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Baumeister: das Architektur-Magazin — 9.1911

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Heft 10
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Westheim, Paul: Der Stadtbaumeister
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https://doi.org/10.11588/diglit.54602#0126

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118

DER BAUMEISTER . 1911 JULI.


Kleinwohnungen für gemeindl. Bedienstete und Arbeiter, München.
Ansicht Gaisacherstrasse.
noch das sein, was sein Amtsvorgänger ein oder
gar zwei Generationen zurück gewesen ist. Fritz
Schumacher, jetzt selbst an der Spitze eines der
grössten Stadtbauämter, hat vor Jahren einmal in
seinen „Streifzügen eines Architekten“ mit weitaus-
ladender Geste die Situation des architektonischen
Stadtleiters gezeichnet, vielmehr alle diejenigen Auf-
gaben zusammengefasst, die neu und kaum einmal
durch eine Tradition gelöst auf ihn einstürmen. Wenn
er die Oberbürgermeister unserer Grossstädte in
Parallele setzt mit den kunstbeherrschenden und
kunstfördernden Mäcenaten der alten Zeit, so hätte
er den Stadtbaumeister vergleichen können mit der
ganzen kunstschaffenden Sippe, die ein solcher
Mäcen um sich zu sammeln pflegte. Liegen doch
hier in einer Hand vereinigt so viele schöpferischen
Aufgaben und so viel künstlerische Verantwortung,
wie sie früher ganze Werkstattgruppen nicht hatten.
Man denke nur an den weiten Umfang der Hoffmann-
schen Tätigkeit in Berlin, denke an Buch, wo unter
seinen vielbeschäftigten Händen so nebenbei eine
ganze Stadt entstanden ist, man denke schliesslich
an dieses Vielerlei von Verwaltungsgebäuden, Schulen,
Bibliotheken, Markthallen, Wasserwerken, Brücken,
Feuerwachen, Krankenhäusern usw., was alljährlich
in deutschen Städten gebaut werden muss.
Wir, die wir den Städtebau nicht mehr mechanisch,
sondern künstlerisch aufgefasst sehen wollen, denen
eine Wohnlichkeit im weitesten Sinne als das zu er-
strebende Ziel vorschwebt, sind nicht wenig erstaunt
über die Tatsache, dass heute der Stadtbaumeister
eigentlich keinerlei Macht hat über den für seine
gesamte Tätigkeit grundlegenden Faktor: d i e S t a d t -
an läge. Der Stadtplan und seine Baufluchtlinien
gehen ihn von Amts wegen nichts an. Sie gehören
nach alter, aber keineswegs guter Sitte in das Tief-
bauressort. Es ist ja zweifellos richtig, dass bei allen
diesen Fragen der Stadterweiterung, der Gelände-
aufschliessung und Strassenfestsetzung eine Unsumme
von technischen Voraussetzungen zu bewältigen ist,
dass der Architekt gar nicht auskommen könnte
ohne die weitgehendste Unterstützung des Technikers,
allein es erscheint uns doch als ein unhaltbarer Zu-
stand, ihn, der immerhin das künstlerische Gewissen
in der Stadtverwaltung repräsentiert oder wenigstens
repräsentieren sollte, gänzlich auszuschliessen von der
Stelle, wo der Organismus seine eigentliche Struktur
erhält. Im Gegenteil, wenn wir die Grundgedanken
der neuen städtebaulichen Bestrebungen richtig er-
fasst haben, so ist doch ihr Ziel nicht eine Ausschaltung,

Kleinwohnungen für gemeindl. Bedienstete und Arbeiter, München.
Erker an der Thalkirchnerstrasse.
Arch. Rob. Rehlen, München.
 
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