Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — 1.1922

DOI Heft:
Kunstmarkt
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.52117#0090

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
K UNSTMARKT

VERSTEIGERUNGSERGEBNISSE
WIEN:
DIE VERSTEIGERUNG DER SAMMLUNG DR. MAX STRAUSS, I. TEIL, PORZELLAN
UND DEUTSCHES GLAS
Vom 16. bis 19. Jänner 1922 hat das Wiener Kunstauktionshaus von Glückselig und
Wärndorfer den I. Teil der Sammlung Strauß versteigert. Der alte Herr, der noch
mit so viel lebhaftem Interesse den Kunstmarkt verfolgt und vor wenigen Monaten bei
derselben Wiener Firma ein reichillustriertes Prachtwerk »Kunstschätze der Sammlung
Dr. M. Strauß in Wien“ herausgeben ließ, das Robert Schmidt, Hermann von Trenkwald,
Wilhelm Suida und Leo Grünstein verfaßten und welches aus den Hauptgebieten der
alten gepflegten Kollektion die wichtigsten und künstlerisch wertvollsten Stücke in sorg-
fältiger Auswahl vorlegte, hat sich nun doch entschlossen, allmählich von seinen seit
Dezennien um sich vereinten Schätzen am Abend seines Lebens Abschied zu nehmen.
Doch um das Scheiden sich zu erleichtern, so geschieht es in Etappen. Zunächst kamen
die Gläser und Porzellane an die Reihe, die Hermann von Trenkwald in seinem vortreff-
lichen Kataloge beschrieben hat.
Es sind dies gerade zwei Gebiete, die Strauß mit besonderer Vorliebe und großem Finder-
glück gepflegt hat und so hat er sich denn auch nicht von allen seinen Lieblingen, be-
sonders den gläsernen, trennen können. Seine herrlichen, in wundervollen edlen Formen
geblasenen Venezianer Gläser wird man vergebens im Katalog suchen; die hat er sich
wohl zurückbehalten. Aber dafür entschädigen uns eine Reihe prachtvoller Stücke, die
auch entsprechend hoch bezahlt wurden, so die selten schöne Haller Deckelvase Nr. 1
(trotz des ergänzten Deckelknaufes und der jetzt verschwundenen ursprünglichen bunten
und goldenen Bemalung), ein paar prächtige deutsche Emailgläser der Renaissance, ein
rassig geschnittener Nürnberger Deckelpokal (Nr. 58) mit Killingers Signatur und zahl-
reiche, mit Schnitt und Schliff dekorierte Hohlgläser, zumeist aus den schlesischen
und böhmischen Werkstätten des 18. und 19. Jahrh.
Im Sammeln des Porzellans hat Strauß schon frühzeitig, allerdings in Gesellschaft recht
weniger seiner Wiener Sammlerkollegen, den künstlerischen Reiz der Du-Paquier-Porzellane
und die rassigen Qualitäten der Figuren und Gruppen aus der Rokokozeit der Wiener
Manufaktur erkannt, die J. J. Niedermayr, der erste bedeutende Modellmeister der kaiser-
lichen Zeit, geschaffen hat. So hat er um Preise, die direkt biedermeierisch klingen, noch
gegen das Ende des 19. Jahrh. eine sehr interessante Kollektion von „Altwien“ zusammen-
gebracht, die denn auch bei Auktion den entsprechenden Anwert fand. Den Höhepunkt
der Versteigerung, was Preise anbetrifft, bildete das Schlußgebot von 9,400.000 Kronen für
die herrliche Fuldaer Madonna auf der Weltkugel (Nr. 446), selbst bei d.-ö. Kronen eine
recht respektable Summe.
Die Auktion war überraschend gut und vielseitig besucht. Museumsleiter, bedeutende
Sammler und Händler waren in großer Zahl, besonders aus Deutschland, herbeigeeilt
und sie haben manch schönes Stück mit sich davongetragen, obwohl das Wiener Staats-

57
 
Annotationen