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Zeitschrift für christliche Kunst — 21.1908

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Poppelreuter, Josef: Die Madonna mit der Wickenblüte, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4126#0199

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351

1908.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

Nr. 11.

352

fand" (Sulp. Boiss. 1,17); fernere Beispiele sind
der „Ciarenaltar", aus dem Ciarenkloster „das
Bild aus der Rathauskapelle", als ständige
Bezeichnung für die später eintretende „Dom-
bild" usw. usw. Bei der Madonna mit der
Wickenblüte, welche ein De Noel, der doch
Wallrafs Erwerbungen stets verfolgt hatte, als
ein hervorragendes Stück Meister Wilhelms
bezeichnen wollte, fehlt dergleichen völlig.
Sie kommt aus dem Dunkeln. Auch das ist,
wenn nicht ausschlaggebend, so doch nicht
geeignet, das Vertrauen zu erhöhen.

Hier könnte der Beweis abgeschlossen
werden; dasjenige was mit den Augen wahr-
nehmbar ist, was heute für uns die Madonna
mit der Wickenblüte ausmacht, ist im Mal-
verfahren des XIX. Jahrh. hergestellt.

Freilich wird sich der Verfasser nicht dem
Optimismus hingeben anzunehmen, daß nun-
mehr das Stückchen, das mehrere Menschen-
alter hindurch so viele Liebe gefunden, mit
dem so viele namhafte Spezialforscher, die
einen durch Reden, die andern durch Schweigen,
verbunden sind, ohne weiteres preisgegeben
werden wird. Aber ich kann nur wiederholen,
was ich andeutete: im besten Falle würde man,
entschlösse man sich wirklich zur Auflösung
der sichtbaren Schichten, darauf stoßen, daß
der Verfertiger ein altes Brett genommen, auf
dem noch unwesentliche Farbenreste vor-
handen waren, die vielleicht sogar einer anderen
Zeit und Kunstprovinz angehörten, und das-
jenige, was heute zutage liegt, garnicht stilistisch,
vielleicht nicht einmal im Sujet mitbestimmt
haben. Für die unangebrachte Dornenkörnung
der Rückseite halte ich selbst dies für aus-
geschlossen ; sie ist freie Erfindung oder vielmehr
Pasticcio aus allenthalben zusammengeholten
Motiven. Bestenfalls am vorderen Mittelbilde
würde sich vielleicht etwas finden. Indes nach
der Untersuchung, nach welcher die Fleisch-
partien so blank und dünn auf dem weißen
Grunde liegen, ist auch das unwahrscheinlich, so
daß zu einer Abwaschung, in der Erwartung
etwas Wertvolles darunter zu finden, wie beim
Clarenaltar, nicht geraten werden kann. Dann
wird man besser tun, das Bildchen, wie es ist,
in der Galerie zu belassen, aufrichtig als
Neuschöpfung des XIX. Jahrh. zu bezeichnen
und so ein Denkmal an jene Zeit sein zu
lassen, in welcher Köln der Mittelpunkt des

nationalen Aufschwungs zum Studium alt-
deutscher Malerei war. Auch so ist es für
unsere Stadt keineswegs wertlos geworden.
Unwillkürlich wirft nun der Sammler, nach-
dem eine solche Aufdeckung geschehen ist,
die Frage nach dem Urheber auf, in der Regel
indes mit wenig Hoffnung, sie zu beantworten.
Selbst bei Fälschungen vom heutigen Tage
muß er sich meist begnügen, die Fälschung
an sich festzustellen, ohne den Urheber
aufdecken zu können; wie vielmehr bei
einer solchen, deren Entstehung so weit
zurückliegt, mag es sich nun um direkten
Betrug, um eine künstlerische Mystifikation,
was mir wahrscheinlicher erscheint, oder um
eine getrübte Überlieferung handeln, das
letztere in dem Sinne, daß ein als eine Imitation
offenkundig geschaffenes Werkchen allmählich
unter die echten Stücke aufgenommen wurde.
Fast könnte man überhaupt einwerfen, es sei
müßig, der Frage nachzugehen; und freilich,
geschieht das gegenüber Objekten, welche in
der Gegenwart auftauchen, so dient es dem
Zweck der zukünftigen Bekämpfung; in einer
so weit zurückliegenden Vergangenheit aber
fällt auch das weg. Indes für den Kunst-
historiker, der sich für die Malereigeschichte
des XIX. Jahrh. interessiert, und auch für
den Kölner Sammler von heute im besonderen
hat es einen gewissen Reiz, sich eine kurze
Weile in das ganze Künstler-, Sammler- und
Kunstgelehrtenmilieu des Köln vom Beginn
des XIX. Jahrh. zurückzuversetzen, und be-
antwortet er dann auch jene Frage nach dem
Urheber nicht mit Namensnennung, so wird
er doch, sofern er zeigt, daß der Boden für
eine solche Neuschöpfung im allgemeinen da
war, für jeden, bei dem noch ein Rest des
Mißtrauens zurückgeblieben sein könnte, daß
man in der letzten Zeit am Rhein wichtige
kunstgeschichtliche Urkunden leichtfertig be-
handelt habe, auch diesen letzten Rest be-
seitigen. Und so seien dieser Frage etliche
Abschnitte gewidmet.1) (Fortsetzung folgt.)

Köln. Po ppel r euter.

') Auf die in der »Kölnischen Zeitung« Nr. 31, 36
und 41 gemachten dankenswerten Mitteilungen aus dem
Kölner Stadtarchiv und die daraus gezogenen Schlüsse
gedenke ich in der Fortsetzung zurückzukommen,
 
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