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Zeitschrift für christliche Kunst — 21.1908

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Poppelreuter, Josef: Die Madonna mit der Wickenblüte, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4126#0215

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381

1908.

— ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.

382

oder er befestigte die locker gewordenen
Scharniere, oder er versuchte die damals schon
eingetretenen Folgen unsoliden Malverfahrens
zu heilen usw., oder aber auch: er machte,
einem Verdachte folgend, Auflösungsversuche,
überzeugte sich, daß die Sache bedenklich war,
deckte wieder zu und — schwieg.

Es wird uns nun weiter in diesen Aus-
führungen vorgetragen, daß der junge Belgier
der Missetäter am Ciarenaltar gewesen sei und
zwar in den 30 er Jahren, bald nach seiner
Übersiedlung nach Köln,11) während De Noel
Konservator des Museums war. Zunächst
basieren die gesamten Ausführungen auf dem
vorausgeschickten Satze, daß Wallraf so gut
wie gar nicht habe restaurieren lassen, während
es dann erst nach seinem Tode mit dem
Restaurieren losgegangen sei. Bei dieser Vor-
ausschickung ist das von mir oben aufgeführte
klare Zeugnis Schinkels vom Jahre 1816 über
die große Restauratorentätigkeit unter Wallraf,
sowie die sonst bezeugte Tätigkeit dieser Art,
außer acht gelassen. Sodann aber wird der
Leser, wenn er am Schlüsse der Ausführungen an-
gekommen ist, einen Widerspruch herausfühlen:
auf der einen Seite nämlich wird die steigende
Exaktheit der Stilstudien in Sachen altkölnischer
Malerei nach Wallrafs Tode namentlich bei
De Noel vor Augen geführt, auf der anderen
Seite soll gerade jetzt die Stunde dagewesen
sein — für die allerseltsamsten Stilfälschungen
unter De Noels Augen.

In der Tat liegt die Sache nun aber so: was
die Berufung Lorents heißt, das lehrt uns
sofort der technische Vergleich der Nummern,
welche er von den heute noch vorhandenen
Wallrafschen Bildern nach jenen dankens-
werten Mitteilungen aus dem Kölner Archiv
restaurierte: es sind wirkliche, trockene Repara-
turen. Es heißt also: 1826 hatte De Noel
Gründe, einen echten und rechten Restaurator
zu berufen. Niemals aber hat derjenige Lorent,
der jene anderen Nummern der Sammlung
ehrlich reparierte, mit Hilfe der ihm geläufigen
technischen Mittel aus einer Ruine die heutige
Madonna mit der Wickenblüte hergestellt.
Denn sie ist technisch von jenen Reparaturen
verschieden wie Tag und Nacht. Daß De Noel
1834 in seinem Domwerk den unfertigen Zu-

n) Wenn Firmenich-Richartz das akzeptiert (s. voriges
Heft), so muß ich gestehen, daß ich das recht bescheiden
finde. Etwas besser vorbereitet sind solche welttäuschen-
den Stilfälscbungen denn doch gewesen.

stand des Ciarenaltars beklagte. 1837 in der
zweiten Auflage sich entschloß zu schweigen,
auch daß Lorents Witwe später für geschehene
Arbeiten liquidierte, wobei die Restaurations-
kunst sich vielleicht auch für Kleinigkeiten
tüchtig bezahlen ließ, — es waren übrigens nur
400 Taler — das beweist doch beileibe nicht,
daß Lorent der Urheber der Umstilisierung
war. Bis zum Jahre 1861, in welchem ganz
grobe Restaurations-- und Vergoldungsarbeiten
am Altar vorgenommen wurden, konnten der
Dinge mancherlei geschehen. Es ist heute
aus dem Wust der an den Außenflügeln und
den Tabernakelklappen übereinanderliegenden
Schichten nicht mehr zu sehen, in welcher
Reihenfolge und in welchen Zwischenräumen
Arbeiten aufgenommen und wieder abgebrochen
wurden, ob man vielleicht abzuputzen anfing
und dann wieder zudeckte. Eines aber ist an
manchen Stellen der Malereien auch der
Innenflügel ersichtlich, daß an den falschen
Übermalungen im Laufe der Jahrzehnte schon
wieder Restaurationen vorgenommen werden
mußten, was, wenn die Übermalungen schon
um 1820 entstanden, nichts Verwunderliches hat.
Wer sich im übrigen klar machen will,
was Lorents Berufung bedeutete, wird sie be-
trachten müssen im Zusammenhang mit dem
ganzen Zuge der Zeit auf eine Verbesserung des
Restaurationswesens, worüber ich mancherlei
schon oben anführte. Ich erinnere hier zum
l Schlüsse nur daran, daß in den gleichen Jahren,
in welchen Lorent nach Köln berufen wurde,
von Weimar aus ein Maler nach Dresden
entsandt wurde, mit dem besonderen Auftrag,
sich bei Palmaroli für die Weimarer Restaura-
tionszwecke zu bilden. Statt alles anderen
aber setze ich die Worte hierher, welche sich
in dem Schriftchen des Boisseree'schen Restau-
rators C. Köster „Über Restauration alter Öl-
gemälde" finden. Es heißt da auf Seite 28
des dritten Heftes: „Das Restaurieren wird
immer unentbehrlicher. Die Bangigkeit, daß
Verheerungen eintreten, bleibt sich aber so-
lange gleich, bis ein Institut errichtet wird,
wo der Zweck, junge Restauratoren definitiv
auszubilden, vorwaltet, wo also Berufene sich
das ablangen könnten, was ihnen noch fehlt, das
me'tier". So geschrieben im Jahre 1830. Lorent,
bei seinem Vater am Genter Altar herangebildet,
war eben vom metier. Ich sehe in seiner Berufung
die Abwendung von früherer Mißwirtschaft.

Köln. Jos. Poppelreuter.
 
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