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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — Band 1.1922

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Baldass, Ludwig: Dirk Vellert als Tafelmaler
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https://doi.org/10.11588/diglit.52117#0251

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vor allem die kompositionelle Aufgabe, das Rund der Scheibe formal zu
füllen. Die Finsternis ist von bösen Geistern belebt.
Der Nachwelt war Dirk Vollert lange Zeit nur als Graphiker unter dem fal-
schen Namen Dirk van Staren bekannt. Erst Gustav Glück, dem das Verdienst
gebührt, den wahren Namen des Meisters entdeckt zu haben, hat in seiner
grundlegenden Abhandlung1 das Augenmerk wieder auf den Zeichner, Glas-
maler und Maler hingelenkt. Tafelbilder konnte er allerdings nur zwei ver-
zeichnen, den schönen, großen Flügelaltar der Sammlung Lippmann in Berlin,
der inzwischen zu Herrn Stephan von Auspitz nach Wien gelangt ist (Abb. 2)
und den zuerst M. J. Friedländer bestimmt hatte, und einen von Kämmerer im
Prado entdeckten Flügelaltar, dessen Mittelstück eine Wiederholung desVellert-
schen Kupferstiches der Maria mit dem heiligen Bernhard darstellt. Dazu fand
Glück2 später noch eine Anbetung der Könige im Liller Museum (Abb. 4). Nun
befindet sich in der Galerie des Stiftes Kremsmünster in Oberösterreich eine
mittelgroße Breittafel, die mir zweifelsohne von der Hand Dirk Vollerts herzu-
rühren scheint (Abb. 3). Die Typen des Antwerpener Glasmalers sind unverkenn-
bar. Das hochinteressante Stück, das eine heilige Sippe darstellt, zeigt eine ganz
ungewöhnliche Komposition. Eine in klarer Symmetrie wiedergegebene Archi-
tektur, die auf zwei Pfeilern ruht, die einen Archivolt tragen, der zu beiden
Seiten auf einem Architrav aufsitzt, erhebt sich ganz vorn an der Bildebene
und teilt die Bildfläche in ein breiteres Mittelfeld und zwei schmälere Seiten-
felder. Durch dieses dreifache Tor blicken wir zentral in eine dreischiffige
Kirche im Stil der ersten nordischen Renaissance. In diesen Innenraum sind
die Personen der heiligen Sippe hineingesetzt, die vom Fuße des Torbogens
in Kniehöhe überschnitten werden. Die Anordnung der Figuren ist ebenso
symmetrisch wie die Architektur. Das Zentrum nimmt merkwürdigerweise
Anna ein, weiter vorn sitzen Maria mit dem Kind und Josef einander gegen-
über. Zwischen und etwas vor beiden und genau unter Anna steht ein Frucht-
korb auf einem Tischchen. Die übrigen Mitglieder der heiligen Sippe ver-
teilen sich auf die drei Bildfelder. Die vordersten Figuren der beiden seitlichen
Bildfelder, eine von vorn gesehene Frau und ein von rückwärts gesehener
Mann, die sich wieder scharf die Wage halten, stehen in einer Ebene mit
dem Fruchtkorb und dem Beschauer näher als die Personen des mittleren
Feldes. So entsteht eine Tiefenstaffelung, die der Klarheit des Raumbildes
sehr zustatten kommt. Infolge der ganz folgerichtig durchgeführten Über-
schneidungen können wir die klare Stellung jeder einzelnen Figur im Raume
mit Leichtigkeit feststellen. Auch in der Entfernung der Gestalten von der
Bildebene herrscht eine vollkommene Symmetrie beider Hälften. Der Maler ver-
folgte offenbar die Absicht, die Anordnung eines dreiteiligen Flügelaltars auf
1 „Beiträge zur Geschichte der Antwerpener Malerei im 16. Jahrhundert“, „Jahrbuch der kunsthistorischen
Sammlungen“ XXII, S. 1 ff., Wien 1901.
3 „Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen“ XXVIII, S. 18, Änm. 5, Wien 1909/10. Abgebildet: Geborgene
Kunstwerke. Ausstellung im Museum zu Valenciennes, München 1918, Seite 114.

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