BERICHTE AUS DEN KUNSTZENTREN
EINE NEUERWERBUNG DES VICTORIA AND
ALBERT-MUSEUM IN LONDON
Das Museum erwarb kürzlich bei Christie aus
der Sammlung des Lord Ednam ein kleines,
aber außerordentlich importantes Marmorrelief
des Desiderio da Settignano, darstellend Madonna
mit Kind. Diese prächtige Florentiner Skulptur
war seit dem Ende des 18. Jahrhunderts ver-
schollen gewesen, zu welcher Zeit es der Earl
von Dudley in Italien erstand. Vor wenigen
Jahren wurde man erst wieder auf das schöne
Stück, das in der Bibliothek des Earl Aufstel-
lung gefunden hatte, aufmerksam; es wurde
nach einem Abguß des Berliner Museums, welcher
unzweifelhaft von dem in England befindlichen
Original genommen wurde und nach einer nur
geringe Abweichungen aufweisenden, aller Wahr-
scheinlichkeit nach zeitgenössischen Marmor-
kopie der Sammlung Dreyfus in Paris, identi-
fiziert. Außerdem wurden noch folgende, dem
Museum durch Erbanfall zugekommene Stücke
zur Aufstellung gebracht: Eine interessante Holz-
plastik, Pietä, englisch, 14. Jahrhundert, eine
Lindenholzstatuette, Madonna mit Kind von
Riemenschneider, und eine polychromierteMagda-
lenen-Holzstatuette mit Brüsseler Zeichen, vom
Beginn des 16. Jahrhunderts.
DAUMIER-VERSTEIGERUNG UND AUSSTELLUNG
IN PARIS
Zu gleicher Zeit, als die berühmte »Collection
Paul Bureau« unter den Hammer kam und zum
letztenmal die schönste Sammlung der Werke
von Honore Daumier (8 Gemälde und 40 Aqua-
relle) der Öffentlichkeit zugänglich machte, zeigt
die Galerie Dru, eine große Ausstellung von
100 Werken dieses Meisters: 6 Bilder, 20 Aqua-
relle, 75 Zeichnungen und Skizzen.
Erzielte Preise: Don Quichotte und Sancho Panqa
1,290.000 Francs, Die Wäscherin 700.000, er-
worben vom Louvre, Die Emigranten 285.000,
Le Pardon 580.000, Die Advokaten 295.000, Im
Wartesaal 501.000, Die Kunstliebhaber 640.000,
Die fahrenden Musikanten 400.000.
DIE GALERIE THANNHAUSER, MÜNCHEN
zeigt ab Mitte Juli bis Ende August eine große
Ausstellung deutscher Kunst, die einen Aus-
schnitt von Menzel und Leibi bis zur Gegen-
wart umfaßt.
MAASTRICHT. EIN NEUES MUSEUM FÜR ALTE
KUNST
Ganz nahe bei Maastricht liegt ein kleines Schloß
aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts »De
Torentjes«. In den letzten Jahren ist es ein klein
wenig umgebaut worden, aber seine feine Sil-
houette hebt sich wie ein Wappen des alten
Herrenhauses vom Himmel ab. Und nun ist es
zu einem Museum umgewandelt worden. Es ist
kein überwältigendes Museum, das da entstanden
ist, das da mit orchestralem Rauschen von Kunst-
werken das einzelne so gar nicht mehr genießen
läßt, sondern — ja um so besser — eine kleine
Schatzkammer ist da geschaffen worden, immerhin
bedeutend genug, um Kenner, Genießer und
Studierende hinzuzwingen. Maastricht, das schon
einige Museen besitzt — die beiden Schatzkammern
von Kirchenkunst, das Oudheidkundig Museum
(Heksenhoek) und das Sted. Museum — ist um
eines reicher geworden.
Das Schloß, einst Sommerresidenz des Kanonikus
von St. Servaas ist seit vielen Jahren im Besitz
der Maastrichter Familie Gelissen, deren Haupt
Nie. Gelissen, ein großer Kenner und Sammler,
nun gemeinsam mit den anderen Mitgliedern der
Familie eine Vereinigung »Oude Kunst« grün-
dete und seinen und den Familienbesitz als Basis
für diese Gründung gab.
Die Lichtverhältnisse des Schlosses sind zwar keine
idealen für einen Museumsbau zu nennen, aber
um so mehr dagegen stimmt der Stil der Kunst-
werke mit den einschließenden Räumen überein.
Ein gotischer Saal des 15. Jahrhunderts, ein spät-
gotischer des 16., einer des 17. und 18. sind es,
die die Schätze beherbergen.
Armbrüste, Pieken, Schwerter, Rüstungen, poly-
chrome Schnitzereien, Überreste des alten Ritter-
klosters »Alden Biesen« füllen den Saal des
15. Jahrhunderts.
Ein offener Kamin aus schwerem, zackigem Eisen
steht im Saal des 16. Jahrhunderts und an den
Wänden Bilder von A. van Ordt (einer der Lehr-
meister von Rubens), ein prächtiger Quintin
Metsys (Betendes Mädchen), eine Madonna mit
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EINE NEUERWERBUNG DES VICTORIA AND
ALBERT-MUSEUM IN LONDON
Das Museum erwarb kürzlich bei Christie aus
der Sammlung des Lord Ednam ein kleines,
aber außerordentlich importantes Marmorrelief
des Desiderio da Settignano, darstellend Madonna
mit Kind. Diese prächtige Florentiner Skulptur
war seit dem Ende des 18. Jahrhunderts ver-
schollen gewesen, zu welcher Zeit es der Earl
von Dudley in Italien erstand. Vor wenigen
Jahren wurde man erst wieder auf das schöne
Stück, das in der Bibliothek des Earl Aufstel-
lung gefunden hatte, aufmerksam; es wurde
nach einem Abguß des Berliner Museums, welcher
unzweifelhaft von dem in England befindlichen
Original genommen wurde und nach einer nur
geringe Abweichungen aufweisenden, aller Wahr-
scheinlichkeit nach zeitgenössischen Marmor-
kopie der Sammlung Dreyfus in Paris, identi-
fiziert. Außerdem wurden noch folgende, dem
Museum durch Erbanfall zugekommene Stücke
zur Aufstellung gebracht: Eine interessante Holz-
plastik, Pietä, englisch, 14. Jahrhundert, eine
Lindenholzstatuette, Madonna mit Kind von
Riemenschneider, und eine polychromierteMagda-
lenen-Holzstatuette mit Brüsseler Zeichen, vom
Beginn des 16. Jahrhunderts.
DAUMIER-VERSTEIGERUNG UND AUSSTELLUNG
IN PARIS
Zu gleicher Zeit, als die berühmte »Collection
Paul Bureau« unter den Hammer kam und zum
letztenmal die schönste Sammlung der Werke
von Honore Daumier (8 Gemälde und 40 Aqua-
relle) der Öffentlichkeit zugänglich machte, zeigt
die Galerie Dru, eine große Ausstellung von
100 Werken dieses Meisters: 6 Bilder, 20 Aqua-
relle, 75 Zeichnungen und Skizzen.
Erzielte Preise: Don Quichotte und Sancho Panqa
1,290.000 Francs, Die Wäscherin 700.000, er-
worben vom Louvre, Die Emigranten 285.000,
Le Pardon 580.000, Die Advokaten 295.000, Im
Wartesaal 501.000, Die Kunstliebhaber 640.000,
Die fahrenden Musikanten 400.000.
DIE GALERIE THANNHAUSER, MÜNCHEN
zeigt ab Mitte Juli bis Ende August eine große
Ausstellung deutscher Kunst, die einen Aus-
schnitt von Menzel und Leibi bis zur Gegen-
wart umfaßt.
MAASTRICHT. EIN NEUES MUSEUM FÜR ALTE
KUNST
Ganz nahe bei Maastricht liegt ein kleines Schloß
aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts »De
Torentjes«. In den letzten Jahren ist es ein klein
wenig umgebaut worden, aber seine feine Sil-
houette hebt sich wie ein Wappen des alten
Herrenhauses vom Himmel ab. Und nun ist es
zu einem Museum umgewandelt worden. Es ist
kein überwältigendes Museum, das da entstanden
ist, das da mit orchestralem Rauschen von Kunst-
werken das einzelne so gar nicht mehr genießen
läßt, sondern — ja um so besser — eine kleine
Schatzkammer ist da geschaffen worden, immerhin
bedeutend genug, um Kenner, Genießer und
Studierende hinzuzwingen. Maastricht, das schon
einige Museen besitzt — die beiden Schatzkammern
von Kirchenkunst, das Oudheidkundig Museum
(Heksenhoek) und das Sted. Museum — ist um
eines reicher geworden.
Das Schloß, einst Sommerresidenz des Kanonikus
von St. Servaas ist seit vielen Jahren im Besitz
der Maastrichter Familie Gelissen, deren Haupt
Nie. Gelissen, ein großer Kenner und Sammler,
nun gemeinsam mit den anderen Mitgliedern der
Familie eine Vereinigung »Oude Kunst« grün-
dete und seinen und den Familienbesitz als Basis
für diese Gründung gab.
Die Lichtverhältnisse des Schlosses sind zwar keine
idealen für einen Museumsbau zu nennen, aber
um so mehr dagegen stimmt der Stil der Kunst-
werke mit den einschließenden Räumen überein.
Ein gotischer Saal des 15. Jahrhunderts, ein spät-
gotischer des 16., einer des 17. und 18. sind es,
die die Schätze beherbergen.
Armbrüste, Pieken, Schwerter, Rüstungen, poly-
chrome Schnitzereien, Überreste des alten Ritter-
klosters »Alden Biesen« füllen den Saal des
15. Jahrhunderts.
Ein offener Kamin aus schwerem, zackigem Eisen
steht im Saal des 16. Jahrhunderts und an den
Wänden Bilder von A. van Ordt (einer der Lehr-
meister von Rubens), ein prächtiger Quintin
Metsys (Betendes Mädchen), eine Madonna mit
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