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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — 1.1922

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Neue Bücher über Kunstwissenschaft
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Suida, Wilhelm: [Rezension von: Wilhelm von Bode, Studien über Leonardo da Vinci]
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https://doi.org/10.11588/diglit.52117#0106

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NEUE BÜCHER ÜBER KUNSTWISSENSCHAFT
WILHELM VON BODE, STUDIEN ÜBER LEONARDO DA VINCI
BERLIN, GROTESCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG 1921
Von Bodes Wirken als genialer Sammler und Forscher sind wohl die intensivsten Impulse
gegeben worden, die je von einem einzelnen im Gebiete der neueren Kunstwissen-
schaft ausgegangen sind. Unter den Gebieten, die er in bewundernswerter Vielseitigkeit
als Kenner beherrscht, steht das florentinische Quattrocento in vorderster Reihe — haben
doch Bodes Forschungen die florentinischen Bildhauer der Frührenaissance erst in helles
Licht gerückt —, während das lombardische Kunstgebiet als eines der ersten seine Auf-
merksamkeit erregte. So war es gefestigter Boden, von dem aus Bode das für einen
Jakob Burkhardt noch ganz schwankende Bild Leonardos zu erfassen suchte.
Anknüpfend an Abhandlungen, die seit den 1880er Jahren an verschiedenen Stellen,
namentlich im Jahrbuch der preußischen Kunstsammlungen erschienen sind, hat Bode
nun in einem Band die Ergebnisse seiner Studien zusammengestellt. Das Herauswachsen
und allmähliche Sichloslösen Leonardos aus der Werkstatt des Andrea del Verrocchio
ist Thema des ersten Kapitels. Die Reihe der malerischen Werke, die von etwa 1472 bis
1481 (vermutlich Anbetung der Könige) entstanden, wird erneut besprochen. Ausgehend
von dem Engel und der Landschaft in Verrocchios Taufe Christi, die Bode mit vollem
Recht nicht eigentlich als Jugendwerk auffaßt, sondern schon gegen Ende der 1470er Jahre
entstanden denkt, werden die frühe Verkündigung der Uffizien, die etwas spätere des
Louvre, die frühe Münchner Madonna und die etwas spätere Madonna Benois be-
sprochen.
Mit der Gineva de’ Benci der Liechtenstein-Galerie sind es sechs Bilder, welche der An-
betung der Könige vorausgehen und die endgültig als Werke Leonardos anzuerkennen
auch die hartnäckigsten Gegner sich nicht mehr lange werden wehren können. Bezüg-
lich Autorschaft Leonardos und Reihenfolge der Werke stimmt das Ergebnis meiner
Studien (vgl. Monatshefte für Kunstwissenschaft 1920) vollständig mit dem Bodes überein.
Bei der Dresdner Silberstiftzeichnung, die Bode mit Recht in die Nähe des Münchner
Madonnenbildes setzt, macht nur die Rechtshändigkeit Leonardos Urheberschaft zweifelhaft.
Bodes eigenstes Werk war der Versuch, frühe plastische Werke Leonardos nachzuweisen.
Über früher Erörtertes — Reliefs der Zwietracht in London, Geißelung Christi in Perugia,
Beweinung in S. Maria del Carmine in Venedig — hinausgreifend, sucht Bode mit kühn
ein dringendem Blick die Spuren Leonardos in den Erzeugnissen der Verrocchio-Werkstatt
und glaubt die Frauenbüste mit Händen im Bargello als Werk des jungen Leonardo an-
sprechen zu dürfen, eine Vermutung, zu welcher auch Hans Mackowsky (Verrocchio,
Künstlermonographie) schon vor Jahren sich gedrängt sah.
Sehr feinsinnig werden aus dem Profilkopfe des alten Kriegers aus der Robbia-Werkstatt
in Berlin und dem Marmorrelief des jungen Scipio im Louvre Nachklänge der bei Ver-
rocchio bestellten Gegenstücke der Idealporträte des Alexander und Darius abgeleitet,
Leonardos Urheberschaft bleibt dabei unbestreitbar, wenn auch, wie ich glaube, die Eigen-
händigkeit der großen Malcolm-Zeichnung des Britischen Museums bezweifelt werden muß.

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