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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — 11.1927

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Heft 55
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Berichte aus den Kunstzentren
DOI Artikel:
Weigelt, Hilde: Die Wiederherstellung der Kanzel des Giovanni Pisano im Dom zu Pisa
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Dettmann, Gerd: Thüringer Gläser im Bremer Focke-Museum
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https://doi.org/10.11588/diglit.55197#0036

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PISA, KANZEL DES GIOVANNI PISANO / BREMEN, FOCKE-MUSEUM

Teile, mehrere Säulen, sämtliche Kapitelle, die
Bodenplatte der Empore, die ganze Treppe, eine
der Sybillen und die Evangelistensymbole, ab-
gesehen vom Adler des Lesepultes. Das Fehlende
ist in moderner Marmorarbeit ergänzt. Sehr
interessant ist es, in Peleo Baccis oben zitiertem
Buch zu verfolgen, wie geistreich er die Sybillen
erkennt und einreiht, und wie er zu der jetzigen
Anordnung der ebenen Basreliefs kommt, wobei
ihn ein glücklicher Spürsinn leitete. Bacci gelang
es, ein Fragment der profilierten Bodenplatte
der Empore wiederzufinden. Es war 182g bei
der Neuanordnung des Grabmals Heinrichs VII.
verwendet worden und trug ein Stück der In-
schrift, das wörtlich mit dem entsprechenden
Teil des urkundlich überlieferten Textes über-
einstimmte. Nach der Profilierung des Fragments
und der auf ihm erhaltenen Schrift konnte Bacci
die Ornamentierung der ganzen Bodenplatte er-
gänzen und die Inschrift nach dem vorhandenen
Text erneuern.
Die heutige Rekonstruktion der Kanzel in Pisa
wird, besonders in ihrer Anordnung der Stütz-
figuren, vermutlich nicht unwidersprochen bleiben.
Aber der Versuch ist in jedem Falle ein Gewinn.
Wir wissen, daß Giovanni Pisano bei diesem
gewaltigen und tiefdurchdachten Werk aufreiben-
de und unablässige Kämpfe mit dem Leiter der
Domopera durchzukämpfen hatte. Es müssen Ver-
dächtigungen umgegangen sein, die sein Bestes,
Künstlerisches und Menschliches angriffen und
verletzten, denn aus der Inschrift hört man die
Bitterkeit heraus:
»Queque labore gravi — nunc clamat non bene cavi
Dum plus monstravi — plus hostita damna probavi
Corde sed ignavi — penam fero mente suavi«
So ist die endliche Wiederherstellung der Kanzel
im tiefsten Sinne ein Akt der Pietät, die Recht-
fertigung für einen großen Künstler, der um
sein Werk gerungen und gelitten hat, und ihm
vielleicht gerade darum die erschütternde Größe
zu geben vermochte. Hilde Weigelt
THÜRINGER GLÄSER IM BREMER FOCKE-
MUSEUM
Das Focke-Museum erwarb vor einiger Zeit
einen früher in der Sammlung Schöller, Berlin,

befindlichen, dem E. G. Kunckel zugeschriebenen
geschnittenen Glaspokal. Dieser vereinigt sich
nun mit einigen anderen Gläsern, die aus den
alten Beständen des Historischen und des Ge-
werbe-Museums stammen, zu einer interessanten
Gruppe, die hier als Beitrag zur Spezialforschung
veröffentlicht sei \ (Das Focke-Museum wird nach
seiner Neuaufstellung die Bestände der beiden
eben genannten früheren Bremer Museen ver-
einigen.)
Die beiden älteren dieser Gläser sind un-
zweifelhafte Werke des Thüringer Glasschneiders
S. Schwartz, wenn sie auch nicht signiert sind.
Das erste, ein Glaspokal mit facettiertem Fuß,
ist an der Kuppa in Matt- und Blankschnitt
verziert mit dem gekrönten sächsisch-polnischen
Wappen in einer Akanthuskartousche, gehalten
von derben Puttengestalten und umgeben von
Löwen, Fahnen und Trophäen. Auch der Deckel
und die Standplatte sind mit ähnlichen Fahnen-
dekorationen geschmückt. (Abb. 3.)
Der zweite, qualitativ höher stehende Glaspokal
zeigt die gleiche Form, aber sehr viel reicheren
Dekor, wieder in Matt- und Blankschnitt aus-
geführt. Auf der Vorderseite das Brustbild Augusts
des Starken, darüber zwei geflügelte Frauen-
gestalten mit der Krone, das Bildnis sehr scharf
und klar, die Frauenfiguren sehr schwungvoll
in bauschigen Gewändern. Rund herum Fahnen
und Trophäen. Auf der Rückseite ist wieder
das sächsisch-polnische Wappen angebracht, von
Putten gehalten. Auf der Standplatte gekreuzte
Zweige, Fahnen und Trophäen. Beide Gläser
sind nun mit Sicherheit auf Grund stilistischer
Ähnlichkeit mit den signierten Gläsern dem
S. Schwartz zuzuweisen. Es ist die gleiche Tech-
nik des Blank- und Mattschnittes, eine ähnliche
Anordnung und Durchführung der Dekoration,
und es sind gleiche Motive. Freilich ist bei dem
zweiten Glaspokal die kristallartige Wirkung
des abwechselnden Matt- und Blankschnittes
weit besser und klarer erreicht als bei den frü-
heren. (Abb. 1 u. 2.)
1 Die Bestimmung dieser Gläsergruppe verdankt die
Museumsverwaltung dem bekannten böhmischen Samm-
ler Herrn Dr. J. Jantzen.

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