Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — 11.1927

DOI Heft:
Heft 56
DOI Artikel:
Fichtner, Fritz: Spätromanische Prunkkelche
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.55197#0065

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
SPÄTROMANISCHE PRUNKKELCHE
VON FRITZ FICHTNER
Wenn auch die romanische Goldschmiedekunst Deutschlands verhältnismäßig wenig Be-
arbeitung gefunden hat, so beweist doch die Qualität der erhaltenen Denkmäler und der
ganz offensichtliche Einfluß der Edelmetallarbeit auf andere Kunstzweige, daß der Juwelier-
kunst jener Zeit doch eine recht hervorragende Bedeutung zukommt. Neben den Werken
der Schulen von Trier, Aachen, Regensburg, Essen und der Werkstatt des Bernward von
Hildesheim beschäftigten die Fachwissenschaft vor allem die Arbeiten des Rogerus von
Helmershausen, da hier der wissenschaftlichen Forschung ein dankbares Arbeitsgebiet durch
das Vorhandensein von Werken und eigenhändigem Schrifttum ein und desselben Meisters
gegeben war. Einen bedeutsamen Schritt vorwärts in der Erforschung frühmittelalterlicher
Goldschmiedekunst brachten die Arbeiten O. v. Falkes, die sich vor allem mit der Email-
kunst, wenn auch besonders mit dem Kupfergrubenemail beschäftigen. Wohl wußte
man um die Existenz einer außerordentlich hochwertigen maas-rheinischen Goldschmiede-
kunst des 12. Jahrhunderts — zum Erlebnis für einen größeren Kreis Interessierter wurde
sie doch erst durch die Rheinische Jahrtausendausstellung 1925 in Köln, die der Fachwelt
bequeme Vergleichsmöglichkeit der Werke, insonderheit der großen Reliquienschreine bot.
Eine Veröffentlichung der Bearbeitung dieses Gebietes steht, wie versichert wird, unmittel-
bar bevor. Noch aber blieb eine entsprechende Würdigung der norddeutschen Goldschmiede-
kunst des 13. Jahrhunderts und ihrer einflußreichsten Werkstatt, Hildesheim, aus. Es wäre
verfrüht, dies heute schon unternehmen zu wollen, denn es fehlt an so gut wie allen Vor-
arbeiten. Erste Beiträge hiezu sind die verdienstvollen Veröffentlichungen von Adolf
Goldschmidt: Das Evangeliar im Rathaus zu Goslar und ein mittelalterliches Reliquiar
des Stockholmer Museums. Vor allem müßte vorher die Eigenart der rheinischen Gold-
schmiedearbeit des voraufgehenden 12. Jahrhunderts klargestellt werden, da gerade von
ihr die Hildesheimer Meister beeinflußt wurden.
Die vorliegende Veröffentlichung der Prachtkelche von: Moritzberg, Prenzlau, St.Godehard
in Hildesheim und Kloster Marienstern will eine Fortführung dieser ersten Vorarbeiten
sein. Urkunden, die über Entstehungszeit und Werkstatt dieser Arbeiten Aufschluß
böten, konnten bisher nicht aufgefunden werden, man ist fast allein auf stilkritischen
Vergleich angewiesen. Anordnung und Formen Verhältnisse von Fuß, Nodus und Cuppa
lassen alle vier Kelche noch als typisch romanische Stücke erscheinen. Die besonders
reichen, fast barocken Einzelzierformen sind letzte Steigerungsmöglichkeiten einer Kunst,
die ihren höchsten Gipfel erreicht hat.
Der Kelch von St. Moritz auf dem Zierenberg (Abb. 2) stellt rein formgeschichtlich mit
seinem in der Ebene gehaltenen, noch wenig plastischem Filigran das älteste Stück dar
und darf um 1200 angesetzt werden, zumal in dieser Zeit mit der Beendigung des Kreuz-
ganges (Ende des 12. Jahrhunderts) eine wichtige Epoche in der Baugeschichte des Stiftes
abgeschlossen wurde und es wohl denkbar ist, daß man anschließend auf Ausgestaltung

35
 
Annotationen