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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — 11.1927

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Heft 55
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Buschbeck, Ernst H.: Albert Figdor
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https://doi.org/10.11588/diglit.55197#0013

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ALBERT FIGDOR
VON ERNST H. BUSCHBECK
Jahre hindurch haben Kunstbeflissene und Kunstinteressierte aus allen Ländern, die mit
der Bitte um Wegweisung zu uns kamen, als erstes die Frage gestellt: »— und wie kann
ich in die Sammlung Figdor kommen?« — Sie war in der Tat zu europäischem, ja zu
weltweitem Ruhm gediehen, zu einem Ruf, mit dem sich hierzulande nur die altberühmte
Gemäldesammlung des kaiserlichen Hauses messen konnte.
Der sie geschaffen hatte, Albert Figdor, liegt heute unter der Erde. Aber solange er unter
uns weilte, war er, der väterlicherseits aus einer jüdischen Bankiersfamilie, mütterlicher-
seits aus altem Augsburger Calviner Milieu stammte, uns Jüngeren, je länger je mehr,
geradezu zum Repräsentanten eines Großbürgertums geworden, das auf der Basis gesicherten
Reichtumes Blüten feinster geistiger Kultur treibt — ein Typus, wie er seit je an diesem
Ostrande des deutschen Sprachgebietes nur allzu spärlich gedieh und für dessen Entfaltung
wohl heutigen Tages überhaupt die Bedingungen geschwunden sind. Albert Figdor war
von Jugend an — und auch das ist für das Wien der Sechziger- und Siebzigerjahre charak-
teristisch — mit französischer Kultur und französischem Wesen vertraut gewesen und es
ist gewiß kein Zufall, daß die beiden einzigen Sammlungen, die sich der seinen ihrer Art
nach vergleichen lassen, die ehemalige Sammlung Spitzer und die (heute im Bargello be-
findliche) Sammlung Carrand, in Frankreich entstanden sind.
Er hat früh, anfangs mit seinem Bruder Gustav gemeinsam, zu sammeln begonnen. Die
geistige Einstellung, aus der heraus er sammelte, war ein warmes, umfassendes und sehr
unmittelbares Interesse für jede Art menschlicher Betätigung. Seinem Sammeln haftete
keinerlei musealer Zug an, nichts Theoretisches, wie es etwa die dreißig Jahre später ent-
standene, auf Darstellung der Stilentwicklung hinarbeitende Sammlung Seligmann in
Köln bestimmt — aber auch nichts von jener Glut allerinnersten seelischen Erlebnisses,
wie es aus der Sammlung Stoclet in Brüssel vernehmlich spricht. Was ihn trieb, war die
unmittelbare und in gewissem Sinne entzückend naive Freude an dem schönen Stück, an
der Köstlichkeit des Objektes, das bestimmt gewesen war zum Schmucke und das nun
seine Umwelt schmücken sollte; darum ist fast jedes der Tausende von Dingen, die ihn
umgaben, auch erfreulich, ansprechend, »schön« im landläufigen Sinne des Wortes gewesen.
Auch seine Sammlung ist ja immer schmuckhafte Dekoration seines Interieurs gewesen,
wie die Fülle frischer Blumen, die er in seinem Wohnzimmer liebte, wie der schöne Blick,
den man aus seinen Fenstern über Volksgarten und Parlament genoß; und sie behielt
diesen Charakter einer höchst kostbaren »Einrichtung« auch dann, als sie, ins Ungemessene
wachsend, jedes verfügbare Fleckchen in Anspruch genommen und ausgefüllt hatte, so
daß der ungewohnte Besucher, in der Angst anzustoßen, sich nur zaghaft zwischen diesen
Schätzen zu bewegen wagte. — Dazu trat aber, stärker noch als die Freude an der Schmuck-
haftigkeit der Dinge, ein immer waches Interesse für den Gegenstand selbst. So wie
das 19. Jahrhundert überhaupt, Material sammelnd, Tatsachen registrierend, immer

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