,
die dem Munde des Sterbenden entsteigt.
Die beiden Szenen, als Einzeldarstellungen
seltener, sind hier in Anlehnung an die häufige
Wiedergabe des Gleichnisses vom reichen
 
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