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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — 1.1922

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Neue Bücher über Kunstwissenschaft
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Suida, Wilhelm: [Rezension von: Wilhelm von Bode, Studien über Leonardo da Vinci]
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https://doi.org/10.11588/diglit.52117#0107

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Den Altartafeln der mittleren Zeit ist der zweite Abschnitt des Buches gewidmet Bode
nimmt an, daß Kompositionen, deren Ausführung zum Teil in eine spätere Zeit fällt, schon
in der letzten Zeit in Florenz, vor der Übersiedlung nach Mailand, den Künstler be-
schäftigt haben. Gewiß ist das so zu verstehen, daß manche der später behandelten
Themata schon früher auftauchen, nicht aber, daß die später gefundene formale Lösung
schon früher festgelegt worden wäre. Bezüglich der Grottenmadonna hat Bode gewiß
recht, die vorhandenen Dokumente im Sinne einer sehr wesentlichen Anteilnahme Leo-
nardos an dem Londoner Exemplar zu deuten. Bestehen bleibt die weitaus höhere, volle
Eigenhändigkeit verbürgende Qualität des Pariser Bildes und dessen wesentlich frühere
Entstehung. Meine bei früherer Gelegenheit ausgesprochene Vermutung, das 1483 be-
gonnene Pariser Exemplar sei frühzeitig in den Besitz des Moro übergegangen, dann als
Gut des gefangenen Fürsten von Ludwig XII. nach Frankreich genommen worden, wes-
halb die Anfertigung des 1508 vollendeten Londoner Exemplars nötig wurde, scheint mir
immer noch am zwanglosesten die heute für uns erkennbaren Tatsachen und Dokumente
zu verbinden. Die Annahme, Leonardo selbst habe das Pariser Exemplar erst mit sich
nach Frankreich genommen, ist infolge Fehlens jeder Erwähnung dieses Bildes in dem
sonst so genauen Itinerar des Kardinals von Arragon (Antonio de Beatis) äußerst un-
wahrscheinlich.
Die Erkenntnis des Zusammenhanges der Berliner Auferstehungstafel mit Leonardo ist
eine der ersten Taten Bodes auf diesem Forschungsgebiet gewesen. Von dem Versuch
einer klaren Erfassung aller erkennbaren künstlerischen Persönlichkeiten aus Leonardos
Kreise ausgehend, habe ich mich davon überzeugt, daß die Komposition von keinem
anderen als Leonardo selbst sein kann. Zum Vergleiche für die malerische Durchführung
ist vor allem das in ganz engem Anschluß an Leonardos Werke gemalte Frühwerk des
Boltraffio, die Madonna in Budapest, heranzuziehen.
Der dritte Abschnitt behandelt Leonardos Bildnisse aus der Zeit des ersten Aufenthaltes
in Mailand. Ich teile Bodes wiederholt verfochtene Überzeugung, daß der Musiker der
Ambrosiana und die Dame mit dem Hermelin in Krakau Originale Leonardos sind. In
dem bezaubernden weiblichen Profilporträt der Ambrosiana vermag ich aber Leonardos
Handschrift nicht zu erkennen. Auf dieses paßt kein uns geläufiger Künstlername, wohl
aber halte ich das Jünglingsporträt bei Mrs. Austen in Horsmonden (Kent) und ein Profil-
bild einer durch äußere Reize weniger bestrickenden Dame im Louvre für Arbeiten der
gleichen Künstlerhand. Sehr richtig ist die von Bode früher und auch jetzt sowie auch
von mir an anderer Stelle schon verfochtene Abtrennung des Anonymus des Archinto-
Porträts von 1494 (London) von Ambrogio Preda, den zuerst Morelli und dann besonders
Seidlitz mit einer übermäßig großen Zahl untereinander sehr heterogener Werke begabt
hatten. Daß die belle Föroniere des Louvre zwar unter den Augen Leonardos, aber doch
im wesentlichen von Schülerhand entstanden ist, halte ich mit Bode für sicher. Die
vortrefflichen, schon in den 1880er Jahren von Bode formulierten Charakteristiken des
Preda und Bernardino de’ Conti sind nicht nur nicht veraltet, sondern haben sich in ihrer
Richtigkeit durch alle späteren Forschungen erst recht bewährt.
Sehr großzügig und mit weit ausgreifender Wirkung hat Bode im vierten Abschnitt
Leonardos Florakomposition und ihren Einfluß auf das weibliche Halbfigurenbild der
italienischen Renaissance betrachtet. Das Fortwirken von Leonardos Idee in den Werken
der Mailänder, Venezianer und Römer stellt erst die in der Florabüste des Kaiser-Friedrich-
Museums ausgeprägte künstlerische Idee in helles Licht.

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