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Zeitschrift für christliche Kunst — 21.1908

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Schnütgen, Alexander: Drei rheinische Holzmadonnen des XIII. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.4126#0167

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291

1908 — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

292

Köln (Maria im Kapitol, St. Cäcilien, St. Pan-
taleon [Museum], Brauweiler) keine hinreichen-
den Anhaltspunkte, um sie für Köln in An-
spruch zu nehmen; wohl aber begegnen auf
dem Aachener Marienschrein in den sitzenden
Gestalten, namentlich auch der Gottesmutter,
manche verwandte Motive, obgleich die Treib-
technik von selbst zu einer etwas breiteren,
bewegteren Behandlung fährte. Wenn dabei
der Einfluß in Rechnung gebracht wird, der
von der Maas nach Aachen hin ausgeübt
wurde, besonders von Lüttich aus, wo die
Plastik schon vom Beginn des XII. Jahrh. an
einen hohen Aufschwung nahm, dann liegt
die Vermutung nahe, daß die vorliegende
Figur in Aachen entstanden ist, wobei freilich
die Verwendung des, in Frankreich mit Vor-
liebe verwendeten, Eschenholzes als eine Aus-
nahme zu betrachten wäre.

2. vor stark 20 Jahren im Kölner Kunst-
handel erstanden, ist aus einem Eichenblock
skulptiert, mit hohlem Rücken und Sedile, das
auf jeder Seite zwei oblonge Schlitze zeigt als
einfachen Ersatz für die sonst hier gebräuch-
lichen Fensterdurchbrechungen. Die Höhe
beträgt 92 cm, die Breite 28 cm, die untere
Ausladung 27 cm. — Obwohl diese schlanke
Figur mit starkem Kopf noch romanische
Reminiszenzen zeigt, namentlich in der Hal-
tung, Gesichtsgestaltung und Faltengebung des
Kindes, so gibt sie sich doch durch die Fälte-
lung des Untergewandes und dessen Gürtel,
durch die Draperie des Schoßes, durch das
Haupt und seine gewellten Haare, endlich
durch den Drachen (dessen Kopf übrigens
neueren Ursprungs ist), als eine frühgotische
Leistung zu erkennen, die wohl kurz vor
Schluß des XIII. Jahrh. zu datieren ist. Sie
ist sehr verwandt einer, vielleicht noch
etwas älteren bekrönten Madonna mit fast
identischer Drachengestaltim Kaiser-Friedrich-
Museum. — Daß sie im Rheinland entstanden
ist, unterliegt kaum einem Zweifel; der kölnische
Ursprung ist um so wahrscheinlicher, als hier
um diese Zeit neben dem Nußbaum noch die
Eiche stark im Dienste der Plastik stand. —
Zwischen der Mutter und dem Kinde waltet,
trotz der vertraulichen Haltung der linken
(sehr derben) Hand, noch das frühere Ver-
hältnis einer gewissen Zurückhaltung ob, die
hier durch das offene Buch und die Lehr-
tätigkeit, die es anzeigt, um so verständlicher

ist. Die Mutter hielt mit der Rechten ohne
Zweifel das Szepter. — Die Polychromie be-
steht in einem einfachen älteren Anstrich.

3. ebenfalls in Köln erworben, vor zirka
80 Jahren, bis auf die Karnationsteile und
den Hermelinumschlag des Mantels, auf Kreide-
grund glanzvergoldet; zeigt den älteren, von
Byzanz übernommenen Typus des ganz nach
vorn schauenden, dominierenden Kindes,
dessen Knie stark gespreizt sind, wie die der
Gottesmutter, deren Kopf allein den etwas
späteren Ursprung verrät, mit der gleich-
zeitigen reichen Polychromie. — Höhe 58 cm,
Breite 27 cm, untere halbkreisförmige Aus-
ladung 24 cm. Die Figur ist aus Nußhaumholz
hohl geschnitzt, auf der Rückseite mit einem
flachen Brett geschlossen, einschließlich des
Sessels, auf dem sie sitzt. Dieser ist den der
romanischen Periode geläufigen Stühlen mit
ihren gedrechselten, lasurbemalten Stollen nach-
gebildet. Wie die Vorderseite mit rauten-
förmigen vertieften Goldmusterungen verziert
ist, so jede der • beiden Seitenfüllungen mit
frühgotischen lasierten Maßwerkblenden.
Der reife Gesichtsausdruck des segnenden
Kindes, welches noch den etwas starren byzan-
tinischen Charakter hat, auch die Behandlung
des Brustschmuckes, nach Art des Rationale,
bei Mutter und Kind, sind noch im Sinne
der Madonnen des XII. Jahrh. gehalten, in-
dessen der weiche lächelnde Ausdruck des
bemalten Madonnenkopfes, der noch die volle
schmelzartige Frische zeigt, auf späteren
Ursprung hinweist, etwa auf die letzten Jahr-
zehnte des XIII. Jahrh., in denen er zu Köln
üblich zu werden begann. — Daß in diese
frühgotische, gerade in Köln ungemein produk-
tive Periode auch einige Gewandfalten, nament-
lich die des rechten Armes und der Brust wohl
passen, fällt deutlich genug auf, so daß sich
die Vermutung aufdrängt, ein mirakulöses
Madonnenbild habe hier von Künstlerhand
eine etwas spätere freie Nachbildung er-
fahren. — Daß auf diese großer Wert gelegt
wurde, mag die ungewöhnlich reiche Fassung
bestätigen, wie sie das XIU. Jahrh. bereits
einführte nach dem Vorbilde der so beliebten
glänzenden Metalldekorationen in Filigran und
Steinen. Den Filigran ersetzte der vergoldete
Stuck, in den sich die Bergkristalle und bunten
Glasflüsse sehr wirksam einfügten, hier zum
Teil noch wohl erhalten. Scliniitgeh.
 
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