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Zeitschrift für christliche Kunst — 21.1908

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287

1908. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

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neue Bahnen weisendes Kunstwerk geschaffen, wie
die italienische Barockkunst ihrer zu Dutzenden". Das
ist gewiß in den Augen jedes Historikers, der auch
Frankreichs Kunstgeschichte kennt, eine unbefriedigende
Einseitigkeit. Wer aber Riegls Arbeitskraft zu schätzen
weiß, der kann solche Stellen nur für Auswüchse
halten, die mit pietätvoller Hand weggeschnitten werden
mußten, wenn man einmal eine solche unausgegorene
Masse seiner Studien an die Öffentlichkeit zog. Wie
nachlässig die Herausgeber verfahren sind, zeigt z. B.
die Angabe über den Hof der Cancellaria in Rom
(S. 58), er sei „unter Sixtus V. für Kardinal Raffael
Riario gebaut" worden. Sixtus V. regierte bekanntlich
1585—90, und Kardinal Raffaello Riario ist 1521
gestorben. Nimmt man einen Druckfehler an, liest statt
der V eine IV, so wird es auch noch nicht richtig.
Der Erbauer ist unter Sixtus IV. (1471—1484) Kar-
dinal geworden; aber die Inschrift an seinem Palast
nennt ausdrücklich die Regierung Alexanders VI. Das
ist eine Nebensache, die sich jeder nachsehen kann; aber
solche historische Ungenauigkeiten kommen mehrfach
(z. B. auch S. 76) vor, wo sie nicht so kraß zutage treten.
Ganz unverzeihlich gegen das eigene Wollen und
die ausgesprochene Überzeugung des Lehrers bleibt
jedoch die Weglassung des zweiten Teils mit Bernini.
Da verlieren alle Erklärungen des Vorhabens, dieser
Entwicklungsperiode des Stils und diesem Meister zu
ihrem Recht zu verhelfen, ihren Sinn. Lieber hätten
Einschaltungen gestrichen werden sollen, die nur
lokalen Bedürfnissen an der Wiener Universität Rech-
nung trugen: „weil Geschichte der mittelalterlichen und
Renaissancebaukunst Italiens nicht gelesen wird", —
statt einen so wesentlichen und unentbehrlichen Be-
standteil des Ganzen, wie Riegl es gewollt, kurzer
Hand aufzugeben, weil er noch mehr Arbeit heischt.
Die übereilte Publikation des Bruchstücks läßt den
Beitrag des Meisters nicht nur zurückverfallen in die
Unterlassungssünde, die er selber rügt, wie sie bereits
vor ihm als solche erkannt und prinzipiell überwunden
war; sondern sie eröffnet auch in die Werkstatt des
rastlos arbeitenden Forschers einen Einblick, den wir
kaum anders denn als Indiskretion bezeichnen können-
Dieser ohne Auftrag gewährte Einblick zeigt den ganz
unleugbaren Übergang von einem frühern und unzuläng-
lichen Anlauf (1894) zu einem andern und fortgeschrittenen
Standpunkt (1898). Es darf nun der objektiven Betrach-
tung der Sachverständigen anheimgestellt bleiben, Rich-
tung und Endziel dieses offen vorliegenden Umschwungs
näher zu bestimmen.8) Für durchgreifende Organisation

kJ) Einen deutlichen Fingerzeig gibt soebenWöIfflinRepertorium
f. Kw. S. 357; man dürfe sieb durch Veränderung der Terminologie
nicht darüber täuschen lassen, daß Begriffe von Andern her-
kommen. Hiereinige Beispiele aus der „Grundlegung" : (Michel-
angelosjüngstes Gericht) Schmarsow: Umschwung —Vertikal-
achse— zwei magnetische Pole. Riegl: Rotierung um die
Achse. (Medicikapelle). S.: Verinnerlichung — seelischer Gehalt;
aber auch stärkere Unterlag? von Materie zur Durchgestaltung
erfordert (S. 55). R.: das Psychische in der Empfindung und
auch das tastbar Materielle gesteigert (57).—Nacktheit: S.:58.
R.:37. — (Pal. Farnese) S-: alle Geschosse zu einem Höheren
zusammengefaßt — vereinigt unter einer Stirn (84). R.: Zu-
sammenfassung der Massen in eine Einheit (73). Zusammen-
fassen in eine höhere Einheit (76), vgl. Schm. 68, 72. Man
vergleiche den Ausdruck „Dominante" beim letzten Vorgänger
und bei Riegl, ebenso die Beobachtung über die3 Dimensionen!

eines weitschichtigen Stoffes war Riegl ohne Zweifel
minder gücklich begabt als für eindringliche Analyse
des Einzelnen und energischen Verfolg seiner Beobach-
tungsreihen. Die gleichmäßige Bewältigung der ge-
samten Barockentwicklung nach allen Seiten hinaus
erfordert mindestens noch die Arbeit einer ganzen
Generation, und zwar in getreulichem Zusammenstehen
unter leitenden Gesichtspunkten. Solche historische
Leistung ist niemals die Sache eines Einzelnen, kann
nur die langsam reifende Frucht gemeinsamer Pflege
sein. Damit wollen wir uns auch dieses unfertigen
Gußes trösten, der mitten im Verschmelzungsprozeß
erstarrt ist, und zerbröckeln muß.

Leipzig. Schmarsow.

Die „Berühmten Kunststätten" von E. A.
Seemann in Leipzig, hier des öfteren besprochen und
empfohlen, zuletzt in dem Referat (XX 287/88) über
den vortrefflichen Führer durch Köln von Renard,
haben eine sehr zweckgemäße Umgestaltung erfahren,
indem sie mit dem XXXXI. Bande in kleinerem
(Taschen-)Formate und biegsamem Einbände erscheinen,
ohne an der Fülle ihres textlichen, wie illustrativen
Inhaltes Einbuße zu erleiden, dank anderen, übrigens
sehr scharfen Typen, und dünnerem, aber den Abbil-
dungen noch günstigerem Papier. — Wie die ge-
schickte Auswahl der Verfasser, denen mannigfach, bei
der Unzulänglichkeit der Vorarbeiten, sehr schwierige
Aufgaben gestellt waren, schon früher in den meisten
Fällen, trotz den Verschiedenheiten ihrer Methoden,
vornehmlich den Erfolg der langen Serie bewirkt hatte,
so verstärkt die Neue Folge das alte Vertrauen noch'
durch die Auswahl der Kunststätten, wie ihrer Be-
arbeiter. Daß im neuen Gewände bis dahin stark ver-
mißte Städte erscheinen, wie 41 Athen von Petersen;
42 Riga und Reval von Neumann; 43 Berlin
von Osborn; 44 Assisi von Goetz; 45 Soest von
H. Schmitz, wird freudige Überraschung bereiten, nicht
minder der Umstand, daß trotz des je über 100, selbst-
verständlich vortreffliche Abbildungen umfassenden
Illustrationsapparates und trotz des für die Reisezwecke
sehr geeigneten Kalikoneinbandes, der Preis nur 3 Mk.
(Berlin mit 178 Abbildungen 4 Mk.) beträgt. — Neben
Athen werden besonders die alten Hansastädte Riga
und Reval, sowie das kirchenreiche Soest für manche
Leser sich als Kunststätten ungeahnter Bedeutung
offenbaren. — Dem längst geschätzten Unternehmen
ist daher in der verbesserten Gestalt neuer Zuspruch
nicht nur zu wünschen, sondern auch vorherzusagen.

Schnütgen.

„Benzigers Marienkalender" und „Ein-
siedlerkalender" für 1909 (50 bzw. 40 Pf.)
zeichnen sich durch zahlreiche gute Abbildungen, religiöser
und profaner Art aus, unter denen je ein farbiges Titel-
bild. Sie dienen zumeist als Illustrationen den Ab-
handlungen und Erzählungen, die in großer Mannig-
faltigkeit der frommen Erwägung, der geschichtlichen
Belehrung, der Aufklärung über die Bestrebungen der
Zeit, der Unterhaltung gewidmet sind, das Interesse
weit über die Schweizer Grenze hinaus in Anspruch
nehmend. B.
 
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