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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — 1.1922

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Falke, Otto von: Die Marcy-Fälschungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.52117#0016

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DIE MARCY-FÄLSCHUNGEN
OTTO VON FALKE
Kunstfälschungen sind zwar seit alters eine konstante Begleiterscheinung
jeder Periode lebhafteren Kunstsammelns gewesen, aber erst im
19. Jahrhundert haben sie an Zahl und Qualität so zugenommen, daß
sie gelegentlich auch in die wissenschaftliche Literatur zur Kunstgeschichte
einige Verwirrung hineintragen konnten. Die Behandlung dieses für öffent-
liche und private Sammlungen gleich wichtigen Themas pflegt sich meist
hinter den Kulissen des Kunstmarktes abzuspielen. Es ist nur selten möglich,
über eine neu auftauchende Gattung von Fälschungen in kurzer Zeit so
gründliche und zuverlässige Nachrichten zu erlangen, daß der Vertrieb der
Fälschungen durch rasch verbreitete Aufklärung von vornherein gehemmt
werden könnte. Erst wenn mehrere Dubiosa verwandter Art in Umlauf ge-
kommen sind, lassen sich — wenigstens bei kunstgewerblichen Arbeiten —
die Gattungsmerkmale feststellen und, wenn man Glück hat, auch die Quellen
aufspüren oder verstopfen. Ist man so weit, so beginnt sich auch schon die
Erkenntnis unter den Interessenten ziemlich schnell zu verbreiten und in
gleichem Maß nimmt die Betrugskraft der Fälschungen wieder ab. Erfahrungs-
gemäß geht die Mehrzahl der unechten Kunstgegenstände höherer Ordnung,
das heißt solcher, bei denen es sich um große Preise handelt, über kurz oder
lang, sobald die Aufklärung eingetreten ist, denselben Weg wieder zurück,
auf dem sie vorher an den Mann gebracht worden sind; den letzten aber
beißen die Hunde.
Der solide Kunsthandel hat daher an kostspieligen Fälschungen kaum mehr
dauernde Freude, als die Sammler und Museen, und sobald er selbst über
eine neue Fälschungsgattung unterrichtet ist, weiß er auch seine Kundschaft
vor Schaden zu bewahren. Deshalb ist der Zeitraum im allgemeinen kurz,
währenddessen sich unechte Kunstwerke eines ungetrübten Ansehens er-
freuen. Nur die unveränderten getreuen Kopien, wie sie insbesondere auf
den Gebieten des Bronzegusses, der Messinggeräte, der Münzen und Medaillen
reichlich gedeihen, können sich unter Umständen recht lange Zeit der Ent-
deckung entziehen. Je freier dagegen der Fälscher seine eigene Erfindungs-
gabe walten läßt, je mehr er nicht bloß nachbildender Techniker, sondern
auch schaffender Künstler ist, um so kürzer ist die unangefochtene Lebens-
zeit seiner Erzeugnisse bemessen, die sich je länger, je mehr durch den
ungewollten, aber unvermeidlichen Anteil an der Empfindung und dem Stil
ihrer Entstehungszeit verraten. Um so lockender und verführerischer aber
kann auch der nicht an bestimmten Vorbildern klebende Fälscher seine
Werke ausgestalten.

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