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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — 1.1922

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Bercken, Erich von der; Mayer, August Liebmann: Einige Unbekannte Werke des Jacopo Tintoretto
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https://doi.org/10.11588/diglit.52117#0273

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oder in den siebziger Jahren, jener Zeit, die wir früher1 als die Periode
des musikalischen Stiles, der „Grazia“ bezeichnet haben, die Zeit, in der
die Bilder des Anticollegio im Dogenpalast, die „Auferweckung des Lazarus“
in Lübeck, die „Versuchung des Antonius“ in S. Trovaso entstanden sind.
Das zweite Bild, „Christus am Ölberg“ (Tafel XCIII), zeigt die Entwicklung des
Künstlers zu einem Stil von großartig-monumentalem Charakter; die Formen
haben sich vereinfacht, alles ist schwerer, massiger geworden und doch
bemerkt man nichts von irgendwelcher Schwerfälligkeit oder Gewaltsamkeit.
Daß die Münchner Gethsemanedarstellung nach 1580 entstanden ist, darf
mit Sicherheit angenommen werden. Sucht man in Tintorettos Oeuvre nach
einer Analogie zu diesem Bild, so wird man am ehesten an den „Oelberg“
in der Sakristei von S. Stefano in Venedig sich erinnert fühlen, wenn auch
auf dem Münchner Bilde Christus isoliert dargestellt (die schlafenden Jünger
fehlen) und der farbige Charakter ein anderer ist: an Stelle der gebrochenen
Farben, des matten Rosa und Grün des venezianischen Bildes zeigt die
Münchner Darstellung leuchtendes Karminrot, helles Gelb, lebhaftes Blaugrün.
Anhangsweise seien noch einige bisher unbekannte Bildnisse des Meisters
veröffentlicht. Am anspruchlosesten tritt das Bildnis bei J. Boehler auf
(Tafel XCIV), während ein anderes in schlesischem Privatbesitz die Größe
und Vornehmheit des venezianischen Nobile schon in der Haltung in einer
fast ein wenig an Tizian erinnernden Art zum Ausdruck bringt (Tafel
XCV). Am bedeutendsten von diesen Bildnissen ist unzweifelhaft das un-
längst von einer amerikanischen Sammlung erworbene (Tafel XCVI), das in
der Schärfe der Charakteristik sowie in der bei aller Großzügigkeit doch
sehr ausgeprägten Bestimmtheit der Zeichnung und Modellierung und seiner
ungewöhnlich sorgfältigen Ausführung sich den hervorragendsten Porträt-
schöpfungen des Meisters ebenbürtig an die Seite stellt.
The course of Tintoretto’s development in the last decades of his activity
is most clearly illustrated by two paintings, which recently came into the
possession of an art-collector in Munich. The earlier of the two pictures,
a rendering of Susanna and the two old men (PL XCII) still displays the
playfully light style of the seventies; it Stands nearest to the rendering of
the same subject in the Vienna Kunsthistorisches Museum. The second pic-
ture, Christ on the Mount of Olives, (PI. XCIII) doubtlessly painted after
1580, demonstrates the development towards a broad simplification of all
forms, a style of monumental grandeur. As nearest analogon in the work
of Tintoretto, we have the Gethsemane rendering in the sacrcsty of San
Stefano in Venice. In addition, three portraits of Tintoretto’s, unknown up
to now, are here published. (PI. XCIV—XCVI.)
1 E. v. d. Bercken u. A. L. Mayer, „Beiträge zur Entwicklungsgeschichte Tintorettos“, „Münchner Jahrbuch der
bildenden Kunst“ X, S. 239—265.

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