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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — 1.1922

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Baldass, Ludwig: Dirk Vellert als Tafelmaler
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https://doi.org/10.11588/diglit.52117#0248

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DIRK VELLERT ALS TAFEL-
MALER
LUDWIG BÄLDÄSS
Unter seinen Zeitgenossen scheint Dirk Vellert, der 1511 Meister der
Antwerpener Lukasgilde wurde und 1544, aus welchem Jahre der
große Kupferstich der Sintflut datiert ist, noch am Leben war, vor
allem als Glasmaler Ruhm und Ansehen genossen zu haben. Dafür sprechen
schon die Tagebuchaufzeichnungen Dürers, der ihn stets Meister Dietrich,
Glasmaler oder Glaser nennt. Außer den zahlreichen Vorzeichnungen zu ein-
zelnen Scheiben geben uns heute nur mehr spärliche Reste davon Kunde1.
Unsere direkte Kenntnis von der Glasmalerkunst Dirk Vellerts wird vermehrt
durch eine Scheibe, die vor wenigen Jahren vom Berliner Kunstgewerbemuse-
um erworben wurde2 und nach dem ganzen Stil von Vellert herrührt (Abb. 1).
Dargestellt ist der erste Schöpfungstag: „Am Anfang schuf Gott Himmel und
Erde. Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und
der Geist Gottes schwebete auf dem Wasser. Und Gott sprach: Es werde
Licht. Und es ward Licht. Und Gott sähe, daß das Licht gut war. Da schied
Gott das Licht von der Finsternis und nannte das Licht Tag und die Finster-
nis Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.“ Mit großer An-
schaulichkeit wird das Schweben des Geistes Gottes über den Wassern und
die Trennung von Licht und Finsternis dargestellt. Das langsame Gleiten
Gottvaters über die Oberfläche der Wasser nach vorne aus der Bildfläche
heraus wird durch die Bewegung des Körpers und den Fall der Falten sehr
gut zur Geltung gebracht. Ebenso kommt die Trennung von Licht und Finster-
nis in der irrealen Kunst der Glasmalerei viel besser heraus, als es in einem
Gemälde möglich gewesen wäre, so daß wir uns aus der kleinen Scheibe
schon einen glänzenden Begriff von der großen Kunst des Glasmalers Vellert
machen können. Etwas Graphisches liegt in der Art, wie die Finsternis durch
helle, das Licht durch dunkle Horizontallinien modelliert wird. Die Scheibe
muß also bereits in die zwanziger Jahre des 16. Jahrhunderts fallen, in die
Jahre 1522 bis 1526, in welchen bis auf das eine Blatt von 1544 seine Kupfer-
stiche und Radierungen entstanden sind. Namentlich der Fischzug Petri von
1523 zeigt eine ganz verwandte Behandlung des Wassers und der Luft. Für
diese Datierung, sprechen auch die Dürerschen Anklänge in der Gestalt Gott-
vaters3. Die Engel, deren die Heilige Schrift nicht Erwähnung tut, erfüllen
1 Die erhaltenen Rundscheiben sind zusammengestellt von Schmitz, „Die Glasgemälde des Kunstgewerbe-
museums in Berlin“ 1913, S. 70 f.
2 Die Photographie verdanke ich durch Vermittlung Dr. Heinrich Zimmermanns der Liebenswürdigkeit Herrn
Geheimrats von Falke.
3 Auch zeigen die Zeichnungen von 1532 schon einen erheblich stärker romanistisch orientierten Stil.

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