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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — 1.1922

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Falke, Otto von: Zellenschmelz
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https://doi.org/10.11588/diglit.52117#0238

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ZELLENSCHMELZ
OTTO VON FALKE

Die groß angelegte „Geschichte der Goldschmiedekunst auf technischer
Grundlage“ von Marc Rosenberg, die schon durch die höchst instruk-
tive Art der Illustrierung alle verwandten Werke überholt hat, ist in den
Jahren 1921 und 1922 wieder um ein sehr beträchtliches Stück weitergekommen:
den früher erschienenen Abteilungen Niello (1908) und Granulation (1918) ist
nun in zwei stattlichen Bänden der Zellenschmelz nachgefolgt, ein Thema, das
trotz einer ansehnlichen Spezialliteratur noch voller Rätsel steckt. Wer immer
mit der Kunst von Byzanz und ihren Ausstrahlungen im Abendland sich be-
faßte, der konnte an den goldenen Zellenschmelzbildern nicht vorübergehen,
die den kostbarsten Teil des byzantinischen Kunsterbes ausmachen und seit
langem als sichere Wegweiser auf den Spuren des byzantinischen Einflusses
im hohen Mittelalter gegolten haben. Rosenberg ist den Problemen der Vor-
und Frühgeschichte des Zellenschmelzes nicht ausgewichen; mit allen Mitteln
kunsthistorischer und technologischer Forschung geht er ihnen zu Leibe,
immer bemüht, durch die von ihm in die kunstgeschichtliche Literatur ein-
geführten, das Original nach Bedarf vergrößernden Abbildungen seine Aus-
führungen auch denjenigen deutlich zu machen, die die in aller Welt ver-
streuten Originale nicht kennen.

Die Kapitel über die Entstehung des Zellenschmelzes führen uns durch zwei
vorchristliche Jahrtausende der Goldschmiedekunst ins Mittelmeergebiet. Als
älteste Vorstufe ist die Zelleneinlage anzusehen, die zuerst in Ägypten um
1800 v. Chr. in bereits hoch entwickelter Form auftritt. Hier ist das System
der zur Aufnahme von farbigen Füllungen bestimmten Goldzellen aus hoch-
kant aufgelöteten Goldstegen, die zugleich die Zeichnung bilden, vollkommen
fertig ausgestaltet, grundsätzlich nicht anders als zweiundeinhalb Jahrtausende
später bei den byzantinischen Zellenschmelzbildern. Was noch fehlt, ist das
Email, das heißt die in die Zellen eingeschmolzenen farbigen Glasflüsse. Da
die altägyptische Zelleneinlage nicht bloß natürliche Farbsteine, wie Lapis
lazuli und Karneol, sondern auch eingelegte und eingestrichene Formstücke
aus künstlicher, auch wohl gebrannter Masse, also Pasten und Fritten, ver-
wendet hat, die dem Email sich nähern, so läge es nahe, an eine direkte Ab-
stammung des Zellenschmelzes von der ägyptischen Zelleneinlage zu denken.
Tatsächlich scheint indessen die Entstehung des Zellenschmelzes und die
ganze Entwicklung der polychromen Goldarbeit nicht so gradlinig vor sich
gegangen zu sein. Daß die ägyptische Goldschmiedekunst bis zum wirklichen,
auf den Goldgrund niedergeschmolzenen Glasemail fortgeschritten wäre, ist
nicht sicher erweislich, und ebensowenig hat die von Ägypten über Assyrien
nach Persien weiterwandernde Zelleneinlage im späteren Verlauf dieses Ziel

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