Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — 1.1922

DOI Artikel:
Braun, Edmund Wilhelm: Eine Sammlung italienischer Skulpturen in Wien
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.52117#0070

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
mit Recht dem aus Padua stammenden Domenico di Paris (genannt Domenico
da Cavallo) zugeschrieben, der während der zweiten Hälfte des 15. Jahr-
hunderts in Ferrara als Gehilfe und Nachfolger des Nicolö Baroncelli tätig
war (Abb. Tafel XXIV, T20 cm). In tiefen Farben prunkt die Gestalt; der bis zum
Haupte hinaufgezogene Mantel ist blau, das Gewand rot, während die Augen
und das schlicht gescheitelte Haar dunkelbraun bemalt sind. Die feierliche
statuarische Ruhe der in strenger Frontalstellung gegebenen Figur, die zier-
liche Faltenbehandlung der Gewandung, die vornehme, gelassene Hoheit des
Madonnenkopfes und das feine Kinderköpfchen vereinen sich zu einem
starken und tiefen Eindruck. Wir wissen, daß der Meister neben Bronze-
güssen auch Terrakotten angefertigt hat. So besitzt das Berliner Kaiser-
Friedrich-Museum von seiner Hand ein Hochrelief aus gebranntem Ton, eine
MadonnaJ, die das vor ihr liegende Kind betrachtet. Noch näher aber stehen
unserer Madonna die dekorativen, prächtigen, figuralen Details von dem 1467
entstandenen Hauptwerke Domenicos, dem reichen Stuckfries in der Anti-
camera des Salone im Palazzo Schifanoja zu Ferrara. Vergleicht man die bei
Venturi1 2 auf Seite 810 bis 815 abgebildeten sitzenden Gestalten der Tugenden
und die schönen Puttenfiguren, so wird man dieselben Stilelemente wieder-
finden. Vor allem ist es derselbe Typus des schmalen, leicht gesenkten Frauen-
kopfes mit der breiten hohen Stirne, die zierliche Fältelung des Untergewandes;
die Hand liegt in der gleichen Art etwas groß und unsicher auf der Fides-
figur des Schifanoja-Frieses wie bei der hier abgebildeten Statue und endlich
stimmt die Modellierung des kräftigen Kinderkopfes genau überein.
Sehr reichhaltig sind in der Sammlung venezianische Skulpturen vertreten.
An der Spitze steht ein monumentales, eindrucksvolles, weißes Marmorrclief
des 14. Jahrhunderts (Abb. Tafel XXV, 69 X 48 cm). In der Mitte des Hochreliefs
sitzt in feierlicher Ruhe, vollkommen frontal aufgefaßt, die Madonna auf einem
beiderseits durch Pilaster mit gotischer Kreuzblumenbekrönung flankierten
Throne mit Kissen. Dahinter an einer Stange der gefältelte Vorhang. Auf
dem linken Knie sitzt das segnende, ganz bekleidete Christuskind; das runde
Köpfchen ist mit kurzgelocktem Haar bedeckt und die Rechte segnend er-
hoben. Links zu den Füssen Marias kniet mit betend erhobenen Händen ein
Stifter.
Die grundlegende ausgezeichnete Arbeit von Planiscig über die „Geschichte
der venezianischen Skulptur im 14. Jahrhundert“3 gibt uns glücklicherweise
die Möglichkeit, das schöne Relief genau zu bestimmen. Planiscig bildet auf
Tafel XVI ein Madonnenrelief der Estensischen Sammlungen zu Wien (Neue
1 Schottmüller, Die Bildwerke der italienischen Frührenaissance. Nr. 275.
’ Storia dell’ arte italiana, VI.
3 Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses, XXXIII, 1915.

42
 
Annotationen