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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — 1.1922

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Suida, Wilhelm: Aus dem Kreise des Michael Pacher
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https://doi.org/10.11588/diglit.52117#0053

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AUS DEM KREISE DES
MICHAEL PACHER
WILHELM SUIDA

Das persönliche Lebenswerk des großen Michael Pacher aus der reichen
Produktion einer ganzen Generation tirolischer Künstler herauszu-
schälen, ist eine kunstgeschichtliche Aufgabe, die heute noch als nicht
völlig gelöst bezeichnet werden kann. Wir haben an den Beispielen von Giotto
und Leonardo gelernt, daß der einseitige Versuch des Heraushebens persön-
lich vorzüglicher /Arbeiten aus einer Menge verwandter nur sehr unsichere
Resultate ergibt. Erst wenn auch von der anderen Seite her intensive For-
schung einsetzh die Persönlichkeiten der Schüler und Nachfolger klar gefaßt,
in ihrer individuellen Eigenart festgestellt werden, gewinnt das Bild der füh-
renden Persönlichkeit und ihrer Wirkung auf die Umgebung jene Klarheit, die
ein Herausheben ganz bestimmter Stücke als seiner persönlichen Leistung
erlaubt.

Bei Michael Pacher sind wir von vornherein nicht besser und nicht schlechter
daran als bei Giotto oder Leonardo. Hat auch sein Name über die Jahr-
hunderte nicht so glanzvoll geleuchtet wie die der großen Italiener, so sind
doch die dokumentarischen Grundlagen zur Erkenntnis seines künstlerischen
Wirkens so ziemlich analoge. Wir wissen, daß er als Unternehmer die Durch-
führung einiger großer Ältarwerke übernommen hat, von denen wenigstens
eines noch intakt besteht. Wie weit daran sein persönlicher Anteil geht, hat die
Stilkritik allein zu entscheiden. Wir kennen durch bezeichnete Arbeiten zwei
Künstler verwandter Richtung, Friedrich Pacher und Marx Reichlich. Friedrichs
bezeichnete Tafel von 1483 ist zugleich dessen einziges sicheres Werk, des
Reichlich Eigenart prägt sich erst in Werken, die nach Michaels Tod entstanden,
klar aus (datierte Stücke von 1502 und 1506, da das Frühwerk von 1489
völlig übermalt ist).
Neben den wenigen Namen steht dann eine größere Anzahl von anonymen
Künstlerpersönlichkeiten, von denen mehrere durch H. Sempers Forschungen
zuerst konstatiert worden sind. Die Möglichkeit einer scharfen Erfassung von
Michael Pachers Werk hängt nun ganz gewiß davon ab, daß dieser Kreis
der Zeitgenossen und Schüler einmal wieder genau und mit tunlichst voll-
ständiger Berücksichtigung aller einschlägigen erhaltenen Werke untersucht
werde. Ein Beitrag zu dieser der Zukunft vorbehaltenen Arbeit soll die vor-
liegende Abhandlung sein.
Da stoßen wir sogleich auf einen Maler, von dem die Pacher-Literatur bisher
nur ein Werk ausführlicher besprochen hat, trotzdem sich meines Wissens

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