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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — 1.1922

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Berichte aus den Kunstzentren
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https://doi.org/10.11588/diglit.52117#0081

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BERICHTE BUS DEN KUNSTZENTREN
VON KUNSTSTATTEN UND PERSÖNLICHKEITEN DES KUNSTLEBENS

WIEN:
Eine sehr bedeutsame Umwandlung in der Anordnung der musealen Bestände ist an-
gebahnt worden. Das untere Belvedere, bisher der räumlich unzulängliche Aufstellungs-
ort der jeweils sichtbaren Bestände der österreichischen Galerie, wird unter voller Aus-
nutzung der prächtigen, aus der Erbauungszeit unter Prinz Eugen von Savoyen erhal-
tenen Innendekoration der Räume zu einem umfassenden Museum der großen öster-
reichischen Barockkunst des ausgehenden 17. und 18. Jahrhunderts umgestaltet. Man darf
in diese im Werden begriffene Schöpfung des hochverdienten Direktors der Österreichi-
schen Galerie, Regierungsrat Dr. F. M. Haberditzl, die höchsten Erwartungen setzen. Das
Barockmuseum wird erst weiten Kreisen, namentlich der Ausländer, einen umfassenden
Begriff von der Bedeutung der Künste aus Österreichs glänzendsten Zeiten vermitteln.
Das obere Belvedere, dessen Innenausstattung infolge späterer Veränderungen nur mehr
in wenigen Teilen erhalten ist, wird die Bestände der Kunst des 19. Jahrhunderts auf-
nehmen bis zum Einsetzen der modernen Bewegung in den neunziger Jahren. Die Werke
der modernen Kunst werden in einem eigenen Bau im Belvederekomplex zur Aufstellung
gebracht. Was an österreichischen Skulpturen und Gemälden der Gotik und Renaissance
bisher in der Österreichischen Galerie gesammelt worden war, ist in das kunsthistorische
Museum übertragen worden und wird in den Abteilungen von Hofrat Prof. Dr. J. von
Schlosser und Hofrat Dr. G. Glück aufgestellt werden. Nach Vereinigung mit anderen
wichtigen dort schon vorhandenen Erzeugnissen der österreichischen Kunst des 14. bis
16. Jahrhunderts werden auch im kunsthistorischen Museum neue Sammelzentren für die
österreichische Alpenkunst der Gotik und Renaissance entstehen, denen in der Zukunft
die bedeutsame Aufgabe obliegt, von hochwertigen Schöpfungen der engeren Heimat so
viel als irgend möglich an sich zu ziehen, eine Aufgabe, die insofern besonders ver-
antwortungsvoll und schwierig ist, als das zielbewußte Sammeln österreichischer Kunst
bei uns erst spät eingesetzt hat.
Im 84. Lebensjahre ist Graf Hans Wilczek gestorben. In der Geschichte der bildenden
Künste, der Geschmackswendungen und des Sammelwesens wird der Name des Erbauers
der Burg und Schöpfers der Sammlungen in Kreuzenstein fortleben. Der hochsinnige
Kunstfreund hat in diesem Denkmal, das aus dem Boden Alt-Österreichs seine formenden
Kräfte und den wichtigsten Teil seiner Sammlungsbestände gesogen hat, ein Werk hinter-
lassen, das, mit unerschöpflichem Reiz persönlicher Erinnerungen verknüpft, zugleich für
die noch immer zu wenig erforschte Kunstgeschichte der österreichischen Alpenländer
eine ganz wichtige Fundgrube ist. Die Erhaltung der Burg Kreutzenstein in ihrem gegen-
wärtigen Zustand wird zugleich das würdigste Erinnerungszeichen an den in allen Unter-
nehmungen großzügigen und von warmherzigem Kunstinteresse beseelten Grafen Hans
Wilczek sein.
*
Der 60. Geburtstag des Hofrates Dr. Josef Strzygowski, Professors der Kunstgeschichte
an der Universität in Wien, wurde am 7. März vom Kreise seiner Schüler gefeiert. Der
Gelehrte selbst befindet sich auf einer Vortragsreise in Nordamerika, um später über
Indien nach der Heimat zurückzukehren. Die Universalität seiner kunstwissenschaftlichen

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