Zeit engere Berührung mit Palma aufweist, ist aus anderen Anzeichen schon
längst geschlossen worden. So fügt sich dem Werke Tizians das Wiener
Porträt zwanglos ein. Über die Zeit der Entstehung wird man nach dem
heutigen Stande der Forschung kaum noch mehr sagen können, als daß das
Gemälde der ersten Hälfte des zweiten Jahrzehnts des 16. Jahrhunderts an-
gehöre.
Erheblich später muß ein Bildnis entstanden sein, das ich auf Grund einer
zwar deutlichen, aber schon zehn Jahre zurückliegenden Erinnerung hier be-
spreche. Im Besitze Seiner königlichen Hoheit Don Jaime von Bourbon, Her-
zogs von Madrid, auf Schloß Frohsdorf in Niederösterreich befand sich nebst
vielen anderen venezianischen Bildern das auf Tafel LXXXIX abgebildete. Wie
die meisten venezianischen Gemälde der gleichen Sammlung war auch dieses
Bildnis durch unvorsichtige Restaurierung früher einmal beschädigt worden.
Eine nähere Prüfung aber ergab gar keinen Grund, an dem traditionell damit
verbundenen Namen Tizian zu zweifeln. Vor dunklem Grunde die stolze Er-
scheinung des schwarzgekleideten Nobile, ein ganz schmaler Streifen des
weißen Hemdsaumes am Halse, die linke Hand in der Hüfte gestützt, der
rechte Daumen im Gürtel eingehakt. Die leichte seitliche Wendung des
Kopfes, während der ruhig-sichere Blick der klaren, schöngebildeten Augen
auf dem Beschauer ruht, auch die Form der rechten Hand kennen wir von
anderen Werken Tizians. Insbesondere entspricht die Anlage des Bildes den
nach 1530 entstandenen Bildnissen, dem Kardinal Ippolito Medici in unga-
rischer Tracht von 1533 und der Bella des Palazzo Pitti.
Das dritte hier zu besprechende Gemälde befindet sich in der Galerie des
Kunsthistorischen Museums in Wien unter dem Namen des Jacopo Tintoretto
(Nr. 240 a). Im Engerthschen Katalog schon unter den Werken dieses Künst-
lers als Nr. 479 beschrieben, wanderte es später in die Sekundärgalerie und
wurde bei der Neuaufstellung in die Galerie zurückgenommen. Das Brustbild
eines Mannes in mittleren Jahren mit kurzem, dunklem Haar und Bart, in
Dreiviertelprofil, dessen rechte Seite und Blick dem Beschauer zugewandt sind,
ist Fragment (Tafel XC). Wie das Bild einst ausgesehen hat, zeigt der Stich von
L. Vorsterman d. J. im Theatrum pictorium, das David Tenicrs 1660 vom Kunst-
besitz des Erzherzogs Leopold Wilhelm herausgab (Tafel XCI). Daß es sich um
dasselbe Bild (im Gegensinne) handelt, wird nicht nur durch die Ähnlichkeit des
Kopfes, sondern auch den weißen Hemdkragen mit der zusammengeknoteten
Schnur und den Pelzkragen bewiesen. Diese Feststellung ist in doppelter Bezie-
hung nützlich, einmal weil wir damit die ursprüngliche Gestalt des Bildes ken-
nen lernen, ferner weil Engerth das Bild nur bis in die Zeit Karls VI. (Aufstellung
in der Stallburg) hatte zurückverfolgen können. Damals, um 1730, hatte man
schon den Kopf aus dem größeren Bilde herausgeschnitten. Daß dem Stich
im Theatrum pictorium der Vermerk „Titian p.“ beigegeben ist, fällt nicht
Belvedere I
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längst geschlossen worden. So fügt sich dem Werke Tizians das Wiener
Porträt zwanglos ein. Über die Zeit der Entstehung wird man nach dem
heutigen Stande der Forschung kaum noch mehr sagen können, als daß das
Gemälde der ersten Hälfte des zweiten Jahrzehnts des 16. Jahrhunderts an-
gehöre.
Erheblich später muß ein Bildnis entstanden sein, das ich auf Grund einer
zwar deutlichen, aber schon zehn Jahre zurückliegenden Erinnerung hier be-
spreche. Im Besitze Seiner königlichen Hoheit Don Jaime von Bourbon, Her-
zogs von Madrid, auf Schloß Frohsdorf in Niederösterreich befand sich nebst
vielen anderen venezianischen Bildern das auf Tafel LXXXIX abgebildete. Wie
die meisten venezianischen Gemälde der gleichen Sammlung war auch dieses
Bildnis durch unvorsichtige Restaurierung früher einmal beschädigt worden.
Eine nähere Prüfung aber ergab gar keinen Grund, an dem traditionell damit
verbundenen Namen Tizian zu zweifeln. Vor dunklem Grunde die stolze Er-
scheinung des schwarzgekleideten Nobile, ein ganz schmaler Streifen des
weißen Hemdsaumes am Halse, die linke Hand in der Hüfte gestützt, der
rechte Daumen im Gürtel eingehakt. Die leichte seitliche Wendung des
Kopfes, während der ruhig-sichere Blick der klaren, schöngebildeten Augen
auf dem Beschauer ruht, auch die Form der rechten Hand kennen wir von
anderen Werken Tizians. Insbesondere entspricht die Anlage des Bildes den
nach 1530 entstandenen Bildnissen, dem Kardinal Ippolito Medici in unga-
rischer Tracht von 1533 und der Bella des Palazzo Pitti.
Das dritte hier zu besprechende Gemälde befindet sich in der Galerie des
Kunsthistorischen Museums in Wien unter dem Namen des Jacopo Tintoretto
(Nr. 240 a). Im Engerthschen Katalog schon unter den Werken dieses Künst-
lers als Nr. 479 beschrieben, wanderte es später in die Sekundärgalerie und
wurde bei der Neuaufstellung in die Galerie zurückgenommen. Das Brustbild
eines Mannes in mittleren Jahren mit kurzem, dunklem Haar und Bart, in
Dreiviertelprofil, dessen rechte Seite und Blick dem Beschauer zugewandt sind,
ist Fragment (Tafel XC). Wie das Bild einst ausgesehen hat, zeigt der Stich von
L. Vorsterman d. J. im Theatrum pictorium, das David Tenicrs 1660 vom Kunst-
besitz des Erzherzogs Leopold Wilhelm herausgab (Tafel XCI). Daß es sich um
dasselbe Bild (im Gegensinne) handelt, wird nicht nur durch die Ähnlichkeit des
Kopfes, sondern auch den weißen Hemdkragen mit der zusammengeknoteten
Schnur und den Pelzkragen bewiesen. Diese Feststellung ist in doppelter Bezie-
hung nützlich, einmal weil wir damit die ursprüngliche Gestalt des Bildes ken-
nen lernen, ferner weil Engerth das Bild nur bis in die Zeit Karls VI. (Aufstellung
in der Stallburg) hatte zurückverfolgen können. Damals, um 1730, hatte man
schon den Kopf aus dem größeren Bilde herausgeschnitten. Daß dem Stich
im Theatrum pictorium der Vermerk „Titian p.“ beigegeben ist, fällt nicht
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