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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — 1.1922

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Neue Bücher über Kunstwissenschaft
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Braun, Edmund Wilhelm: [Rezension von: Hans Christ, Ludwigsburger Porzellanfiguren]
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Suida, Wilhelm: [Rzension von. Ludwig Justi, Thoma-Ausstellung, Betrachtungen und Verzeichnis]
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https://doi.org/10.11588/diglit.52117#0110

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gruppen“ steht auch nicht auf viel festeren Beinen. Jede kunstgewerbliche Gruppe hat nun
ihre eigenen Gesetze und Eigentümlichkeiten, in die man sich erst hineinleben und -sehen
muß. Ein gewisses, auf genauer Autopsie und auf Aktenstudium beruhendes Spezialisten-
tum ist gerade bei Studien über die Porzellanplastik des 18. Jahrh. eine unbedingte Voraus-
setzung. Man muß die handwerklichen Gebräuche und die Gewohnheiten der Modelleure
und Bossierer, man muß den Betrieb in den Werkstätten und am Brennofen genau kennen,
um sicher urteilen zu können. Ein solcher Spezialist und Kenner würde z. B. nicht den
Mut haben, so genaue Daten für die einzelnen Modelle oder gar deren Ausformungen
und die Fabriksmarken niederzuschreiben wie Christ. Die interessanten und seltenen,
auch im Dekor so ansprechenden Chinesengruppen, die unbedingt in die Frühzeit der
Fabrik, also vor 1760, gehören, werden sicher zu Unrecht dem mäßig begabten Italiener
Domenico Feretti zugeschrieben und auf 1762/63 datiert.
Soll hier einmal Klarheit geschaffen werden, dann muß die Frage nochmals von Anfang
an und auf breitester Grundlage behandelt werden. Auch das archivalische Material ist
wiederum genau und sorgfältig durchzusehen. Gerade bei Ludwigsburg ist ja außerdem
noch der günstige Fall zu verzeichnen, daß im Stuttgarter Kupferstichkabinett alte Zeich-
nungen und Entwürfe der Manufaktur erhalten sind. Sie waren bei der Stuttgarter Ausstel-
lung zum Teil ausgestellt. Ich setze allerdings voraus, daß Balet und Christ sie in extenso
durchgearbeitet haben, aber eine neuerliche Durchsicht unter anderem Gesichtswinkel mag
doch noch ergiebig sein. Sodann ist in viel weiterem Umfang die graphische Produktion
jener Zeit zu beachten. Nachdem aus der alten Manufaktur nach deren Auflassung die
obengenannten Zeichnungen ins Kupferstichkabinett gelangten, ist wohl anzunehmen, daß
dies auch bei den als Vorlagen verwendet gewesenen Stichen der Fall sein wird. Wir
haben ja einen analogen Fall in Wien, wo das zeichnerische und graphische Inventar
der kaiserlichen Manufaktur, nach der Auflösung der Fabrik durch ein selten erleuchtetes
Parlament, in die Bibliothek des k. k. österreichischen Museums gelangte. E. w. Braun

THOMÄ-AUSSTELLUNG, BETRACHTUNGEN UND VERZEICHNIS
AMTLICHE VERÖFFENTLICHUNG DER NATIONALGALERIE, BERLIN 1922 (VERLAG JULIUS BARD)
Ludwig Justi hat mit diesem Geleitbuch durch die größte und umfassendste Ausstellung
von Hans Thomas Werken sich nicht nur den Dank aller Besucher der Ausstellung ver-
dient, sondern ein dauerndes Werk und Vorbild geschaffen. Daß die Veranstaltung selbst
eine kulturelle Tat von großer Bedeutung ist, wird niemand bezweifeln, der Thomas Kunst
kennt. Seitdem Henry Thode 1891 begann, öffentlich für das Verständnis von Thomas
Kunst zu wirken, ist ein Menschenalter dahingegangen. Ludwig Justi hat mit scharfem
Blick erkannt, daß im großen historischen Zusammenhänge gar manche verbindende
Fäden zwischen den späteren Werken Thomas und den im Expressionismus sich aus-
wirkenden Bestrebungen der jüngeren Generation bestehen. Das, was in Thoma zur Ge-
staltung drängt, ist ein in uns allen wirkendes Element. Die „Betrachtungen“ Ludwig
Justis bezeugen ein tiefes Verstehen, Ehrfurcht und Liebe für den Patriarchen der deut-
schen Kunst. Die Anordnung des Katalogs nach Jugendzeit, Lehrjahre, Junge Meister-
schaft, Münchner Zeit, Frankfurter Jahrzehnte, Karlsruher Zeit, die reichliche Beigabe
von Stellen aus Thomas Schriften und Briefen zu seinen Lebensphasen und kurze Daten
zur Entstehungsgeschichte bei einzelnen Bildern erhöhen den Wert des vortrefflichen
Buches. Wilhelm Suida

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