Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 21.1908

DOI Artikel:
Firmenich-Richartz, Eduard: Zur Wiederherstellung des Clarenaltares
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4126#0194

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
341

1908.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST - Nr. 11.

342

in ihren künstlerischen Qualitäten keineswegs
überein. Die unteren Darstellungen verdienen
im allgemeinen den Vorzug.

Nachdem eine moderne Transformation
zum Reinmalerischen den Bildern des Claren-
altares ihre herbe Strenge genommen und alle
Härten ausgeglichen hatte, sprach man sie
als zartsinnige Ergüsse einer durch die Mystiker
Eckhart, Tauler und Suso inspirierten naiven
Frömmigkeit an. Man nannte nach de Noels,
Moslers und Passavants Vermutung als Ur-
heber den vielgepriesenen Meister Wilhelm,
der laut Erwähnung des Limburger Chronisten
von 1380 als ältester die Reihe großer deutscher
Maler eröffnet. Diese Zuweisung beruhte
jedoch nicht etwa auf historischer Grundlage,
sondern ging aus der Überzeugung hervor,
daß jener Bilderzyklus aus der Jugend Jesu
nur einem hervorragenden Künstler zukomme.

Inzwischen hatten Kölner Lokalforscher,
der Archivar Leonard Ennen13) und J. J.
Merlo14) gefunden, daß der Maler Wilhelm
von Herle 1358 bis 1372 als Werkstattinhaber
und Hauseigentümer in den Schreinsbüchern
genannt wird. Seit 9. März 1370 bis zum
3. Juni 1372 war Wilhelm von Herle in der
glücklichen Lage, 7 mal namhafte Erb- und
Leibrenten für sich und seine Gattin Jutta zu
erwerben, ein Umstand, der auf eine besonders
fruchtbare Tätigkeit in diesen Jahren schließen
läßt. 1370 August 14. empfing „magister
Wilhelmus" den Lohn für Miniaturen im neuen
Eidbuch. Er stand damals im Dienste der
Demokratie, der es nach einer Erhebung ge-
lungen war, eine neue Verfassung zu dekre-
tieren, welche ebendiese Handschrift enthielt.
In dem Rechnungsbuch der Mittwochs-Rent-
kammerib) findet sich ferner zum 27. November
.1370 noch die Eintragung (Fol. 22a): »Item
pictori pro pictura domus civium 220 mr.«
(c. 8000 Reichsmark), eine Position, die zuerst
von L. Ennen ebenfalls mit dem Meister
Wilhelm in Zusammenhang gebracht wurde,
und zwar nicht ohne annehmbare Begründung.
Bezahlungen für Malerarbeiten sind im Rech-

*') L. Ennen in der .-Kölnischen Zeitung<: (1S59)
Nr. 219, 239; (1864) Nr. 253, 274; ;Annalen des
histor. Vereins für den Niederrhehu (1859) S. 212 fg.

I4) J. J. Merlo: : Nachrichten von dem Leben und
den Werken Kölnischer Künstler« (1850).

l4) J. I. Merlo: . Annalen des histor. Vereinst
(1883) Heft 39 S. 141. — W. Stein: Akten zur
Geschichte der Verfassung und Verwaltung der Stadt
Köln« (1893) 1. S. XX.VITT ff.

nungsbuch häufig notiert, doch nur drei Meister
werden je einmal mit Namen genannt, außer
Meister Wilhelm noch Tilman Eckart 1375
Juni 20. und der Schildermacher (clipeator)
Christian Empgin 1380 Mai 16. Zweifel an
der Person des Empfängers mußten auch bei
kurzen Zahlungsvermerken als Ausweis für
Beteiligte ausgeschlossen bleiben. Darum hat
Merlo bei anerkannter Akribie in einzelnen
Fällen übereinstimmende Positionen auf den
vorher erwähnten Meister bezogen. Der Ver-
merk über die bezahlten Malereien im Rat-
haus als das nächste vollendete künstlerische
Unternehmen folgt auf die Begleichung jener
Miniatur des Meister Wilhelm. Schwerlich
dürfte ein Zunftmeister, dessen Name das
Rechnungsbuch überhaupt nicht enthält, hier
als Urheber in Frage kommen. Es läßt sich
auch kaum ein plausibeler Einwand erheben,
um die Identität einiger 1859 aufgedeckter
Reste von Wandbildern im Hansesaal des
Rathauses mit den 1370 bezahlten Leistungen
zu bestreiten.

Vier Köpfe von Philosophen oder Propheten
in phantastischem Aufputz, umschlossen von
gotischem Maßwerk waren noch deutlich er-
kennbar. Sie erweisen sich durch erlesene
Feinheit und Schwung der Linienführung bei
weicher toniger Färbung16) als die Schöpfung
eines ausgezeichneten Künstlers. Mit ihnen
wurde auch die kleinere Gestalt eines deutschen
Königs von einer gemalten Brüstung im Hanse-
saal in das Wallraf-Richartz-Museum (Nr. 335/39)
verbracht. Der böhmische rote Löwe im
Wappen charakterisiert diese Figur als Karl IV.,
welcher 1349 und 1355 der Stadt Köln Privi-
legien verliehen hatte. Das Spruchband in
seiner Hand zeigt die Aufschrift: ,,/r suelt des
ryches 7ioet besinnen wael vp verlies ind vp
gewinnen." Die Popularität der Mahnungen
dieser und ähnlicher Gestalten im Rathaus
bekundet eine Abschrift aus dem XV. Jahrh.
im Stadtarchiv.17) Nach ihr erfolgte auch die
Ergänzung der zum Teil verschwundenen
Buchstaben. Sinnige kleinere Szenen in Drei-
und Vierpässen voll Humor und manigfachen
Anspielungen an Fabeln, Sagen, Legenden

16) Die Prophetenköpfe wurden von W. Batzem
restauriert, und da zahlreiche Stücke der Malfläch°n
abgeblättert waren, ist der Gesamtcharakter der Farben
bei der Ergänzung alteriert. Die beigefügte lllustrafon
(A. 3) gibt ein Fragment vor der Wiederherstellung wieder.

17) E. Weyden im »Organ für christl. Kunst«
XIV (1804) Nr. 17.
 
Annotationen