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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — 11.1927

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Heft 58
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Baldass, Ludwig: Die Niederländer des 15. und 16. Jahrhunderts auf der Ausstellung flämischer Kunst in London 1927, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.55197#0185

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DIE NIEDERLÄNDER DES 15. UND 16. JAHRHUNDERTS
AUF DER AUSSTELLUNG FLÄMISCHER KUNST
IN LONDON 1927
VON LUDWIG BALDASS
Schluß
Unter den anonymen Bildern der Jahrhundertmitte war das bedeutendste die um 1450
entstandene Mannalese des Museums von Douai (Nr. 26). Die früher auch von mir ver-
fochtene Zuschreibung an Ouwater läßt sich nicht halten. Das ungefirniste, stellenweise
verriebene und retouchierte Bild hatte nicht ganz den Platz, der ihm seiner Qualität nach
gebührte. Es hat weder mit der Richtung der van Eyck noch mit Rogier etwas zu tun,
dagegen verbinden es noch Fäden mit der Kunst des Meisters von Flemalle. Außerdem
bereitet es in der Figurenkomposition Justus van Gent und die Spätwerke des Dirk Bouts
vor. Die Madonna mit dem Petrus de Molendino von 1459 aus der Kathedrale St. Paul
zu Lüttich wirkt altertümlich im Stil, ist aber ohne Ausstrahlungen Rogierscher Kunst
nicht denkbar.
Dirk Bouts war durch ein einziges eigenhändiges Werk, die durch gelbe Firnisflecke et-
was entstellte, aber sonst gut erhaltene Madonna der ehemaligen Stroganoff-Sammlung
(Nr. 65, Sir Robert Abdy) vertreten. Bei der Lukasmadonna des Lord Penrhyn wird man
Friedländer folgen müssen, der sie jetzt nur mehr der Nachfolge des Meisters zuteilt.
Ausgezeichnet in Qualität und Erhaltung ist die Madonna eines bestimmten, auch sonst
faßbaren Nachahmers des Dirk Bouts bei Mrs. Gutekunst (Nr. 57)5 einem andern Schüler
gehörten die ziemlich großen, wohl erhaltenen und nur in einzelnen Köpfen etwas retou-
chierten Flügel der Kreuztragung und Auferstehung (Nr. 39, M. Fievez) an. Von Albert
Bouts war ein charakteristischer Christuskopf (Nr. 87, G. d’Hondt) und die bekannte Tafel
(Nr. 82) der Sammlung Hirsch, die Moses vor dem brennenden Dornbusch und Gideon
mit dem goldenen Vlies darstellt, zu sehen. Demselben Meister ist die noch nicht erkannte,
stellenweise schlecht erhaltene Auferstehung des Musee Fabre in Montpellier (Nr. 34)
zuzuweisen.
Hugo van der Goes war durch zwei wirkliche Hauptwerke vertreten: Der berühmte Tod
der Maria des Brügger Museums war hier besser beleuchtet als in der Brügger Akademie;
infolge mangelnden Firnisses und Fehlen der abgewetzten Lasuren hat das Gemälde einen
temperaartigen Charakter angenommen. Die beiden von Friedländer auf ihre Erhaltung
eingehend untersuchten Flügel aus Holyrood Palace waren leider so ungünstig als möglich
aufgestellt und konnten erst nach Schluß der Ausstellung studiert werden. Deutlich konnte
an den Rückseiten die Scheidung der Hände (der König, die Königin und der Kronprinz
sind wohl nicht nur in den Köpfen von einem schwächeren Maler) wahrgenommen wer-
den. Die Vorderseiten sind mit Ausnahme einzelner Retouchen besser, der Stifterflügel
sogar gut erhalten, nur das Gold ist anscheinend im 19. Jahrhundert fast zur Gänze über-
bronziert worden. Dagegen muß die hl. Anna Selbdritt mit dem Stifter aus dem Brüsseler

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